BlogMickey Mouse von hinten

Mickey Mouse von hinten

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Disneyland und ObdachloseAllmorgendlich auf dem Weg zur Arbeit sehe ich das folgende Bild: Die Bucht von Tokyo. Im Winter, bei gutem Wetter, dahinter der schneebedeckte Fuji-san. Und im Vordergrund Schloss Neuschwanstein. Welch ein Bild! Dazu strömen hunderte mehr oder weniger junge Leute aus dem Zug und bewegen sich Richtung Disneyland. Während ich arbeite, geschieht eine Verwandlung – denn wenn ich zurückkomme, haben die gleichen Leute plötzlich alle Mickey-Mouse-Ohren (gibt’s für eine Handvoll Yen zu kaufen und sind sehr beliebt).
Vor 10 Jahren liess ich mich mal breitschlagen und bin ins Disneyland Tokyo gegangen. Um festzustellen, dass das nicht ganz meine Welt ist. Seitdem ist mein Bedarf gedeckt. Wenn mich hier jemand fragt wo ich wohne, und ich antworte „neben Disneyland“ (quasi – es sind 10 Minuten zu Fuss), bekommen alle leuchtende Augen und beneiden mich. „Oh, da kannst Du ja wann immer Du willst nach Disneyland!“ … „Theoretisch schon…“
Heute war schönes Wochenende und Gelegenheit, mit dem Fahrrad durch die Gegend zu fahren. Und mir Disneyland von hinten anzusehen (bin die Neulandinseln von Urayasu abgefahren). Und siehe da – selbst hinter Disneyland wohnen ein paar Obdachlose. Immerhin können die jeden Abend um 20:30 kostenlos ein Feuerwerk sehen… (siehe Photo: der jüngst eröffnete „Tower of Terror“ (moderne Geisterbahn!?), davor Hütten von Obdachlosen)
Obdachlose gibt es schon immer hier, aber ich habe das Gefühl, es sind mehr geworden. Man findet sie in Parks, unter Hochstrassen und ganz oft am Meer auf den Neulandinseln. Zu erkennen sind die Wohnstätten an mit blauen Planen bedeckten Kartons und Brettern. Mikroslums. Und nicht nur in Tokyo. In letzter Zeit gab es jedoch hässliche Fälle von Obdachlosen, die ausgeraubt, zusammengeschlagen und ermordet wurden.
Wie auch anderswo heisst es in Japan „keine Wohnung – kein Job“. Noch mehr als in Deutschland heisst es jedoch in Japan auch „Kein Job – keine Wohnung“.
Kleine Anekdote zu Disneyland: Im Mai 2001 wurde Kim Jong Nam bei der Einreise nach Japan festgenommen, da er versucht hatte, mit einem gefälschten dominikanischen Pass einzureisen. Kim Jong Nam ist der älteste Sohn von Kim Jong Il (grosser weiser Häuptling von Nordkorea). Sein Ziel war angeblich Disneyland. So erzählt man es sich jedenfalls hier.
Das Wort des Tages: ホームレス hōmuresu. Drei Mal darf geraten werden. (wer mit japanischen Katakana-Verballhornungen nicht vertraut ist: Es ist das englische Wort „homeless“).

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tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

5 Kommentare

  1. Wieder ein sehr interessanter gesellschafts- kritischer Artikel ?ber ein immer mehr zunehmendes Problem, besonders in Industrie Nationen. Ich selber lerne die japanische Sprache, und schaue deshalb regelm??ig Nachrichten wie beispielsweise die Fuji News, und musste leider auch dort festellen das dieser Tage, immer mehr ?berf?lle auf Obdachlose die Nachrichten f?llten. Gewalt gegen Obdachlose, zudem auch noch ausgeraubt oder sogar ermordet, und das in Japan. So etwas m?chte man als oberfl?chlicher Betrachter, im Land der H?fflichkeit, speziell auch wegen der komplizierten H?flichkeitsausdr?cke, Verben des Respekts, Versch?nerung der Nomen u.Verben, Verben der Bescheidenheit etc, gar nicht annehmen. Hoffen wir, dass die Japaner eine L?sung bzw. sich dieses Problem bewusst werden, und Leuten die den starken Leistungsanspruch in der Japanischengesellschaft, aus welchen Gr?nden auch immer, eine gute alternative bieten k?nnen, als unter Br?cken oder hinter der amerikanischen Traumwelt von Disneyland.

  2. Wieder ein sehr interessanter gesellschafts- kritischer Artikel ?ber ein immer mehr zunehmendes Problem, besonders in Industrie Nationen. Ich selber lerne die japanische Sprache, und schaue deshalb regelm??ig Nachrichten wie beispielsweise die Fuji News, und musste leider auch dort festellen das dieser Tage, immer mehr ?berf?lle auf Obdachlose die Nachrichten f?llten. Gewalt gegen Obdachlose, zudem auch noch ausgeraubt oder sogar ermordet, und das in Japan. So etwas m?chte man als oberfl?chlicher Betrachter, im Land der H?fflichkeit, speziell auch wegen der komplizierten H?flichkeitsausdr?cke, Verben des Respekts, Versch?nerung der Nomen u.Verben, Verben der Bescheidenheit etc, gar nicht annehmen. Hoffen wir, dass die Japaner eine L?sung bzw. sich dieses Problem bewusst werden, und Leuten die den starken Leistungsanspruch in der Japanischengesellschaft, aus welchen Gr?nden auch immer, eine gute alternative bieten k?nnen, als unter Br?cken oder hinter der amerikanischen Traumwelt von Disneyland.

  3. Wieder ein sehr interessanter gesellschafts- kritischer Artikel ?ber ein immer mehr zunehmendes Problem, besonders in Industrie Nationen. Ich selber lerne die japanische Sprache, und schaue deshalb regelm??ig Nachrichten wie beispielsweise die Fuji News, und musste leider auch dort festellen das dieser Tage, immer mehr ?berf?lle auf Obdachlose die Nachrichten f?llten. Gewalt gegen Obdachlose, zudem auch noch ausgeraubt oder sogar ermordet, und das in Japan. So etwas m?chte man als oberfl?chlicher Betrachter, im Land der H?fflichkeit, speziell auch wegen der komplizierten H?flichkeitsausdr?cke, Verben des Respekts, Versch?nerung der Nomen u.Verben, Verben der Bescheidenheit etc, gar nicht annehmen. Hoffen wir, dass die Japaner eine L?sung bzw. sich dieses Problem bewusst werden, und Leuten die den starken Leistungsanspruch in der Japanischengesellschaft, aus welchen Gr?nden auch immer, eine gute alternative bieten k?nnen, als unter Br?cken oder hinter der amerikanischen Traumwelt von Disneyland.

  4. Wieder ein sehr interessanter gesellschafts- kritischer Artikel ?ber ein immer mehr zunehmendes Problem, besonders in Industrie Nationen. Ich selber lerne die japanische Sprache, und schaue deshalb regelm??ig Nachrichten wie beispielsweise die Fuji News, und musste leider auch dort festellen das dieser Tage, immer mehr ?berf?lle auf Obdachlose die Nachrichten f?llten. Gewalt gegen Obdachlose, zudem auch noch ausgeraubt oder sogar ermordet, und das in Japan. So etwas m?chte man als oberfl?chlicher Betrachter, im Land der H?fflichkeit, speziell auch wegen der komplizierten H?flichkeitsausdr?cke, Verben des Respekts, Versch?nerung der Nomen u.Verben, Verben der Bescheidenheit etc, gar nicht annehmen. Hoffen wir, dass die Japaner eine L?sung bzw. sich dieses Problem bewusst werden, und Leuten die den starken Leistungsanspruch in der Japanischengesellschaft, aus welchen Gr?nden auch immer, eine gute alternative bieten k?nnen, als unter Br?cken oder hinter der amerikanischen Traumwelt von Disneyland.

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