Blog60, 70, 77... Japans ganz besondere Geburtstage

60, 70, 77… Japans ganz besondere Geburtstage

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Aus gegebenem, innerfamiliären Anlass hier mal eine kleine Übersicht über die „ganz besonderen Geburtstage“ in Japan – diese betreffen höher betagte Menschen und haben oftmals einen historischen Hintergrund.

Geburtstage, auf Japanisch tanbi genannt, werden in Japan traditionell nicht so feierlich begangen wie zum Beispiel im deutschen Sprachraum. Sicher, für Kinder begeht man Geburtstage oft mit einer kleinen Familienfeier. Auch Freunde gratulieren sich schon mal zum Geburtstag. Es gibt jedoch auch viele Japaner, die den Geburtstag für nichts Besonderes halten – es wird nicht gefeiert, und es gibt keine Geschenke. Es ist nur einer von 365 Tagen im Jahr, fertig.

Doch es gibt eine Reihe von Geburtstagen, die etwas besonderes sind. Den Anfang macht hier der 60. Geburtstag – und das hat historische Gründe, denn vor mehr als 1’000 Jahren war es natürlich eine Seltenheit, das jemand so alt wurde. Dementsprechend wurden diese Geburtstage gebührend gefeiert. Das ganze hat auch eine praktische Seite: Allein der Name des besonderen Geburtstages sagt aus, wie alt eine Person wird – man muss nicht „Er wird 70 Jahre alt“ sagen, sondern ein „er wird/hat koki“ reicht aus, um zu sagen, was Sache ist.

Hier also ein kleiner Überblick:

Geburtstag Bezeichnung Ursprung/Tradition
60. kanreki In Ostasien gibt es 12 Tierkreiszeichen (Stämme) und 10 verschiedene „Zweige“ – insgesamt gibt es 60 verschiedene Kombinationen. Nach 60 Jahren ist somit ein Zyklus vollendet und alles beginnt wieder von vorn. Damit ist der 60. Geburtstag so ziemlich in ganz Ost- und Südostasien von wichtiger Bedeutung. 60 war üblicherweise auch das Alter, in dem man zur Rente ging. Um das Ereignis zu würdigen, bekleidet man die Jubilare mit einer roten Weste (ein haori, um genau zu sein), ちゃんchanちゃんchanko sowie einem roten Hut, der an eine Badehaube erinnert – dieser wird zukin genannt, was eigentlich einfach nur „Kopftuch“ bedeutet.
70. koki Der 70. wird „koki“ genannt und heute meistens 古希 geschrieben, doch nur die alte Schreibweise (古稀) läßt den Sinn erschließen – „selten – alt“. Das Wort hat man einem Gedicht des chinesischen Poeten Du Fu entnommen, der da im 8. Jahrhundert u.Z. anmerkte, dass Menschen nur selten das alter von 70 Jahren erreichen. Dem ist heute zwar nicht mehr so, aber der 70. Geburtstag gilt dennoch als ein Besonderer. Auch hier werden gelegentlich haori und zukin angelegt – allerdings müssen diese purpurfarben sein. Lila gilt als vornehmste Farbe, die nur hohen Würdenträgern vorbehalten ist – außerdem gilt sie im Buddhismus als schützend vor bösen Geistern.
77. ki寿ju Das erste Schriftzeichen bedeutet „Freude“ und wurde vor vielen, vielen Jahren oftmals noch 㐂 geschrieben – drei Mal das Schriftzeichen für die Zahl „7“. Wohl aus dem Grund wird der 77. Geburtstag kiju genannt, den Schriftzeichen nach „erfreutes Leben“. Wie auch für den 70. Geburtstag gilt hier purpur als die passende Farbe und 77 als Glückszahl.
80. san寿ju Die Schriftzeichen bedeuten „Schirm“ und „Leben“ – das erste Schriftzeichen hat man gewählt, da man im Schriftzeichen die Zeichen für „8“ und „10“ (八十) finden kann. Bei der passenden Farbe zum Anlass ist man sich nicht ganz einig – einige nehmen auch lila, andere wiederum bevorzugen beige.. (siehe 88. Geburtstag).
88. bei寿ju Ursprünglich wurde auch der 81. Geburtstag als 半寿 „hanju“ gefeiert – doch das ist kaum noch bekannt, und deshalb wird dieser Geburtstag hier übersprungen. Weitaus mehr bekannt ist der „beiju“. Die Schriftzeichen bedeuten „Reis“ und „Leben“ – Reis deshalb, weil das Zeichen wie eine gespiegelte Acht, eine Acht und eine 10 in der Mitte aussieht: 八十八. Und da man das ganze „beiju“ liest und dieses wie die Farbe „beige“ klingt, ist ein dunkleres Gelb die Farbe der Wahl.
90. sotsu寿ju Zwei Jahre später geht es schon weiter – mit dem 90. Auch hier wurde das Schriftzeichen (卒) gewählt, weil es auch „卆“ geschrieben werden kann – dieses Zeichen besteht aus 九 und 十 (9-10, = 90). Bei diesem Geburtstag gilt wieder purpur als Farbe der Wahl. Gern trifft man sich aber auch hier, wie auch an den anderen, speziellen Geburtstagen, einfach nur an einem schönen Ort, um etwas Zeit miteinander zu verbringen.
99. haku寿ju Der Name für diesen Geburtstag ist ein schönes Beispiel für kreatives Denken in Sachen chinesischer Schriftzeichen. Entfernt man den oberen, horizontalen Strich des Schriftzeichens für 100 (百), also das 一 (bedeutet „1“), so erhält man das Schriftzeichen für „weiß“ (白, haku). Also: 100 minus 1 = 99. Für diesen Geburtstag sind ansonsten jedoch keine besonderen Bräuche vorgesehen.
100. haku寿ju Der 100. Geburtstag hat verschiedene Namen – „hyakuju“ („100“ – „Leben“) ist nur einer davon, aber auch 百賀 (hyakuga, seltener auch momoga) und 紀寿 kiju hört man gelegentlich („ki“ bedeutet hier „Jahrhundert“). Spezielle Traditionen gibt es für diesen Geburtstag nicht, aber es ist natürlich üblich, sich im größeren Familienkreis zu treffen.

Nach dem 100. Geburtstag wird es anstrengend – da wird jedes Jahr ein spezieller Geburtstag. Besondere Namen gibt es da nur noch für:

茶寿 (chaju) = 108 Jahre
皇寿 (kōju) = 111 Jahre
大還暦 (daikanreki) = 120 Jahre (zwei Kanreki-Zyklen).

Egal, um welchen Geburtstag es geht – in Japan, aber auch zum Beispiel in China und Korea, muss man bei der Zählweise aufpassen, denn in Ostasien gibt es zwei Zählweisen:

  • 数えkazoedoshi (wörtlich: Zähljahr): Die traditionelle Zählweise. Beispiel: Wird ein Kind am 15. März geboren, so ist es vom 15. März bis zum Ende des Jahres 1 Jahr alt. Im folgenden Jahr dann 2 Jahre usw.
  • mannenrei („vollendetes Lebensjahr“): Das auch im deutschen/westlichen Sprachraum gebräuchliche Schema. Das Kind wird also am 15. März des folgenden Jahres 1 Jahr alt.

Aufgrund der verschiedenen Zählweisen kann es also durchaus passieren, dass eine Familie bereits im Jahr 2022 den Koki-Geburtstag des 1953 geborenen Jubilaren begeht, da der Mensch ja 1953 bereits 1 Jahr alt war, sprich 1953 minus 1 plus 70 = 2022.

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

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