BlogOpposition bietet Trauerspiel bei Misstrauensantrag

Opposition bietet Trauerspiel bei Misstrauensantrag

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Am vergangenen Donnerstag bot sich ein erschreckendes Bild im japanischen Unterhaus: Man stimmte da über zwei Misstrauensanträge ab, die von der Konstitutionell-Demokratischen Partei eingereicht wurden. Die Anträge richteten sich zum einen gegen das gesamte Kabinett Kishida, zum anderen gegen Hiroyuki Hosoda, einem Abgeordneten und nun Präsidenten des Abgeordnetenhauses. Der 78-jährige Jurist aus der Präfektur Shimane steht seit Mai diesen Jahres unter Feuer, denn es tauchen immer mehr Vorwürfe sexueller Belästigung auf – unter anderem von weiblichen Medienvertretern, die er wohl des nächtens in sein Hotelzimmer einlud, mit den Worten, Informationen preiszugeben, wenn sie gehörig seien. Zudem erntete er viel Kritik – selbst aus den eigenen Reihen – als er bei einer Spendengala zum Thema Erhöhung der Abgeordnetenzahl folgendes von sich gab: „Selbst als Präsident des Abgeordnetenhauses bekomme ich nur 1 Million Yen (rund 8,000 Euro). Firmenchefs bekommen nicht selten mehr als 100 Millionen Yen oder mehr. Da sollte es doch kein Problem sein, ein paar mehr Abgeordnete mit einem Gehalt unter 1 Million Yen einzustellen“. Der Kommentar, so die einhellige Meinung, war unsensibel und etwas, was nicht an die Öffentlichkeit dringen sollte, vor allem nicht in Zeiten, in denen alles teurer wird, die Gehälter aber nicht steigen.

Die Debatte vor der Abstimmung war hitzig: Ein Abgeordneter der regierenden Liberaldemokraten erntete großes Gelächter, als er Hosoda als edelsinnigen und sanftmütigen Herren bezeichnete und sich darüber beschwerte, dass die Opposition so über ihn herzieht.

Dass die Abstimmung gegen das Kabinett scheitern würde, war natürlich von Anfang an klar. Dass aber selbst bei der Abstimmung gegen Hosoda die Opposition keinerlei Einigkeit zeigte, war eine herbe Enttäuschung und sinnbildlich für die japanische Opposition der vergangenen zehn Jahre: Die Opposition ist sowieso schon schwach, doch es gibt nichts, was diese ohnehin schwachen Kräfte bündeln könnte. Noch nicht einmal ein Misstrauensantrag gegen einen greisen Politiker, der alles andere als edelsinnig und sanftmütig daherkommt.

Glossar

  • fushin nin’an 不信任案 Misstrauensantrag
  • shūgiin 衆議院 Unterhaus. Eine der beiden Kammern des japanischen Parlaments.
  • sekuhara セクハラ Sexuelle Belästigung. Abgekürzte Version des Englischen „Sexual harrassment“.
  • rikken minshutō 立憲民主 Konstitutionell-Demokratische Partei. Eine 2017 aus der stärksten Oppositionspartei hervorgegangene Partei
  • kiken 棄権 Stimmenthaltung
Partei Unterhaussitze Antrag gegen Kabinett Antrag gegen Hosoda
Regierungsparteien Liberaldemokraten 263 Ablehnung Ablehnung
Kōmeitō 32 Ablehnung Ablehnung
Opposition Konstitutionell-Demokratischen Partei 97 Zustimmung Zustimmung
Ishin-no-kai 41 Ablehnung Stimmenthaltung
Demokratische Volkspartei 11 Ablehnung Stimmenthaltung
Kommunistische Partei 10 Zustimmung Zustimmung
Yūshi-no-kai 5 Ablehnung Stimmenthaltung
Reiwa Shinsengumi 3 Stimmenthaltung Stimmenthaltung
tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

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