TohokuIwateKuji - Tor zu einer spektakulären Küstenlandschaft

Kuji – Tor zu einer spektakulären Küstenlandschaft

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Region: 東北 Tōhoku
Präfektur: 岩手 Iwate
Rang 3 von 5 Sternen: Durchaus einen Abstecher wert
Name Kuji. („KYŪ, KU, hisa“) bedeutet „ewig“ und („JI, itsuku-shimu“) bedeutet „zärtlich, liebevoll behandeln“. Es gibt verschiedene Theorien zum Namensursprung – eine besagt, dass sie vom Wort „kujireru“ stammen könnte — das bedeutet „ausgehöhlt“ und könnte Bezug auf die Küstenform nehmen. Ebenfalls möglich ist ein Ursprung in der Ainu-Sprache – „kush“ bedeutet „Sandstrand in einer Bucht“. Ganz gesichert ist das allerdings nicht. Kuji ist auch der Name eines Flusses sowie der Bucht bei der Stadt.
Lage An der Pazifikküste, im Herzen der Region 陸中 Rikuchū im Nordosten der Präfektur Iwate. Bis Tokyo im Süden sind es rund 650 Kilometer.

Die Stadt Kuji I’m Nordosten der Präfektur Iwate hat eine Fläche von rund 625  Quadratkilometern, wobei die eigentliche Stadt natürlich nur einen ganz kleinen Teil davon einnimmt. In dem gesamten Gebiet leben rund 32‘000 Menschen – mit rund 50 Einwohnern pro Quadratkilometer ist die Gegend damit eher spärlich besiedelt, zumal der Großteil im Zentrum der Stadt lebt. In den 1960ern lebten hier noch rund 45‘000 Menschen, doch die Abwanderung junger Menschen in die Präfekturhauptstadt Morioka und nach Tokyo, einhergehend mit einer sehr geringen Geburtenrate und einer immer älter werdenden Bevölkerung sorgt auch in Kuji für einen spür- und sichtbaren Niedergang.

Das Stadtgebiet erstreckt sich vom bis über 1‘000 m hohen Bergland des Hinterlandes bis zur Kuji-Bucht am Pazifischen Ozean. Rund einen Kilometer vor der Bucht fließen im Zentrum der Stadt Nakauchi- und Kuji-Fluss zusammen und prägen somit das Stadtbild. Während die Gegend rund um die Stadt topfeben ist und zum Teil auch landwirtschaftlich genutzt wird, sind 85% des restlichen Stadtgebiets bewaldet und nahezu unbewohnt. 

Eine der Brücken über den Kuji-Fluss
Eine der Brücken über den Kuji-Fluss
Amber Hall - das Kulturhaus von Kuji in Iwate
Amber Hall – das Kulturhaus von Kuji in Iwate

Kuji ist zwar relativ klein, aber dennoch ein bisschen berühmt – zum Beispiel für den industriellen Bernsteinabbau. Bernstein, auf Japanisch 琥珀Kohaku genannt, findet man in Japan nicht allzu oft, und dementsprechend ist Bernstein weniger bekannt beziehungsweise verbreitet. Die Bernsteine von Kuji sind circa 90 Millionen Jahre alt und damit gut doppelt so alt wie die Bernsteine im Ostseeraum. Auch in Kuji gibt es Bernsteine mit Insekteneinschlüssen – bisher sind rund 1’000 davon gefunden wurden. 1997 entdeckte man erstmals weltweit einen Bernstein mit einer Vogelfeder in Kuji. Und nicht nur das — in der gleichen Schicht, also aus der gleichen Zeit, findet man gelegentlich auch Fossilien — so unter anderem 2023 eine neue Schildkrötenart.

In Japan wird Bernstein seit Jahrtausenden als Schmuckstein geschätzt – es gab eine regelrechte Bernsteinroute von Kuji bis in die alte Hauptstadt Nara. Mehr über die Bernsteine von Kuji erfährt man auf der informativen Webseite des Bernsteinmuseums der Stadt unter kuji.co.jp. Das 久慈Kuji琥珀kohaku博物館hakubutsukan (Kuji Bernsteinmuseum) liegt ein paar Kilometer außerhalb der Stadt, der Eintritt kostet 500 Yen und man kann auch Bernsteinschmuck im Museumsshop erwerben. Weltweit werden übrigens schätzungsweise 100 bis 200 Tonnen Bernstein gefunden und verarbeitet. In Japan wird jährlich rund 1 Tonne gefördert – der Großteil davon in Kuji.

Passend zum Edelstein hat man in Kuji 1999 die architektonisch interessante アンバーホール (Amber Hall) errichtet – ein Veranstaltungszentrum mit mehr als 1’000 Plätzen im größten Saal – siehe Foto oben.

Das Rathaus von Kuji passt gut zum Stadtbild
Das Rathaus von Kuji passt gut zum Stadtbild
Im Stadtzentrum von Kuji, Iwate
Im Stadtzentrum von Kuji, Iwate

Wettertechnisch ist Kuji ein Phänomen – im Sommer herrscht oft ein Nordostwind, Yamase genannt, der für eine Durchschnittstemperatur von gerade mal 22 Grad im August sorgt – das ist für diese Breiten sehr kühl. Auch die Winter sind verhältnismäßig kalt — die Temperaturen können durchaus bis unter -30 Grad fallen. Das Mikroklima von Kuji entspricht deshalb eher dem Klima von Hokkaido.

Die Stadt Kuji wurde in der Vergangenheit übermäßig oft von Katastrophen heimgesucht – darunter Feuersbrünste (allein 4 im 20. Jahrhundert). Die größte Gefahr droht jedoch vom Wasser her – zum einen wenn Taifune die beiden Flüsse über Ufer treten lassen, vor allem aber vomMeer her durch Tsunamis. 1896, 1933 und 1960 gab es größere Tsunamis. Der Tsunami von 1960 wurde durch ein schweres Erdbeben auf der anderen Seite des Pazifiks, in Chile, ausgelöst und sorgte bei Kuji für eine bis zu 26 Meter hohe Welle. Hunderte Menschen verloren dadurch ihr Leben. Die Stadt mit ihren Bewohnern hat daraus gelernt: Beim schweren Erdbeben von 2011 rollte erst eine bis über 8 Meter hohe Welle die Flüsse hinauf – bis 4 Kilometer ins Inland. Weit verheerender wurde dann die rückkehrende Welle, die bis zu 27 Meter hoch war. Der Tsunami sorgte zwar für weitreichende Zerstörung — so wurde ein großes unterirdisches Benzindepot zerstört, doch es gab „nur“ 4 Todesopfer und 2 Vermisste zu beklagen – weit weniger als in den meisten anderen Orten der Region.

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Ekimae Department Store 駅前デパート

Wer mit der Bahn anreist, steht erstmal vor einem schönen, neuen Bahnhofsvorplatz. Doch wehe, man hebt den Blick: Am Platz steht ein 1965 errichtetes, ehemaliges Kaufhaus, das eher an eine Ruine oder an eine moderne Geisterbahn erinnert. Das Kaufhaus erlangte sogar Berühmtheit – es spielte in dem NHK-Drama „Amachan“ von 2013 eine wichtige Rolle. Dort benutzte man die Stadt Kuji als Drehort für die fiktive Stadt „Kita-Sanriku“. Die Fernsehserie hatte viele Fans, weshalb nicht wenige Besucher nach Kuji reisten, um die Drehorte, inklusive des Kaufhauses, zu besuchen.

Das Kaufhaus von 1965 steht mittlerweile leer: Kuji, Iwate
Das Kaufhaus von 1965 steht mittlerweile leer: Kuji, Iwate
Hauptstraße von Kuji, Iwate
Hauptstraße von Kuji, Iwate

Nun sind zerfallende oder zumindest sehr alte Kaufhäuser in Japan keine Seltenheit — siehe unter anderem hier. Das alternde Kaufhaus von Kuji ist jedoch extrem und steht wie ein Mahnmal für bessere Zeiten mitten im Zentrum des Ortes. Und obwohl als Drehort bekannt, kann man es leider nicht von innen besichtigen, denn, man mag es kaum glauben, das Kaufhaus wird teilweise noch immer als Bürofläche benutzt.

Auch hinter dem Kaufhaus sieht es nicht viel besser aus – es gibt zahlreiche Geschäfte, die aus der gleichen Zeit stammen und ebenfalls verfallen. Doch die Stadt hat sich etwas Cleveres einfallen lassen – sie vermarktet das Ganze als „Straße im Shōwa-Stil“. Showa ist die (nach dem Kaiser Hirohito) benannte Epoche von 1926 bis 1989, mit der die meisten Japaner hauptsächlich die Zeit des japanischen Wirtschaftswunders von den 1960ern bis 1980ern bezeichnen.

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Kap Kitayamazaki 北山崎

Sowohl nördlich als auch südlich von Kuji erstreckt sich der 三陸Sanriku復興fukkō国立公園kokuritsu kōen – der „Sanriku-Wiederaufbau-Nationalpark“. Ein zugegebenermaßen etwas seltsamer Name für einen Nationalpark. Ein Teil des Gebietes wurde 1955 zum Nationalpark Rikuchū-Küste erklärt. Zwei Jahre nach dem verheerenden Tsunami 2011 weitete man den Nationalpark aus und gab ihm einen Namen, der Optimismus für die Region ausstrahlen sollte.

Der Nationalpark ist insgesamt fast 250 Kilometer lang und umfasst weite Teile der Küste vom Südosten der Präfektur Aomori bis zum Nordosten von Miyagi. Damit umfasst er fast die gesamte Küste von Iwate. Die Küste ist in weiten Teilen wahrhaftig spektakulär. Im südlichen Teil dominiert der Ria-Küstentyp — hier handelt es sich um ehemalige Flusstäler, die nun vom Meer überflutet sind. Das Ergebnis sind enge, weit verzweigte Buchten und viele kleinen Inseln. Beim nördlichen Teil wiederum handelt es sich um eine gehobene Küste – hier wurde durch die Plattentektonik ein weites Gebiet angehoben.

Die zahlreichen engen Buchten machen vor allem den südlichen Teil der Sanriku-Küste anfällig für Tsunamis, da die engen Täler dafür sorgen, dass das Wasser immer mehr zusammengedrängt wird und deshalb nach oben ausweicht. Beim Tsunami von 2011 entstanden so bis zu 40 m hohe Wellen.

Küste bei Fudai, südlich von Kuji
Küste bei Fudai, südlich von Kuji
Pazifikküste südlich von Kuji
Pazifikküste südlich von Kuji

Dennoch bleibt die Gegend beliebt, denn vor der Küste treffen der warme Kuroshio-Meeresstrom und der kalte Oyashio-Meeresstrom aufeinander. Das sorgt für reichhaltige Fischgründe – das Sanriku-Meer gehört zu den reichsten Fischgründen der Welt. Zu den Delikatessen, die an der Sanriku-Küste gefangen werden, gehören Abalonen (Seeohren), Seeigel und Tintenfische. Kuji ist so auch die nördlichste Stadt Japans, in der 海女Ama arbeiten – Frauen, die nach Meerestieren wie Seeigeln und Seeohren tauchen. In Kuji gibt es sogar einen Ama-Club von Oberschülerinnen. Gute 10 Kilometer südöstlich von Kuji steht das 小袖Kosode海女amaセンターcenter (Kosode-Meerfrauen-Zentrum), wo man mehr über die Tätigkeit der Taucherinnen lernen — und sie auch im Sommer live erleben kann.

Rund 35 Kilometer südlich von Kuji befindet sich einer der berühmtesten Küstenabschnitte der Sanriku-Küste – das Kap Kitayamazaki (das „-zaki“ bedeutet eigentlich schon Kap, aber der Name wird prinzipiell als Kitayamazaki angegeben). Das Kap zählt nicht mehr zu Kuji sondern zum Dorf Tanohata südlich von Kuji. Auf rund 8 Kilometer länge ist die Küste hier sehr steil – direkt am Kap fällt sie fast senkrecht rund 200 Meter zum Meer ab. Das kann man von den drei Aussichtspunkten hervorragend sehen – von der 3. Aussichtsplattform kann man, so man die Muße hat, 736 Stufen bis nach unten laufen (nicht vergessen — man muss natürlich auch zurücklaufen!).

Rias-Küste am Kap Kitayamazaki südlich von Kuji
Rias-Küste am Kap Kitayamazaki südlich von Kuji
Rasthaus am Kap Kitayamazaki südlich von Kuji
Rasthaus am Kap Kitayamazaki südlich von Kuji

Das Kap liegt etwas abseits der nächsten bewohnten Siedlung, aber es gibt einen großen Parkplatz sowie diverse Restaurants und ein Besucherzentrum, in dem man mehr über die Gegend und den Nationalpark erfahren kann. Rund um das Kap gibt es auch Wanderwege. Nur ein paar Kilometer weiter nördlich befindet sich das ebenfalls sehenswerte „schwarze Kap“, 黒崎Kurosaki, von dem man einen schönen Blick auf die Küste rund um die Stadt Fudai hat.

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Anreise

Kuji liegt ein bisschen abseits der großen Bahnrouten und Autobahnen. Die Stadt verfügt im Prinzip über zwei Bahnhöfe, die jedoch direkt nebeneinander liegen. Der kleinere ist die Endstation bzw. Startpunkt der privaten 三陸Sanriku鉄道tetsudōリアスriasusen – diese ist rund 160 Kilometer lang und fährt von hier Richtung Süden immer die Küste entlang über Miyako und Kamaishi bis nach Sakari. Bis Miyako braucht der Zug ziemlich genau 1½ Stunden und kostet 1890 Yen. Von Miyako gelangt man dann relativ einfach nach Morioka, einer Station des Tohoku-Shinkansen.

Einer der beiden Bahnhöfe von Kuji - hier der Bahnhof der Sanriku-Eisenbahn
Einer der beiden Bahnhöfe von Kuji – hier der Bahnhof der Sanriku-Eisenbahn

Der größere der beiden Bahnhöfe gehört der ehemals staatlichen Eisenbahngesellschaft JR (Japan Railways) und ist der Startpunkt der JR八戸Hachinohesen – diese Bahnlinie fährt ebenfalls die Küste entlang bis Hachinohe in der Nachbarpräfektur Aomori. Der Bummelzug braucht für die 65 Kilometer rund eine Stunde und 40 Minuten – die einfache Fahrt kostet 1340 Yen. Hachinohe ist ebenfalls ein Halt des Tohoku-Shinkansens, der Tokyo mit Hokkaido verbindet.

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Übernachtung

Die Auswahl ist relativ begrenzt – und da außerhalb übernachtet, keine persönlichen Empfehlungen.

Zu allgemeinen Übernachtungstipps siehe Übernachtungstipps Japan.

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tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

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