BlogBunga Bunga jetzt auch in Japan

Bunga Bunga jetzt auch in Japan

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Denkt man an japanische Politiker, hat man meist Greise vor Augen, die untereinander tuscheln und alles irgendwie im Hinterzimmer unter sich ausmachen. Sicher, es gibt die eine oder andere illustre Spendengala, bei denen hunderte Millionen Yen eingesammelt werden, die dann irgendwie, ganz ohne Rechnung und Quittung, auch ausgegeben werden. Und es gibt gewisse Freundschaften, zu ominösen Sekten zum Beispiel. Und Amnesie, ganz böse Fälle sogar – spontaner Gedächtnisverlust grassiert im Parlament. Man muss den Politikern erst ein hochauflösendes Foto unter die Nase reiben, bis diese Amnesie, die meist mit der gebetsmühlenartig wiederholten Floskel 記憶kiokuniないnai (nicht in (meiner) Erinnerung) einhergeht, wieder verschwindet.

Wird ein japanischer Politiker dann doch mal erwischt, können verschiedene Dinge auftreten – Rücktritte sind relativ selten, aber verheulte Pressekonferenzen kommen schon mal vor. Ein Prototyp ist hier aber um Beispiel Tanigawa, ein wahrhaft unverschämter Greis, der sich erst schmallippig entschuldigt, um dann sofort kurz darauf die Presse zu beschimpfen, ganz nach dem Motto „Ich Massa, du Plebs!“. Dieses Verhalten ist leider selbst jetzt, mitten im 21. Jahrhundert, durchaus üblich:

Vergnügen sieht jedenfalls anders aus, doch das Politik auch Spaß machen kann, haben nun Parlamentsabgeordnete der regierenden Liberaldemokraten in der Präfektur Wakayama gezeigt: Takashi Fujiwara und Yasutaka Nakasone, beides Parlamentsmitglieder, nahmen im November 2023 an einer vom Jugendarm der Liberaldemokraten in Kansai veranstalteten Party teil, bei der rund 50 Parteiangehörige unter anderem von sechs sehr spärlich bekleideten Damen unterhalten wurden – denen man zum Beispiel dann Trinkgeld von Mund zu Mund überreichte. Nakasone… moment mal, den Namen kennen wir doch. Ach ja: Sein Vater war einst Außenminister und sein Großvater war 50 Jahre lang Parlamentsabgeordneter  – und 5 Jahre lang Premierminister, in den 1980ern.

Ans Licht kam die ganze Angelegenheit infolge von Recherchen der rechtskonservativen Sankei-Shimbun1 – wobei das Timing etwas seltsam ist. Die Liberaldemokraten sind in den Umfragewerten schon seit Monaten tief im Keller. Nach teilweiser Offenlegung eines tiefen Spendenmorasts mittels einer seltsamen „Ethikkommission“, bei der erst niemand mitmachen wollte (nach dem Motto „…der werfe den ersten Stein“?), scheint das öffentliche Vertrauen in die Regierung und die Partei komplett verspielt zu sein. Vielleicht erhofft sich das Milieu um Sankei mit der Offenlegung eines neuen Skandals, dass bei den Liberaldemokraten mal wirklich was passiert – und dass Parteien noch weiter rechts des Spektrums davon profitieren, doch das darf bezweifelt werden. Die Liberaldemokraten sind schon lange an einem Punkt angelangt, an dem die Bevölkerung der Partei alles zutraut. Zumindest alles negative. Das bisschen Bunga Bunga wird da sicherlich nicht zum Zünglein an der Waage.

  1. siehe hier
tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

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