BlogArmes Japan

Armes Japan

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Heute kamen wieder etliche Leute zum Vorstellungsgespräch in unsere Firma. Da es sich um potentielle Sales people (Verkäufer!? Wie heissen die eigentlich?) handelte, führte mein Chef die Gespräche. Vor dem 1. Vorstellungsgespräch händigen wir Fragebögen aus – in denen stehen fachspezifische Fragen aber auch sehr allgemeine: Wie viele Menschen gibt es auf der Erde? usw.
Ein Anwärter war 24 Jahre alt und hatte bereits ein paar Jahre im Ausland gelebt. Englisch ging so. Natürlich nicht sehr erfahren, aber der Lebenslauf sah nicht so schlecht aus.
Das Vorstellungsgespräch – ich habe es live miterlebt – passte jedoch nicht recht zum Lebenslauf. Aber das Beste kam zum Schluss:
„Sie wissen nicht, wie der jetzige japanische Ministerpräsident heisst?“
„Hmm, nein…“
Mag man vielleicht noch verzeihen – schliesslich wechseln die nahezu bei jedem Vollmond. Weiter ging es:
„Und den amerikanischen Präsidenten kennen Sie auch nicht?“
„Hmmm, nun, ja, ich glaube ich kenne Ihn, konnte ihn aber nicht buchstabieren“
„Na, dann können Sie ihn mir jetzt vielleicht sagen!“
„Kennedy!“
Ich bewundere meinen Chef dafür, dass er weder laut losgelacht hat noch den armseligen Kandidaten vom Balkon geworfen hat. Alle Achtung.
Das Gelächter kam nach dem nun doch recht schnell beendeten Gespräch. Wir grübelten, wie ein 24-jähriger auf Kennedy kommt. Mein Chef meinte „Vielleicht hat er vor kurzem JFK gesehen“. Ich konnte da nur entgegnen „Vielleicht. Aber allen Anschein nach nicht bis zum Schluss“.
Man hört in Deutschland viele über den Bildungsstandard klagen. Keine Sorge. Das ist kein deutsches Phänomen.
Wort des Tages: 無知 – muchi – Unwissenheit, Ignoranz.

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tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

8 Kommentare

  1. Jaja, auch ich wundere mich immer wieder über den Wissensstand meiner Mitschüler. Ein Mädchen aus der 12. oder 13. Klasse (also kurz vor dem Abitur) fragte erst einmal ihren Kollegen, was denn „Opposition“ sei. Ich denke, in dem Alter sollte man das eigentlich schon wissen…

    Hatte auch schon zweimal den Fall, dass sich Menschen gefreut haben, dass man mit mir über ernste Themen sprechen kann. Die anderen haben es anscheinend eher mit Liebeskummer und solchen Sachen. Wahrscheinlich resultiert dieses Unwissen also auch daraus, dass viele Leute sich einfach nicht mit politischen, gesellschaftlichen oder ethischen Fragen auseinandersetzen wollen.

    Ich konnte mir selbst beim Lesen auch ein starkes Grinsen nicht verkneifen. Folglich habe ich auch insofern Respekt vor deinem Chef, als dieser nicht plötzlich lachen musste.

    Ich wünsche noch viel Erfolg bei eurer Suche nach neuen Mitarbeitern.

  2. Ein Vorstellungsgespräch ist schon ein wichtiger Schritt im Weg zum Beruf und mitunter auch kein Zuckerschlecken. Daher kommt es sicher schon mal vor, dass der ein oder andere nervöse Bewerber im Moment des Gesprächs einfach ein Blackout hat – natürlich keine Entschuldigung sondern eben Pech ;-)

    Das der junge Mann aber ausgerechnet Kennedy geantwortet hat, ist wirklich etwas mekrwürdig…

    Ich glaube nicht, dass ich in dieser Situation als Chef hätte ernst bleiben können (-> Respekt!), aber irgendwo gehört es wohl zur Professionalität dazu, in solchen Momenten sachlich zu bleiben.

    Auf jeden Fall kann ich mich nur Stefan Koch anschließen: Viel Glück bei der weiteren Suche nach neuen Mitarbeitern und „Sales people“!

  3. Um es mit einem Lieblingscharakter von mir zu sagen „Ooooiiii“
    Auch ich bewundere deinen Chef.

    Aber komisch sowas wurde ich in Bewerbungsgesprächen noch nie gefragt…
    Also so Allgemeinbildung Sachen halt.

    Was „saled“ ihr den so?
    Ach so, und wie ist das mit dem Bloggertreffen?

  4. Naja, ich denke in Japan werden die Schüler und größtenteils auch die Studenten im Bezug auf den Rest der Welt bevorzugt dumm gehalten. Das spart lästige Nachfragerei und das eigene Denken kann man so auch effizient einschränken.

    Mir sind bisher, selbst in der Uni, wenige Japaner untergekommen, die etwas wie eine eigene Meinung oder ein hohes Maß an Allgemeinbildung hatten… selbst im Bezug auf das eigene Land nicht.

    Diese Tendenz erleben wir in Deutschland leider auch. Das Schaf konsumiert rennt eben eher der Herde her und konsumiert, als der Fuchs. Schade eigentlich.

  5. hum hum… menschen auf der welt? um die 6,5 mrd. müssten es jetzt sein oder sind wir schon bei 7 angekommen? ^^

    kennedy… ist und war sicherlich einer der populärsten und berühmtesten, selbst einige koreaner haben mich schon mal mit einem „ich bin ein berliner“ überrascht… aber wer „die achse des bösen“ formuliert hat und einen krieg nach dem anderen anzettelt verdient schon zumindest ein gewisses maß an wahrnehmung…

    „salesman“ ist übrigens die gängige bezeichnung ^^

  6. das mit dem dummhalten ist schon eine prima sache. allerdings sehe ich da mit den heutigen kommunikationsmöglichkeiten – siehe internet – ein erhebliches problem für diejeniegen, die menschen dumm halten wollen (ich gehe mal davon aus, dass japan keine zensur wie china anlegt). ergo: die leute haben offensichtlich kein interesse an allgemeinbildung.

    kurze richtigstellung: kennedy wird im film „jfk“ bereits am anfang erschossen. kann er also auch nicht gesehen haben.

    und das mit den verkäufern passt schon. je nach unternehmensart gibt es noch außendienstler, welche ebenfalls verkaufen könnten. im übrigen bürgern sich hierzulande gerade im wirtschaftsbereich vermehrt englische begrifflichkeiten für stellenbeschreibungen ein.

    so junge ehrgeizige aufstrebende japaner/innen: mehr engagement für die allgemeinbildung bitte! ihr seid doch sonst immer so strebsam!

  7. @Michael
    Hauptsächlich Werbung und Multimedia

    @Jakub
    Na, salesman ist aber politically incorrect :-) Also im Englischen benutzt man da doch eher sales people.
    Was die Weltbevölkerung angeht – man ist ja da nicht kleinlich. Aber das es sich um einen einstelligen Milliardenbetrag handelt, sollte man schon wissen.

    @Terry
    Ich hab drauf gewartet, dass jemand einwirft, bei JFK kommt das Attentat zuerst :-)
    Aussendienstler… stimmt, das kommt mir bekannt vor.

  8. Keine Ahnung, ob du nun den richtigen engl. oder die deutschen Übersetzung für „Sales people“ gesucht hast, aber evtl. meinst du den Vertriebler. Die Hälfte unserer Firma besteht daraus :-)

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