BlogZeit der Unsicherheit: Nordkorea

Zeit der Unsicherheit: Nordkorea

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Das ewige Thema Nordkorea gewinnt in den letzten Tagen immer mehr Aufmerksamkeit in den Medien und der japanischen Bevölkerung. Zwar ist man in Japan die vielen Atom- und Raketentests sowie all die anderen Provokationen seit Jahren gewohnt, doch die Lage scheint sich immer mehr zuzuspitzen. Man bekommt allmählich Angst – auf mehreren Ebenen. Die erste Ebene hat man bereits erreicht: Nachdem Donald Trump vor ein paar Tagen verlauten lies, dass er nur zwei Möglichkeiten für Nordkorea sehe – entweder Druck aus der VR China oder eine von den Amerikanern angestossene militärische Lösung, begann die Börse in Tokyo bereits damit, langsam aber sicher eine Talfahrt anzzutreten. Die Anleger sind verunsichert, da man nicht weiss, was kommt. Zur seit Jahrzehnten berechenbaren Unberechenbarkeit Nordkoreas kommt nun auch noch die Unberechenbarkeit des wichtigsten militärischen Partners Japans, der USA, hinzu. Der halbherzige Angriff der USA mit Marschflugkörpern auf den Shayrat-Militärflughafen in Syrien trug da nicht zur Beruhigung bei. Ganz im Gegenteil. Es zeugt eher von der realen Gefahr, dass die USA in die Versuchung geraten, militärisch-chirurgische Operationen in Nordkorea zu planen. In Syrien mag das gehen – Assad und seine Armee sind genügend mit anderen Dingen beschäftigt und haben sehr wahrscheinlich nicht die Mittel, um über die Landesgrenzen hinaus zu reagieren. Nordkorea hingegen hat eine nicht näher bekannte Anzahl von Raketen, darunter auch Interkontinentalraketen, sowie ABC-Waffen, wobei sich die Experten nur über das „A“ in ABC einig sind (heute verlautete allerdings Ministerpräsident Abe, dass er befürchte, dass das Land durchaus auch mit Sarin bestückte Raketen im Arsenal haben könnte)¹ – sicher keine völlig abwegige Behauptung.
In Japan hat man eher Angst vor den Raketen – schliesslich hat Nordkorea in der Vergangenheit mehrfach bewiesen, dass es in der Lage ist, ballistische Raketen bis nach Japan und weiter zu schicken. Das wurde auch im Weissbuch des japanischen Verteidigungsministeriums anhand der folgenden Graphik anschaulich gemacht²:

Reichweite nordkoreanischer Raketen. Quelle: Weissbuch des japanischen Verteidigungsministeriums 2016
Reichweite nordkoreanischer Raketen. Quelle: Weissbuch des japanischen Verteidigungsministeriums 2016

Anhand der Grafik kann man erkennen, das gleich mehrere Raketentypen für einen Angriff auf Japan in Frage kämen – selbst die relative einfachen Scud ER-Geschosse könnten in Westjapan und Kyushu Schaden anrichten; die größeren Typen Rodong, Nodong, Taepodong, Musudan und Taepodong 2 könnten überall in Japan einschlagen. Am 17. März diesen Jahres wurde entsprechend auch erstmals in Japan (seit dem zweiten Weltkrieg) eine „Katastrophenübung für den Fall eines Raketeneinschlages“ in der Präfektur Akita abgehalten³.
Verglichen mit den Gefahren, die Südkorea im Falle einer militärischen Auseinandersetzung drohen, ist die Lage in Japan freilich noch eher harmlos. Es dürfte relativ unwahrscheinlich sein, dass irgendwann mal ein nordkoreanischer Soldat seinen Fuss auf japanisches Territorium setzt. Seoul hingegen liegt nur unweit der nordkoreanischen Grenze und ist selbst mit herkömmlicher Artillerie vom Norden her zu erreichen. Und selbst wenn Nordkorea schnell die Waffen strecken würde: Die Wiedervereinigung Südkoreas und Nordkoreas wird Südkorea ökonomisch komplett aus der Bahn werfen – was nicht ohne Folgen für Japan bleiben würde, da die Handelsbeziehungen sehr eng sind. So gesehen sitzen Südkoreaner, aber auch Japaner gebannt wie das Kaninchen vor der Schlange. Ob die Lage eskaliert oder nicht, kann von beiden letztendlich nicht vollständig kontrolliert werden. Somit bleibt nur die Hoffnung auf… Frieden.
¹ Siehe hier: „North Korea may have sarin-tipped missiles, Abe says
² Quelle: Weissbuch des japanischen Verteidigungsministeriums 2016
³ Siehe unter anderem hier: 弾道ミサイル想定、初の避難訓練 秋田・男鹿

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

3 Kommentare

  1. Sicher, stimmt schon.
    Bis Tokyo waeren es noch ein paar Kilometer zu laufen.
    Was aber, wenn der Kamerad Kim total durchdreht nach dem Motto: alles oder nichts. Nur eine friedliche Loesung (auch) dieses Konfliktes duerfte im Interesse aller (mehr oder weniger) Beteiligten sein.

  2. Es ist auch alles andere als beruhigend, wenn auf das Handy eine Eilmeldung von Yokohama City reinkommt mit Verweis auf ein offizielles Merkblatt mit Ratschlägen was zu tun ist, wenn der „Einschlag einer ballistischen Rakete bevorsteht“… So geschehen heute vor ein paar Stunden. Auf diesem Eildienst kommen sonst Meldungen rein wie „Starke Regenfälle“, „Verdächtige Person im Kreis X gesichtet“, „Die Grippe macht die Runde“ etc. Morgen also ausnahmsweise mal NICHT mit der üblichen Vorsicht das Haus verlassen :-)
    Auszug aus dem Meldetext: „横浜市からのお知らせ:こちらは横浜市です。弾道ミサイルが落下する可能性がある場合にとるべき行動と避難方法が、内閣官房の国民保護ポータルサイト「弾道ミサイル落下時の行動について」に掲載されましたのでお知らせします。“
    Link zur Meldung (japanisch): https://typhoon.yahoo.co.jp/weather/jp/emergency/lg/14/14100/detail/00000000000207.html

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