BlogUnfallimmobilien: Die ominösen Schnäppchen

Unfallimmobilien: Die ominösen Schnäppchen

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Bei einer kleinen Recherche zum Thema Geister und Aberglauben in Japan fiel mir eine interessante Angelegenheit ein: Die sogenannten 事故物件 jiko bukken. „Jiko“ bedeutet „Unfall“ und „bukken“ sind von Immobilienmaklern vermittelte Objekte – Häuser zum Beispiel, Wohnungen und Grundstücke.

Vor ein paar Monaten unterhielten wir uns mit Bekannten, die ganz in unserer Nähe für umgerechnet ein paar hunderttausend Euro ein Apartment gekauft hatten – vor gut einem Jahr. Apartments und Häuser sind in Japan zwar keine so solide Wertanlage wie zum Beispiel in Deutschland, aber ein paar Jahre lang behalten sie schon ihren Wert (und im Glücksfall, zum Beispiel wenn in der Nähe ein Bahnhof entsteht, können sie auch im Wert steigen). Doch im Herbst brach in einer Wohnung in besagtem Apartmentblock ein Feuer aus, bei dem ein älteres Ehepaar ihr Leben verlor. Da der Block mit rund 10 Wohnungen relativ klein ist, war der Schaden der umliegenden Wohnungen durch Löschwasser und dergleichen enorm, doch durch den Brand wurde das Objekt nun auch noch zum „Unfallobjekt“ – eine Immobilie, in der, durch welchen Umstand auch immer, Menschen ums Leben kamen.

In Japan, genauer gesagt im Shintōismus, ist eine tiefe Furcht vor dem Tod verankert, und alles, was damit zu tun hat oder daran erinnert, versucht man zu vermeiden. Aus diesem Grund sind zum Beispiel Beerdigungen in Japan in der Regel buddhistisch, denn der Buddhismus spendet da mehr Trost (und Perspektiven nach dem Ableben). Der Aberglaube rund um das Ableben äußert sich zum Beispiel darin, dass in vielen Krankenhäusern, aber auch in manchen Wohnblocks und Hotels der 4. Stock fehlt, denn „4“ wird genau so ausgesprochen wie „Tod“ (shi). Der Gedanke, zum Selbstmordwald von Aokigahara zu fahren oder auf einem Friedhof mal eben so ein paar Fotos zu machen erscheint so ziemlich allen Japanern als absolutes Tabu (was Aokigahara angeht, kann ich das allerdings auch sehr gut nachvollziehen).

In Sachen Immobilien gibt es zu diesem Thema eine vom Ministerium für Land, Infrastruktur, Verkehr und Tourismus herausgegebene Richtlinie, die besagt, dass für drei Jahre lang Ausweispflicht gilt1. Immobilienmakler und -besitzer müssen also bis drei Jahre nach dem jeweiligen Ereignis Auskunft darüber geben, was dort geschah – allerdings wird keine Strafe angesetzt, falls dies nicht geschieht.

Interessanterweise stolperte ich bei der Recherche auf einen Immobilienmakler, der genau auf solche Objekte spezialisiert ist – jobutsu.jp (wörtlich – „Buddhawerdung-Immobilien“). Die Seite wirbt mit dem Foto eines quietschvergnügten, jungen Paares und dem Slogan ‚Wir beheben ihre Sorgen über Unfallobjekte, und wir bieten „smarte Jobutsu-Immobilien“‚.

Schaut man sich ein paar der dort vorgestellten Immobilien an, findet man in der Tat Zusätze darüber, was dort geschah. Am häufigsten findet man, nicht überraschend, den Eintrag „孤独死“ kodokushi, „einsam verstorben“, mit einem Vermerk, ob das Ableben innerhalb von drei Tagen oder erst danach bemerkt wurde. Natürlich sind auch Selbstmorde dabei.

Wer sich wenig um Tod und böse Geister schert, mag hier das eine oder andere Schnäppchen finden, denn die Immobilien müssen natürlich etwas im Preis gesenkt werden. Letztendlich wird es jedoch bei den meisten Objekten darauf hinauslaufen, dass die Häuser und Wohnungen drei Jahre lang leer bleiben – bis die Auskunftspflicht erlischt. Im stark alternden Japan kommt so etwas jedoch natürlich sehr häufig vor, weshalb besagter Immobilienhändler da möglicherweise durchaus eine Nische gefunden haben mag.

 

 

  1. siehe hier
tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

6 Kommentare

  1. Das erklärt die bösen Blicke die ich bekommen habe, als ich die wunderschönen Grabsteine fotografierte. Muss mit meiner Frau schimpfen, die hätte mir das doch bitte vorher sagen sollen..

  2. Hallo,
    also nach Aokigahara wollte ich schon gerne mal, weniger wegen der Selbstmorde sondern der Natur wegen, es gibt da auch zwei sehenswerte Höhlen, allerdings ist das hinkommen ohne Auto und mit wenig Japanischkenntnissen recht schwierig. Friedhöfe hätten mich schon interessiert, allerdings wollte ich niemandem auf den Schlips treten.
    Wobei mir einfällt, als ich in der Nähe von Chiba unterwegs war, auf dem weg zum Boso no Mura (übrigens absolut empfehlenswert) habe ich eine Ansammlung von Grabsteinen? gesehen die einfach so in der Landschaft standen, ich vermute mal es waren Gedenksteine, und hab auch ein paar Bilder gemacht.

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