BlogSteuern rauf oder runter oder wie jetzt?

Steuern rauf oder runter oder wie jetzt?

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Dass ich in jüngster Zeit nichts über politische Neuigkeiten aus Japan berichtet habe, liegt weniger daran, dass ich momentan sehr viel zu tun habe (eigentlich ein Dauerzustand), sondern mehr daran das es im Osten einfach nichts Neues gab: Das Gros der Parteien und Politiker ist nachwievor viel zu viel mit sich selbst beschäftigt, um irgendwelche wirklich brenzligen Themen anzupacken. Aber jetzt soll alles anders werden – jaha! Ministerpräsident Kan möchte jetzt endlich mitreden und ein paar Machtworte sprechen. So entschied er in dieser Woche, dass das Kindergeld wirklich erhöht werden soll – ohne vorerst angekündigte Parallelmassnahmen wie z.B. der Abschaffung des Ehegattenfreibetrages. Dies war nämlich ein ernstzunehmender Vorschlag zur Finanzierung des höheren Kindergeldes. Allerdings wäre diese Lösung für fast alle Familien mit Kindern eher eine Farce gewesen: Unterm Strich wäre für die meisten eher weniger als mehr Geld herausgekommen – und das hätte bestimmt nicht die mickrige Geburtenrate angehoben. Der Ehegattenfreibetrag soll zwar nun doch gestrichen bzw. Reduziert werden – aber nur für Haushalte mit einem Jahreseinkommen von über 15 Millionen Yen – das sind gute 100’000 € und damit ein Betrag, bei dem es wohl nur die Wenigsten stört. Ach ja, und die Erbschaftssteuer soll angehoben werden auf ca. 50%.
Wichtiger und allgemein gesehen als lobenswert zu betrachtender ist die zweite wichtige Anordnung in dieser Woche: Die Körperschaftssteuer soll um 5 Prozentpunkte gesenkt werden. Jene liegt nämlich in Japan mit ca. 40% relativ hoch im Vergleich mit anderen Staaten – mit der logischen Konsequenz, dass viele Firmen ihre Produktion und sogar Teile des tertiären Sektors (z.B. Kundenbetreuung) ins Ausland verlagern. Kan verband den Vorschlag mit der Hoffnung, der Industrie vielleicht ein paar Zugeständnisse abgewinnen zu können, vor allem in punkto Arbeitsplatzerhaltung. Der Präsident des japanischen Wirtschaftsverbandes 経団連 keidanren, Yonakura, hält allerdings nicht viel davon: Solche Zugeständnisse würden gegen die Prinzipien des Kapitalismus verstossen. Ja, irgendwo muss Patriotismus auch aufhören.
Eine Senkung der Körperschaftssteuer wäre jedoch wirklich mal ein ernstzunehmender Vorschlag – denn bisher mangelt es an konkreten Ideen, die Wirtschaft wieder auf Trab zu bringen – und die Arbeitsmarktlage für Hochschulabsolventen sieht so schlecht aus wie noch nie. Jetzt muss die Regierung nur noch das Vorhaben durch die beiden Kammern bringen – und wenn möglich auch noch erklären, wie man das zu finanzieren gedenkt.
Das Wort des Tages: 法人税 hōjinzei. „Gesetz-Mensch/Körper-Steuer“. Die Körperschaftssteuer. hōjin steht für eine rechtliche Körperschaft.

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

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