BlogHokkaido IV - eine Kurzreise (Teil 1)

Hokkaido IV – eine Kurzreise (Teil 1)

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Wie schon zur gleichen Zeit im letzten Jahr ging es wieder einmal auf die nördlichste Hauptinsel Japans, Hokkaido. Und das zum vierten Mal insgesamt. Hokkaido ist so groß wie Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg zusammen, hat aber nur 5 Millionen Einwohner und ist damit relativ dünn besiedelt.

Warum schon wieder Hokkaido? Der Hauptgrund war die Reisezeit – Juni ist ideal, denn dann ist quasi Frühling auf Hokkaido, und es gibt keine Regenzeit. Ausserdem gab es noch diverse Orte, die ich dort gern sehen wollte – vor allem den äußersten Osten. Dort grenzt Japan an Russland, und etliche russische Inseln liegen dort in Sichtweite. Und diese Inseln werden noch immer von Japan beansprucht, da sie bis August 1945 zu Japan gehörten. Dazu muss ich sagen, dass mich Grenzen schon immer fasziniert haben – das liegt zu einem großen Teil daran, dass ich als Kind oft die Berliner Mauer entlanggefahren bin und es für mich jedes Mal faszinierend war, wie ein anderer Ort so nah und doch so fern sein konnte.

Dieses Jahr verlief die Reise unter etwas anderen Bedingungen. Vor einem Jahr fuhr ich kurz nach Aufhebung des Corona-Ausnahmezustands nach Hokkaido, dieses Mal während des Ausnahmezustands, denn der wurde ja Anfang Juni bis zum 20. Juni verlängert. Die Menschen werden zwar gebeten, von unnötigen Reisen abzusehen, aber man kann trotzdem reisen, und da ich sowieso jeden Tag von meiner Präfektur (in der kein Ausnahmezustand herrscht) nach Tokyo (im Ausnahmezustand) zur Arbeit fahre, macht es keinen grossen Unterschied. Außerdem war die Idee, allein zu reisen, im Auto, und außerhalb der Städte (das Gros der Corona-Infektionen gibt es in Sapporo), unter Einhaltung aller üblichen Coronaregeln. Der Ausnahmezustand bedeutete in diesem Jahr, dass so gut wie alle Museen geschlossen waren, und auch die meisten Kneipen und Restaurants. Die wenigen, die offen hatten, schlossen spätestens 20 Uhr, und der Alkoholausschank war fast ausnahmslos um 19 Uhr zu Ende. Aber ich bin ja nicht zum Trinken nach Hokkaido gefahren.


Tag 1 – Chitose – Nibutani – Erimo – Kushiro

Am Montag ging es los, und da es mir bei 1 Stunde und 15 Minuten Flugzeit egal ist, mit welcher Airline ich fliege, ging es mit dem LCC Skymark von Haneda nach Chitose (dem grössten Flughafen auf Hokkaido) und mit einem anderen LCC, Jetstar, zurück nach Narita. Mit Jetstar kostet der Flug sogar nur rund 5,000 yen, also circa 40 Euro. Um 10 Uhr morgens kam ich an und ging schnurstracks zum Autoverleih „Budget“, und von besagtem Autoverleih sprachen offenbar alle Angestellten ein für japanische Verhältnisse sehr passables Englisch. So passabel, dass ich mich darauf einliess und nicht auf Japanisch antwortete (das Englisch ist nämlich oft so schlecht, dass ich die reibungsfreiere Kommunikation auf Japanisch bevorzuge). Mit dem Shuttle-Bus ging es zum Verleih, und keine halbe Stunde später sass ich in einem himmelblauen (leicht wiederzufinden!) Honda Fit – ein kleiner Wagen, der völlig ausreicht wenn man allein unterwegs ist, und wenig Sprit verbraucht. Dem Gefährt sollte ich dann auch in den folgenden sechs Tagen geschlagene 1,960 Kilometer auf den Zähler zaubern. Die Tour sah wie folgt aus:

Hokkaido IV – fast immer die Küste entlang

Es ging also, entgegen des Uhrzeigersinns, meistens immer die Küste entlang – mit Ausnahme des Nordwestens, rund um Wakkanai, denn die Ecke hatte ich bereits 2007 ausführlich bereist.

Erstmal ging es nach 二風谷 Nibutani, denn dort leben noch sehr viele Ainu, beziehungsweise deren Nachkommen, und es gibt ein grosses Museum direkt neben einem Stausee, das der nahezu ausgestorbenen, da von Japan stark dezimierten Minderheit gewidmet ist. Gegen Mittag erreichte ich mein erstes Etappenziel. Besonders das Freilichtmuseum ist schön, und inmitten des selbigen stand eine Gruppe Angestellter, einige von ihnen waren ganz offensichtlich Nachkommen der Ainu, rund um ein albernes Maskottchen mit Mensch drin herum. Wohl eine Probe. Ein Mitarbeiter kam auf mich zu und erklärte mir, dass die Innenbereiche des Museums leider wegen Corona geschlossen seien, aber dass ich mir natürlich gern den Freilichtbereich ansehen kann. Hier zeigte sich leider auch der fragwürdige Sinn so mancher Maßnahmen: Das Museum selbst, das a) sowieso nur von wenigen besucht wird und b) in dem man nur selten Leute sprechen hört, wurde komplett geschlossen – der große Souvenirladen nebenan, in dem man sofort von Verkäufern bedrängt wird, war natürlich offen.

Weiter ging es Richtung Südosten, zum 襟裳岬 Kap Erimo, und es wurde Zeit, für eine kleine Mahlzeit. Das entpuppte sich ebenfalls als leichter gesagt als getan, denn auch viele Restaurants waren geschlossen. Irgendwann hatte ich jedoch Glück und kam an einem großen, kaum besuchten Sushi-Restaurant vorbei. Was sonst – Hokkaido ist schließlich entweder frischer Fisch oder Ramen.

Es ging immer weiter bis zum Kap Erimo, dem windumtosten Südostzipfel der Insel. Von Berggipfeln mal abgesehen ist Erimo die windigste Ecke Japans, mit einer Durchschnittswindgeschwindigkeit von über 8 Metern pro Sekunde. Hier tummeln sich wohl auch hunderte Robben – leider jedoch nicht an dem Tag, an dem ich da war.

Weiter ging es, es war schon spät am Nachmittag, Richtung Nordosten. Die Landschaft wechselte von sagenhaft über langweilig bis spektakulär (vor allem entlang der Küste südlich von Kushiro), und es war kaum Verkehr. Nur ganz wenige PKW, ein paar Trucks sowie etliche Militärfahrzeuge der Japanischen Selbstverteidigungskräfte (diese haben zahlreiche Stützpunkte auf Hokkaido) waren unterwegs.

Es war schon fast ganz dunkel, als ich endlich Kushiro erreichte – dort war ich auch schon im vergangenen Jahr, und die Stadt hatte es mir irgendwie angetan. Das Problem war nun nur noch, etwas zu essen zu finden, denn es war schon gegen 20 Uhr und alles hatte zu. Alles? Nein! Eine kleine Izakaya (japanische Kneipe mit Essensausschank) hatte noch offen, mit einem Schild nebst langer Erklärung an der Tür: Dass nämlich mit der Bitte der Regierung, die Restaurants bis 20 Uhr zu schliessen, nicht nur die Restaurants dumm dastehen, sondern auch die Zulieferer, und dass man deshalb beschlossen hat, unter Einhaltung aller denkbaren Maßnahmen den Laden weiter offen zu lassen. Da haben sie sicherlich recht, denn während die ganzen Restaurantbesitzer in Japan pauschal entschädigt werden (wenn sie den Laden schliessen), sehen die Zulieferer keinen einzigen Yen, und das ist ein großes Problem.

Da drinnen kaum noch Betrieb war und gut gelüftet wurde, beschloss ich also, einzukehren. Die Plätze neben mir am Tresen waren frei, ich sass direkt an der offenen Tür – warum nicht. Und schon kam ich in den Genuss des ersten frisch gezapften Bieres in diesem Jahr. Und ich war mir 120% sicher, dass ich das durchaus verdient hatte…

Traditionelle Ainu-Bauten in Nibutani
Traditionelle Ainu-Bauten in Nibutani
Kap Erimo
Kap Erimo

Tag 2: Kushiro – Akkeshi – Kap Nosappu – Nemuro

Am zweiten Tag ging es bei bestem Wetter weiter gen Osten. Auf den Hinweistafeln über der Strasse stand mehrfach „Achtung! Gewitter in der Gegend um Kushiro“, aber danach sah es überhaupt nicht aus. Am Abend vielleicht, dachte ich noch in meinem jugendlichen Leichtsinn. Eine Weile später erreichte ich 厚岸 Akkeshi, die ich bisher selbst vom Namen her nicht kannte, aber die Landschaft sah interessant genug aus, um ein wenig in der Gegend zu bleiben. Zudem stiess ich auf ein kleines, interessantes Heimatmuseum, das sogar geöffnet war, und dort konnte ich mich nett mit einem „Kollegen“ unterhalten – der Museumsmensch war nämlich selbst Geograph. Mittlerweile wurde es draussen immer dunkler, und kaum verliess ich Akkeshi, um auf einem Plateau auf einer Insel weiter gen Osten zu fahren, fing ein starkes Gewitter an. Der Regen wurde so stark und es so wurde so dunkel, dass selbst mit Fernlicht ein Fahren mit mehr als 20 km/h undenkbar war.

Gegen 14 Uhr und ziemlich ausgehungert erreichte ich schliesslich 根室 Nemuro, die östlichste Stadt Japans. Und während es in Tokyo 30 Grad und in Kushiro noch immerhin 22 Grad warm war, war es hier am Mittag gerade Mal 13 Grad „warm“, und das ist hier normal. Wobei ich wohl noch Glück hatte, denn Nemuro liegt an vielen Tagen im Nebel. Schnell wurde klar, dass in der Stadt selbst nicht viel los ist, und nach einer guten halben Stunde fand ich endlich ein kleines, aber schlechtes Restaurant, in dem man etwas essen konnte. Und weiter ging es, zum östlichsten Punkt Japans: Dem 納沙布岬 Kap Nosappu. Damit habe ich also drei der vier „Pole“ der japanischen Hauptinseln bereist: Kap Sata (Süden) Kap Sōya (Norden) und eben Kap Nosappu im Osten. Fehlt nur noch der westlichste Punkt, Kōzakihana, in der Präfektur Nagasaki. Definitiv am meisten los ist in Nosappu, denn hier liegen die Habomai-Inseln in Sichtweite, und die gehören heute zwar zu Russland, waren aber bis 1945 japanisch. Überall in Nemuro stehen Schilder herum mit der Aufschrift „Gebt das Nordterritorium zurück“, und überall am Kap stehen winzig-kleine bis riesengroße Denkmäler herum, die daran erinnern, dass Japan nicht immer hier aufhörte.

Und ich hatte Glück: Obwohl die Habomai-Inseln sehr flach sind, konnte man sie sehr gut erkennen. Mit etwas Zoom konnte man sogar diverse Details erkennen:

Gestrandetes Schiff (die Insel gehört bereits zu Russland)
Gestrandetes Schiff (die Insel gehört bereits zu Russland)
Diverse Bauwerke und zwei Autos auf der russischen Seite
Diverse Bauwerke und zwei Autos auf der russischen Seite

Das Kap bot ansonsten einen Anblick der Trauer: Viele Restaurants und Souvenirshops waren geschlossen, und die meisten von ihnen offensichtlich für immer. Dieser Ort hatte definitiv, Corona hin oder her, schon bessere Zeiten gesehen. Und diese Zeiten sind lange her. Das galt auch für den „Aurora-Tower“ – das 95-Meter hohe, weiße Ungetüm hiess früher eigentlich „Friedensturm“ und erfüllt(e) genau den selben Zweck wie einst die zahlreichen Türmchen auf der Westberliner Seite der Mauer: Für etwas Geld kann man auf 95 m Höhe fahren und einen Blick auf Mütterchen Russland werfen. Dass die japanische Seite nunmehr in etwa fast genauso runtergekommen sein dürfte wie Siedlungen auf der anderen Seite des Meeres stehen auf einem anderen Blatt. Wäre ich Bewohner der Kurilen, und wüsste ich, wie es in Nemuro und Umgebung so aussieht, hätte ich wahrscheinlich keine sonderlich grosse Lust, japanisches Territorium zu werden. Das mag traurig klingen, aber es muss einfach mal gesagt bzw. geschrieben werden: In der japanischen Provinz, vor allem in weit abgelegenen Gebieten, sieht es mitunter gruselig aus. Der Verfall ist allgegenwärtig, dank Überalterung und Kindermangel.

Für den Rest des Tages stand nur noch die Besichtigung einer in der Tat ganz außergewöhnlichen Gesteinsformation sowie ein kurzer Spaziergang durch die eher triste Stadt Nemuro an. Als Geograph mit Nebenfach Geologie habe ich zwar schon etliches gesehen, aber der 車石 kurumaishi (Radstein) ein paar Kilometer südlich von Nemuro ist schon etwas besonderes. Da es keinen speziellen Namen für diese Formation zu geben scheint, habe ich spontan beschlossen, diese Formation „Basaltaufstößling“ zu nennen. Ich bitte um entsprechende Aufnahme in die einschlägigen Lexika.

Die Unterkunft in Nemuro entpuppte sich als gut gewählt: Eine kleine Pension, die erst im letzten Jahr (sehr schlechtes Timing!) eröffnete, mit mir als einzigem Gast. Einzig die Nahrungsmitteljagd entpuppte sich wieder als kompliziert, da fast alles geschlossen hatte.

Hat definitiv schon bessere Zeiten gesehen: Nemuro
Hat definitiv schon bessere Zeiten gesehen: Nemuro
Der Radstein südlich von Nemuro
Der Radstein südlich von Nemuro

Tag 3: Nemuro – Notsuke-HI – Rausu – Shiretoko – Utoro

Wieder ging es früh los, und, es wurde zur Gewohnheit, nach eins, zwei Stunden Fahrt war erstmal Kaffeepause an einem der zahlreichen セコマ Seicomart angesagt. Während es im Rest von Japan fast nur noch Convenience Stores von 7-11, Lawson, Family Mart und ein paar übrig gebliebene Ministop und Daily Yamazaki gibt, hält sich in Hokkaido die anderswo kaum bekannte Seicomart (kurz „Sekoma“)-Kette ganz gut. Ein bisschen mit unlauteren Mitteln jedoch: Gesetzlich sind zum Beispiel seit Mitte 2020 alle Läden in Japan dazu verpflichtet, Plastiktüten nur gegen ein Entgelt bereitzustellen, doch nicht so Sekoma – dort bekommt man wie eh und je ungefragt eine Plastiktüte dazu.

Dieser Tag sollte ein Highlight der Reise werden, denn es ging nach Shiretoko, einem sehr bekannten Nationalpark im äußersten Nordosten von Hokkaido (bzw. ganz Japan). Und es war ein Wetter zum Helden zeugen. Nicht zu warm, blauer Himmel, mit ganz leichter Beschafung. Erstmal ging es jedoch zur 野付半島 Notsuke-Halbinsel, einer extrem flachen, aber weit verzweigten Nehrung, die in ihrer Form ein bisschen an den Darß erinnert, währen da nicht die selbst Mitte Juni noch schneebedeckten Berge im Hintergrund.

Secoma-Konbini mit meinem Leihwagen (passend zum Wetter in himmelsblau)
Secoma-Konbini mit meinem Leihwagen (passend zum Wetter in himmelsblau)
Flacher geht's wirklich nicht: Notsuke-Halbinsel
Flacher geht’s wirklich nicht: Notsuke-Halbinsel

Das schöne an der gesamten Fahrt war das großzügige Ausbleiben anderer Verkehrsteilnehmer. Kaum jemand war unterwegs, und da die Strassen häufig kerzengerade sind, kann man etwaige LKWs und dergleichen meist schnell und problemlos überholen. Das ist allerdings nicht ganz ungefährlich, denn die Polizei von Hokkaido ist dafür bekannt, gern mal auch mitten in der Wildnis die Geschwindigkeit zu messen. Es gibt sogar Radarfallen – die werden jedoch immer kenntlich gemacht und sind sowieso von weitem gut erkennbar.

Gegen Mittag erreichte ich 羅臼 Rausu – dem kleinen Ort am Eingang zur Shiretoko-Halbinsel nebst Nationalpark, und dort gab es sogar ein großes (und vor allem geöffnetes) Rasthaus. Dort kann man zu Mittag essen und dabei direkt auf die russische Insel Kunashir starren. Allzu viel gibt es da zwar nicht zu sehen, aber bei guter Sicht kann man sogar den 1,819 Meter hohen, aktiven Vulkan Tyatya (auf Japanisch 爺爺岳 Chacha-dake) erkennen.

Die Shiretoko-Halbinsel ist in erster Linie Wildnis, mit einer bis zu 1’800 Meter hohen Bergkette im Inneren, vielen Bären, Rehen und anderem Wildbret, äh, wilden Tieren. Auf beiden Seiten gibt es eine Straße in Ufernähe, die aber jeweils auf halber Strecke aufhört. Da es sich hier um „echte“ Wildnis handelt, sollte man hier nicht, wie es so meine Angewohnheit ist, allein auf Wanderschaft gehen, sondern lieber einen Führer bei sich haben. Entlang der Ostküste findet man übrigens zwei heiße Quellen direkt am Ufer, die bei Flut völlig überspült werden.

Der Tyatya (Chacha-dake) auf Kunashir
Der Tyatya (Chacha-dake) auf Kunashir
(Sehr) heiße Quelle direkt am Ufer. Die Insel auf der anderen Seite ist Kunashir (Rußland)
(Sehr) heiße Quelle direkt am Ufer. Die Insel auf der anderen Seite ist Kunashir (Rußland)

Nach einem kurzen Bad in der heißen Quelle (sehr kurz, denn die Sonne brannte genug) ging es rein in die Mitte der Halbinsel, zum 知床峠 Shiretoko-Pass auf 738 m Höhe direkt unterhalb des 1,661 m hohen, markanten Rausu-dake, einem aktiven Vulkan. Schneebedeckte Berge hier, und der Ozean links und rechts – eine wirklich traumhafte Landschaft bei bestem Wetter. Am Pass gibt es einen großen Parkplatz, und den teilte ich mir mit genau einer anderen einsamen Seele. Das sieht normalerweise sicherlich anders aus.

Nach einer gewissen Verweildauer, fast dem Stendhal-Syndrom verfallend, ging es auf der anderen Seite wieder bergab, zu den 5 Seen des Shiretoko. und hier wurde es offensichtlich etwas wilder: Plötzlich sah ich auf der Strasse eine Fuchsfamilie sitzen, genauer einer Fähe (nehme ich mal an) und drei Jungen. Kaum hatte mich die Familie erblickt, schickte die Fähe das Geheck (es lebe die Waidmannssprache!) zurück in die Büsche, blieb allerdings selbst sitzen und schaute mich neugierig an. Später erfuhr ich an einer Informationstafel, warum: Es gibt doch in der Tat Idioten, die den Füchsen irgendwelches Futter hinwerfen. Und das spricht sich unter den Füchsen natürlich rum, so dass sie einfach auf der Strasse sitzen bleiben und warten, bis jemand etwas hinwirft.

Der Rausu-dake direkt neben dem Shiretoko-Pass
Der Rausu-dake direkt neben dem Shiretoko-Pass
Fuchsfamilie, die auf dumme Autofahrer wartet
Fuchsfamilie, die auf dumme Autofahrer wartet

Es sollte nicht bei den Füchsen bleiben – auch an Rehen mangelte es wahrhaftig nicht. So viel steht fest: Auf Shiretoko fährt man sicherheitshalber ganz, ganz vorsichtig.

Erst an den 知床五湖 5 Seen des Shiretoko stiess ich auf so etwas wie eine nennenswerte Menschenansammlung – dort waren in der Tat ein paar Menschen unterwegs, die sich auf aufwändig angelegten Holzstegen rund um zwei der 5 Seen bewegten. Und es war das beste Wetter dafür, denn es war absolut windstill – so windstill, dass sich die Shiretoko-Berge wunderbar in einem der Seen spiegelte. Postkartenwetter. Und auch hier waren wieder etliche Rehe unterwegs, die zwar auf Distanz blieben, sich aber nicht weiter stören liessen. Warum auch. Die paar Menschen waren ja alle auf den Holzstegen eingepfercht.

Shiretoko-Bergkette
Shiretoko-Bergkette
Reh auf Wiese vor weitem Ozean. Wäre das ein Gemälde, würde man es als Kitsch bezeichnen. Wenigstens ist es kein Einhorn.
Reh auf Wiese vor weitem Ozean. Wäre das ein Gemälde, würde man es als Kitsch bezeichnen. Wenigstens ist es kein Einhorn.

Aus bloßer Unwissenheit beschloss ich nun auch noch, bis ans Ende der Strasse immer weiter nach Norden zu fahren. Daraus wurden 12 Kilometer Schotterpiste quer durch den Wald, nur um an einem kleinen Wasserfall zu enden, an dem sich drei extrem laute und alberne Männer vergnügten, indem sie einen Deppen auswählten, der den Wasserfall herunterrutscht. Etwas neugierig fragte ich den Deppen nach vollzogener Prozedur, ob er das noch mal machen würde. Die Antwort lautete ’nein‘. Leider konnte ich die drei nur zu gut verstehen. Es sah verlockend aus…

Nach der Schotterpiste war es dann auch allmählich mal gut, und so ging es weiter ins nahe Utoro, denn dort stand meine Unterkunft, und auch die entpuppte sich als gut gewählt. Direkt am Meer, mit Blick auf das selbige (und die Shiretoko-Berge im Hintergrund), nebst Gemeinschaftsküche und grosser Terrasse. Und sehr nettem Personal. Dieses Mal gab es sogar ein paar Gäste. Zur Feier des Tages passte dann auch eine dampfende Schale Ramen gleich in der Nähe (und die waren sogar richtig gut) sowie einem angemessenen Sonnenuntergang direkt hinter dem Ramenrestaurant.

Hier geht es weiter zum zweiten Teil.

Ramen auf Salz- und Knochenmarkbasis mit viel Fleisch...
Ramen auf Salz- und Knochenmarkbasis mit viel Fleisch…
...und einem Sonnenuntergang zum Nachtisch
…und einem Sonnenuntergang zum Nachtisch
tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

12 Kommentare

  1. Vielen Dank für den schönen und informativen Beitrag. Ich habe ihn gerne gelesen und würde mich über die Fortsetzung freuen! Viele Grüße aus FFM, Hendrik

  2. Eventuell…?
    Ich würde mich sehr über einen Bericht der Tage 4-6 freuen :-)

    Hokkaido steht bei mir noch ganz oben auf der To-Do-Liste. Auch wenn die Liste in den letzten 18 Monaten natürlich deutlich zugelegt hat…

  3. Spannender Bericht. Ich erkenne viele Stellen wieder, die ich auf meinen Reisen besichtigt habe. Ich hoffe, bald wieder eine ausführlicher Hokkaido-Reise machen zu können, natürlich mit ausgedehnten Wanderungen.

  4. Ja, doch, schon!! Erinnerungen werden bei mir geweckt, lang, lang ist’s her (mehr als 10 Jahre).
    Aber das naechste Mal bitter nicht Auto sondern (auch) Motorrad.
    Wie heisst es so schoen: „Hokkaido, das biker-paradise“!

  5. Ich erwarte mit Spannung den nächsten Teil – Touhoku und Hokkaidou sind beide in der engeren Auswahl für die nächste Japanreise (mit Fahrrad), weil diese Landesteile im August noch erträgliche Temperaturen haben.

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