BlogOde an Kumamoto - Japan ist nicht gleich Japan

Ode an Kumamoto – Japan ist nicht gleich Japan

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Zugegeben, der folgende Beitrag ist sehr subjektiv. Allerdings spiegelt er auch die Meinung einiger Japaner, die ich kenne, wider.
In meiner Zeit als Tutor hatte ich hauptsächlich mit Japanern von fünf verschiedenen Unis zu tun – vier dieser Unis liegen in Tokyo. Die fünfte ist eine Uni in Kumamoto – einer Großstadt
in der Mitte der Insel Kyūshū, deren Besuch nicht unbedingt zum Standardrepertoire eines Japan-Touristen gehört.
Das Einzugsgebiet der Uni umfasste den Südteil von Kyūshū und Okinawa.
Irgendwie waren die Leute anders – so mein erster Eindruck. Offener, ungezwungener, sehr umgänglich. Eine der Gruppen – 5 Leute umfasste sie – gefiel mir sehr. Die Atmosphäre in der Gruppe war frei und locker, auch der Umgang mit den Gastfamilien und Lehrern war hervorragend. Als deren Zeit zu Ende war, kam das obligatorische „wenn Du wieder in Japan bist, schau vorbei!“ Aber diese Leute meinten es ernst. Ich auch. Also fuhr ich nach Kumamoto. Die Gruppe mietete ein Auto, wir fuhren nach Aso und hier und dort hin, übernachteten alle zusammen im gleichen Haus im gleichen Raum (wohlgemerkt, das waren alles Frauen), zogen durch die Klubs und Kneipen… selten hatte ich so viel Spass. Kein „lass uns trinken gehen! Von 7 Uhr bis 9 Uhr!“ sondern einfach mal um die Blöcke ziehen.
Ein Jahr später fuhr ich wieder hin. Das gleiche Prozedere. Das war 2002. Ein paar Jahre später heiratete ich meine langjährige Gefährtin – auch sie war in Kumamoto geboren und gross geworden. Das erfuhr ich allerdings erst später, da sie nur die ersten 10 Jahre dort lebte.
Dieses Wochenende war es wieder so weit – aus familiären Gründen ging es nach Kumamoto. Was ist dort eigentlich so anders!? Zwei Kurzgeschichten:
Nach einem anstrengenden Tag (mit der Erkenntnis, dass es eine ganz, ganz schlechte Idee ist, mit völlig verstopfter Nase zu fliegen – ich dachte, mein Kopf explodiert und jeder Zahn wird mir gleichzeitig, aber dabei ganz langsam gezogen), dürstete es mir nach einem Whisky zum Abschluss. Ich fragte an der Rezeption – die nannten mir eine gute Adresse und drückten mir eine Karte in die Hand. Leider war die Bar an der falschen Stelle eingezeichnet – ich suchte vergebens. Und fragte in einer Kneipe nach. Die vier jungen Leute diskutierten erst. Keiner kannte den Ort. Dann telefonierten sie. Dann sagte einer „Komm, ich such mit Dir gemeinsam!“ Telefonierte unterwegs so lange, bis uns der Barbesitzer vor die Tür lotste. Kein „Weiss ich nicht“, kein „Fragen sie mal da nach“, kein „Wow, ein Ausländer, der Japanisch spricht! Wie niedlich!“. Nichts dergleichen. Ich fragte nach Hilfe und mir ward geholfen.
Zweiter Unterschied: Busse. Jedem, der einsteigt, wird ein Guter Tag gewünscht. Selbst Schulkindern. Fährt der Bus an, sagt der Fahrer „Ich fahre los, Vorsicht“ – falls jemand steht. Lacht ein bisschen, wenn man den 1,000 Yen-Schein in den Geldwechsler schiebt und dieser stante pede zurückkommt. Nimmt den Schein, knickt in längsseits und sagt „Naja, etwas alt, diese Maschine“. Lacht auch noch beim zehnten Fahrgast freundlich.
Diese kleinen Dinge sind es, die ich immer wieder in Kumamoto feststelle. In Fukuoka oder Kagoshima habe ich nicht das gleiche Gefühl gehabt, aber da kann ich mich täuschen. Aber eins steht für mich fest – eine Fahrt nach Kumamoto verspricht Urlaub. Von Tokyo.
Hier noch der Link zu Kumamoto auf diesen Seiten.


Alte Strassenbahn in Kumamoto – vor der Burg. Endhaltestelle: Kengunmachi „Stark(gesund)-Armee-Stadt“ – seit jeher eine grosse Armeekaserne [klicken um zu vergrössern]

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

3 Kommentare

  1. ich war leider nicht in kumamoto… aber in fukuoka und in beppu und in noch einer stadt etwa 1 stunde per auto suedlich von beppu deren namen ich jedoch vergessen habe, und ich kann auf jeden fall bestaetigen, dass die leute auf kyushu DEUTLICH lockerer, freundlicher und angenehmer sind als die leute in tokio. besonders beppu hatte es mir angetan. einfach gemuetlich…

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