BlogMüllverordnung oder Warum ich kein guter Japaner werde

Müllverordnung oder Warum ich kein guter Japaner werde

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Ach, was waren das für Zeiten – als ich in Deutschland zu jeder Zeit meinen Müll wegbringen konnte! Mülleimer voll? Na dann, weg damit in die Tonne!
In Japan muss man schon einen ausgeklügelten, regelmässigen Tagesablauf haben, um vorbildlich zu sein. In unserer Gegend sieht das so aus:

  • Papier darf man nur Sonnabends wegwerfen
  • Plaste- und Glasflaschen + Dosen nur Mittwochs
  • Brennbaren Müll Dienstags, Donnerstags und Sonnabends
  • Nicht brennbarer Kleinmüll Mittwochs
  • Sondermüll jeden ersten und dritten Mittwoch

Klingt kompliziert? Nicht doch, die Pointe kommt erst noch. Und damit die Japanischkenner auf ihre Kosten kommen, schreibe ich auch gleich noch die japanische Klausel dazu:
ごみは収集日の午前中7時から8時の間に出しましょう。
収集日以外の日や夜間に出さないでくださいネ!
収集後のごみ出しは、ポイ捨て・不法投棄の原因になります。
Auf gut Deutsch:
„Bringen Sie den Müll an den festgelegten Tagen
morgens zwischen 7 Uhr und 8 Uhr
raus.
Und nicht an anderen Tagen oder in der Nacht herausbringen!
Das Entsorgen von Müll nach den festgelegten Tagen ist eine Ursache für achtloses Wegwerfen bzw. illegale Entsorgung“.
Also, Sonnabend morgen 7 Uhr aufstehen! Müll wegbringen! Nach all den Jahren komme ich nicht ganz darüber hinweg. Und deshalb gehöre ich zu den Bösen und stelle ganz gelegentlich den Müll um Mitternacht in die Müllbox. Nein, ich werde kein vorbildlicher Japaner. Allerdings halten sich die meisten Japaner auch nicht immer daran.
Man sollte der Fairness aber sagen, dass die Regel auch Gründe hat:
1) Es gibt keine Mülltonnen, nur offene Hütten oder Räume.
2) In den Städten gibt es viele Raben, die ganz leicht die Tüten öffnen können und danach alles verstreuen.
3) Extreme Luftfeuchtigkeit bei 35 Grad + Müllgeruch tragen nicht unbedingt zur Erhöhung der Wohnqualität bei.
Natürlich muss man aber sehen, dass viele Japaner einfach nicht um diese Zeit (die variiert jedoch je nach Stadtgebiet), also innerhalb dieser einen Stunde, Müll wegbringen können – da sind viele entweder auf Arbeit oder kommen gerade von selbiger wieder.
So, das reicht erstmal zum Thema Müll. Sonst zählt dieser Artikel auch noch dazu.

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

11 Kommentare

  1. Na na, was heisst denn hier Google käme nicht nach mit den passenden Anzeigen? (s. vorheriger Artikel)

    Passend zum Müllartikel klebt an dessen Ende auch gleich die Anzeige „Rechtsberatung zum Müll“. Weiters „Müllpressen“, „Elektrogeräteentsorgung“, „Absauganlagen“, „Ankauf/ Recycling von Herzschrittmachern“ und „Edelmetallrecycling aus Implantaten“.
    Da kann man sich nicht nur zum eigenen geschriebenen Müll rechtlich absichern lassen. Der Mensch v.Web2.0 von heute ist komplett entsorgbar, mitsamt seiner lebensnotwendigen 500 mobilen Devices und dazugehöriger Ladegeräte, die seine Existenz definieren (ich bin auch ein iPod!).

    Fehlen noch die Anzeigen für Recycling von Silikonimplantaten und künstlichen Hüftgelenken. Daraus liessen sich prima Handgelenkkissen für PC-User sowie Golfschläger machen.

    Letzte Hürde vor der Selbstentsorgung: ist die Welt Müll oder liegt’s an mir? Wer hat wen gemacht, das alte Huhn-Ei Dilemma. Da wird die Entsorgung u.U. ziemlich knifflig. Aber dafür gibt’s bestimmt bald ne online Lösung, Web2.0 sei Dank!

    Selbstentsorgung online, einfach in den „Recycle Bin“ (Papierkorb) ziehen. Ob man das dann auch Sonntags darf?

    So, das war mein Müll zum Müll.

    Es grüsst aus der Tonne,
    Diogenes

  2. da sage noch mal einer, die deutschen wären regelungswütig. gibt also auch andere. wenn ich das richtig vertshe, haben die wohnungen/wohneinheiten keine eigene mülltonne. sind die hütten und räume dann öffentlich? reichen die denn? oder gibt es doch ein gewisses einzugsgebiet für jede müllhütte? wie trennfreudig sind denn die japaner? tja, vielleicht ergibt sich im laufe der zeit ein weiterer mülleintrag in deinem tollen blog. (nachträgliche glückwünsche zum jubiläum).

    beste grüße aus HAL/L

    Terry

  3. Und da ärger ich mich schon, wenn ich Glas nicht nach 20:00 Uhr in die Glastonne werfen darf und auch das nur unter der Woche. Mir ist schon klar, dass das zum Teil Sinn hat, sehe darin aber meist primär einen Beweis für zu wenig Vertrauen in den Common Sense der Bürger und die überschüssigen Kräfte bei der Regelwut der Bürokratie.

    Aber unsere Einschränkungen sind ja einen Witz gegen die in Japan! Sinnvoll sind sie ja scheinbar teilweise aber vielleicht gibt es sie primär wegen dem bürgerlichen Lustgewinn beim Übertreten unwichtiger behördlicher Regelungen, analog zum „Hier warten-Strich“ auf dem Amt, über den sich vorsichtig viele Füsse hinüberschlängeln :o).

  4. Leider kann ich die bis dahin gemachten Beiträge noch nicht einsehen, aber falls die Frage nicht schon gestellt wurde:

    Gibt es nicht diverse private Firmen, die für die Müllentsorgung zuständig sein können? Welche Wurzeln hat dieses System eigentlich? Manche Dinge wurden ja vom Westen übernommen, wieso nicht auch das? Gibt es dazu offizielle Statements? Ich hoffe, die Frage macht nicht zuviel Arbeit, ist rein aus Interesse.

  5. also ich würde es auch hier auf keinen fall schaffen, in der zeit meinen müll rauszustellen, da ich mich um 5:30 auf den weg zur arbeit mache ;)

    aber ne ganz bescheidene frage. wenn es doch fakt ist, dass rabengetier und hitze/luftfeuchtigkeit für menschen net gerade sonderlich ansprechend mit dem müll agieren, warum führt man dann nicht einfach müllcontainer ein? wäre doch wesentlich praktischer.

  6. @Dean
    Der User ist in der Tat leicht entsorgbar. Besonders durch Web 2.0 und Co. Menschen aber nicht – der Medikamentenanteil ist wohl zu hoch.

    @Terry
    So trennfreudig wie ein Volk ebend sein kann, das im Wesentlichen in „brennbaren“ und „nicht brennbaren“ Müll unterscheidet. Die Situation ist aber schon wesentlich besser als Jahre zuvor.
    In der Regel hat jedes Wohnhaus, egal wie gross, seine eigene Müllhütte. Manchmal gibt es aber auch einen zentralen Platz mitten in kleinen Wohnvierteln. Ja, die sind frei zugänglich (und meistens frei einsehbar!!!)

    @betravel
    Nirgendwo mehr kann man alltäglich so viele kleine Siege über die Bürokraten erringen wie in Japan!

    @Kyra
    Müllentsorgung ist Aufgabe der Kommunen – die dann entsprechend Aufträge an die Wirtschaft erteilen. Es ist die Reglementierfreudigkeit in Japan – aber auch die Tatsache, dass man so dicht an dicht wohnt – die für uns so seltsame Blüten treibt.

    @Jörg
    Ganz einfach: Dazu reicht der Platz nicht. Und mal ehrlich, ein Müllcontainer hält vielleicht ein paar Tiere ab, aber da er geschlossen ist (und das freilich nicht 100%ig), macht er die Lage im Sommer nur schlimmer.

  7. Will ja keinem den bevorstehenden Japanaufenthalt verderben, aber mit trennen und sammeln und rausbringen ist es noch nicht getan. Tabibito ist wohl aus Rücksicht nicht ins Detail gegangen, nicht dass plötzlich massenweise Japanreisen storniert werden.

    Petflaschen, Dosen und Plastikschalen (Conbini-Food, Fleisch-/Fischbehälter) müssen ausgewaschen und sauber sein. Das ist kein Witz. Und wage es einer die Deckel auf den Petflaschen zu lassen, die sind nicht Pet und deshalb anderer Abfall. Um seinem Ärger Luft zu machen könnte man nun auf den Flaschen rumtrampeln. Aber nö, zerknautschen ist auch nicht, die Flaschen haben unversehrt zu bleiben.

    Da bleibt nur noch Seppuku mit dem Conbini-Plastikmesser (vorher waschen!).

  8. ähm.. ja.. klingt interessant. und sehr aufwendig. aber zumindest das auswaschen find ich jetzt sogar nicht schlecht um die geruchsbelästigung zu vermeiden und tiere fernzuhalten.
    und was ist, wenn man sich nicht daran hält? werden dann verschlossene flaschen oder nicht ausgespülter müll stehen gelassen? oder lauert einem nach mehrmaliger „straftat“ ein müllinspektor auf und weißt einen zurecht?

  9. eins würde mich ja noch interessieren. wie sehen denn die strafen aus, wenn man beim falsch sortierten müll entsorgen bzw beim zu zeitigen entsorgen seines mülls erwischt wird? wie hoch ist überhaupt die chance erwischt zu werden? mir kommt gerad die idee mit adrett uniformierten müllpolitessen, welche knöllchen für müllvergehen an die bewohner verteilen, naja lieber nicht ;)

  10. wenn ich mich richtig erinnere musste man früher alles in durchsichtige tüten packen und auf der tüte auch adresse und namen raufpacken… naja, aber japanreisende sollte das dennoch nicht abschrecken, mir als einfachen touristen sind da aufgrund des sicherlich nicht immer korrekten benehmens in der hinsicht auch nach dem 5. mal keine probleme entstanden, also schön weiter reisen :-)

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