BlogDie Qual der Wahl bei Übernachtungen in Japan

Die Qual der Wahl bei Übernachtungen in Japan

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Ende des vergangenen Jahres ging es auf eine 三泊四日 sanpaku yokka (drei Nächte und Viertage)-Reise mit meinem 10-jährigen Sohn. Eine Familienreise war leider nicht möglich, denn meine nunmehr 15-jährige Tochter ist 受験生 jukensei – „Prüfling“ – sie muss sich auf die Aufnahmeprüfungen der Oberschulen, jene finden Mitte Februar statt – vorbereiten, und da gibt es keinen einzigen freien Tag.

Wo übernachten? Reise ich allein, habe ich kein Problem damit, in den günstigsten Absteigen zu übernachten. Business-Hotels versuche ich zu vermeiden – die sind zwar günstig, aber langweilig. Komfort brauche ich nicht, allerdings habe ich aber auch keine Lust mehr auf Schlafsäle. Doch Tabibito Jr. hat Ansprüche: Am liebsten soll es ein großes Hotel sein – mit Onsen (heißer Quelle) und Buffet. Also entscheide ich mich für einen Mix: Eine ominöse Absteige für gerade mal 5,000 Yen (40 Euro) für zwei, dann eine Unterkunft mit Charakter (alte Fischerhäuser, zu Pensionen umgebaut) für ca. 10,000 Yen, und ein großes Hotel, sehr familienfreundlich, mit heißer Quelle, Abend- und Frühstücksbuffet für 16,000 Yen.

Natürlich kam Nummer 3 sehr gut an, aber einen bleibenden Eindruck hinterliess Nummer 1. Der Besitzer war ein äußerst interessanter Japaner, Anfang 40 schätze ich mal, der eine kleine Pension betreibt, doch nicht nur das: Er hat in dem Haus einen Club eingerichtet, in dem Bands spielen können, und den bis zu 80 Leute reinpassen. Nebst Bar. Die Zimmer waren riesig (für japanische Verhältnisse), furchtbar kalt aber hatten Stil. Und wir waren die einzigen Gäste. Der Besitzer reist gelegentlich nach Kampuchea und arbeitet dort ehrenamtlich mit Kindern – das merkte man. Für meinen Sohn war er wie ein großer Bruder, und so kam es, dass die beiden bis Mitternacht Computer- und analoge Spiele spielten und viel Spaß miteinander hatten.

Interessant für mich waren die zahlreichen Hinweise und Warnungen, die überall in dem Haus verteilt waren und sicherlich die Quintessenz der zahlreichen Erfahrungen des Besitzers mit seinen Gästen darstellten. Zum Beispiel gab es ein postkartengroßes Menü mit verschiedenen Preisen – für ein und das gleiche Produkt, nämlich ein Glas Bier:

  1. Ich hätte gern ein Bier….   500 Yen
  2. Bring mal ein Bier her…    1,000 Yen
  3. Oi! Bier!…                        2,000 Yen

Doch nicht nur das. Es gab Warnungen an ausländische Gäste, dass diese gelegentlich beim Souvenirkauf über den Tisch gezogen werden könnten, sowie ein Traktat auf japanisch und Englisch, auf dem erklärt wird, dass Japaner schlechte Manieren haben.

Warnhinweis für Ausländer in einer Unterkunft in Wakura
Warnhinweis für Ausländer in einer Unterkunft in Wakura

Das mag für manchen ungewöhnlich klingen, schließlich stehen Japaner für Höflichkeit, gute Manieren und geringe Lautstärken. Doch der Besitzer hat seine Gründe, und er ist nicht der Erste, der sich über seine Landsleute mokiert – über einen ähnlichen Fall berichtete ich bereits 2019. Das Problem sind dabei weniger einzelne Japaner oder Japaner in den besseren Jahren, sondern eher Gruppen junger Japaner, die in der Tat sehr lautstark – und rücksichtslos – werden können. Sprich, Japaner, die etwas weiter weg fahren, um dann mal richtig die Sau raus zu lassen. Hinzu kommt die (aus meiner Sicht zumindest) Unsitte, und das zieht sich durchaus durch alle Altersgruppen, Angestellte von Restaurants und Hotels herabwürdigend zu behandeln. Einfachste Formen des Umgangs miteinander werden da über Bord geworfen, und in Japan äußert sich das vor allem in der Sprache.

Die Unterkunft war jedoch alles in allem ein Lichtblick und für meinen Sohn die beste Erinnerung an die Reise. Und das der Besitzer mitunter von seinen Landsleuten genervt ist, kann ich durchaus nachvollziehen – ein angenehmer Kontrast zu zahlreichen anderen Unterkünften, in denen gern ausländische Gäste als Buhmänner dargestellt werden.

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

3 Kommentare

  1. Hallo,
    ja die Bierkarte ist prima, und nachzuvollziehen, gewisse Umgangsformen sind einfach Pflicht. Ich frage mich ob er das auch so umsetzt. Un das er Touristen warnt das sie über den Tisch gezogen werden könnten ist ein feiner Zug.
    Ich persönlich nehme mir in Japan, oder sonstwo, immer einer Ferienwohnung, sprich eins der üblichen 1 Zimmer Apartments, ist kostengünstig und interessanter finde ich, wobei eine Übernachtung in nem traditionellen Ryokan steht auch auf der to do Liste :-)

    • Ferienwohnungen nehme ich gern bei Reisen mit der ganzen Familie. Allein oder zu zweit suche ich aber lieber nach einer wenn möglich interessanten Unterkunft, da man so am besten Leute kennenlernen kann.

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