Stan, Stan, Stan: Teil 6 (Buchara – Samarkand)

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Es ist 8 Uhr morgens, und ich bin hellwach, denn der nächtliche Anblick der Altstadt von Buchara hat meine Vorfreude geweckt. Ich kann es kaum erwarten, die Stadt zu erkunden. Und so geht es nach einem kleinen Frühstück in der Lobby und einem Kaffee auf der Dachterrasse auch schon los. Natürlich kann ich mein Gepäck im Hotel lassen, kein Problem. Es ist auf jeden Fall schon mal ziemlich heiß draussen und die Sonne brennt. Buchara: Heute leben hier keine 300’000 Menschen, aber die Stadt war jahrtausendelang von hoher Bedeutung, und man geht davon aus, dass sie mindestens 2500 Jahre alt ist. Das Zentrum steht, vollkommen zurecht, unter Schutz und ist UNESCO-Weltkulturerbe. Wenn es eine Stadt gibt, die Weltkulturerbe sein sollte, dann Buchara: Die alte Straßen- und Bebauungsstruktur ist komplett erhalten, es gibt zahlreiche Moscheen und Medressen. Buchara war eine Stadt der Gelehrten, und sie war schon vor dem Einzug des Islam ein Ort überregionaler Bedeutung. Was mich jedoch richtig fasziniert, ist die Geschichte des Emirats von Buchara, denn selbiges hatte bis 1920 bestand – es gibt sogar ein Farbfoto des letzten Emirs von Buchara. Letztendlich siegten aber die Bolschewiken, und die kurzlebige Volkssowjetrepublik Buchara (bis 1924) entstand. Buchara war – und ist auch heute noch – traditionelles Siedlungsgebiet der Tadschiken. Das heutige Tadschikistan hiess damals schlicht Ost-Buchara. Das heutige Kirgisistan, Turkmenistan und weite Teile Usbekistans hiessen Turkistan, und der große Teil des heutigen Kasachstans hieß damals Kirgisische Autonome Sozialistische Sowjetrepublik. Verwirrend, oder? Egal: Die Tatsache, dass Buchara noch vor gut 100 Jahren ein eigenständiges, und durchaus florierendes Emirat war, finde ich sehr interessant.

Die Ulugʻbek Madrasasi in Buchara aus dem 14. Jahrhundert
Die Ulugʻbek Madrasasi in Buchara aus dem 14. Jahrhundert
Der Toqi Zargaron Basar in Buchara
Der Toqi Zargaron Basar in Buchara

Natürlich hätte ich mir vorher vieles anlesen können und dann ein Gebäude nach dem anderen abklappern können. Manchmal mache ich das, aber auf dieser Tour mache ich das bewusst nicht: Ich will mich einfach treiben lassen, und wenn etwas interessant aussieht, schaue ich es mir näher an. Dementsprechend laufe ich etwas planlos durch die Altstadt, aber ich kann sie trotzdem geniessen, zumal erstaunlicherweise sehr, sehr wenige Menschen unterwegs sind. Direkt neben dem Hotel steht die Abdulaziz Khan Madrassah. Erbaut im 17. Jahrhundert, sieht man der ehemaligen Schule das Alter an, denn das imposante Bauwerk ist leicht verfallen, aber immer noch sehr schön. Die Tatsache, dass sie nicht perfekt saniert ist, macht sie perfekt. Hier und dort sitzen ein paar Verkäufer im Schatten der Torbögen, die Bilder und Souvenirs verkaufen, aber niemand ist wirklich aufdringlich. Gleich nebenan liegt der Toqi Zargaron genannte Basar, errichtet im 16. Jahrhundert und aufgrund seiner zahlreichen Kuppeln sehr markant.

So sieht ein Iwan-Portal von unten aus – sehr beeindruckend und filigran
So sieht ein Iwan-Portal von unten aus – sehr beeindruckend und filigran
Ja, es ist heiß im Juni in Buchara
Ja, es ist heiß im Juni in Buchara

Quasi nebenan steht die „Ulugʻbek Madrasasi“, diese stammt aus dem 15. Jahrhundert. Mein Gott, das wird ja immer älter. Ach nein, die Madrasah des Emir Alimkhan ist von 1915. Prachtvoll geht es weiter – mit dem Kalon-Turm, aus dem 12. Jahrhundert und immerhin 48 Meter hoch. Und gleich daneben steht die riesige Kalan-Moschee aus dem 16. Jahrhundert. Besonders markant sind hier vor allem die sogenannten „Iwan“, riesige, halboffene Torhallen, meistens mit sehr feingemusterten Kacheln geschmückt, sowie die halbrunden, türkisfarbenen Turmkappeln. Eine sehr markante, exotische Architektur, die man so wirklich nicht kennt. Da kann man nur mit halboffenem Mund dastehen und staunen. Der halboffene Mund dürfte auch kaum jemanden stören – ich bin fast allein in der Altstadt, was mir langsam seltsam vorkommt. Echt? So wenige Besucher? Ist es den anderen zu heiß? Es sind bestimmt schon fast 35 Grad. Oder ist es zu früh? Aber es ist doch schon fast 10 Uhr. Gelegentlich sieht man mal eine Person hier und eine kleinere Touristengruppe dort – und von der Hitze gezeichnete Hunde, die auf den noch von der Nacht etwas kühleren Steinen vor sich hin dösen.

Innerhalb der Kalan-Moschee in Buchara
Innerhalb der Kalan-Moschee in Buchara
Und der bemerkenswerte Kalon-Turm aus dem 12. Jahrhundert, Buchara
Und der bemerkenswerte Kalon-Turm aus dem 12. Jahrhundert, Buchara

Als ich durch die Kalan-Moschee durch bin, sehe ich am Rand der Altstadt eine gewaltige Festung, umgeben von einem großen Platz. Die Burg sieht wie eine typische Wüstenfestung aus, mit gewaltigen, gelben Mauern. Sie heißt einfach nur „Ark“, wurde möglicherweise schon im 5. Jahrhundert unserer Zeitrechnung gebaut, und sie war von 1785 bis 1920 Sitz des Emirs von Buchara. Die nähere Umgebung ist hier topfeben, doch hier man tatsächlich einen rund 20 Meter hohen, und vom Umfang her ziemlich großen Hügel aufgeschüttet. Ein wirklich massiver Bau, der wohl nicht nur militärischen Zwecken diente, sondern auch die Wohnort für die einflussreicheren Familien war. Eine Stadt in der Stadt. Und hier finde ich auch heraus, warum die Altstadt so menschenleer war: So ziemlich alle Touristen befinden sich hier, in der Festung. Und um in die hineinzukommen, bezahlt man Eintritt. Der Preisaushang ist nur in kyrillisch und sehr unübersichtlich, aber ich kann ihm entnehmen, dass ausländische Besucher mehr als das fünffache zahlen als einheimische Besucher. Aber selbst so kostet der Eintritt nur 60’000 So’m also gut 4 Euro.

Die gewaltigen Mauern der Ark-Burg zu Buchara
Die gewaltigen Mauern der Ark-Burg zu Buchara
Der Thron des einstigen Emirs von Buchara
Der Thron des einstigen Emirs von Buchara

In dem rund 4 Hektar großen Bereich gibt es einiges zu sehen – über eine Rampe geht es ins Innere, und dort gibt es zahlreiche Gebäude, die neben dem alten (und halboffenen) Thronsaal des Emirs auch einige Museen beherbergt: Ein Naturkundemuseum, das Manuskriptmuseum, das Archäologisches Museum, ein Museum über die antike Stadt Paykent, zwei historische Museen (eines bis zum Mittelalter, das andere über die Neuzeit), sowie ein kleines Münzenmuseum. Zumindest im Juni und sicher auch in den späteren Sommerminuten geht man natürlich gern in die Museen – um so ein bisschen der Sonne zu entfliehen, die nun erbarmungslos brennt. Und in der Festung gibt es durchaus zahlreiche Besucher – wahrscheinlich mehrere hundert, als ich dort bin. Ein babylonisches Sprachgewirr, und auch Deutsch ist natürlich dabei.

Die Ark-Festung von Buchara besteht aus einigen Originalbauten, einigen restaurierten Bauten — und einer regelrechten Wüste, aus der hier und da Gebäude- und Mauerreste ragen. Was man also hier sieht, es offensichtlich nur ein Bruchteil dessen, was es hier einmal gab, und um eine bessere Vorstellung davon zu bekommen, wie es hier einmal aussah, gibt es eine Akrylwand mit einer aufgedruckten Silhouette. Gut gemacht, und für Archäologen sicherlich ein Paradies. Nach fast zwei Stunden bin ich wieder draußen und laufe über den Regostan, den zentralen Platz, zum Ismail Samanid-Mausoleum, umgeben von einem schönen Park und in Laufweite von der Festung. Dieses im Vergleich zu all den anderen alten Bauwerken in Buchara ist vergleichsweise klein, aber sehr schön — und es ist mehr als 1000 Jahre alt. Es gilt sogar als älteste islamische Begräbnisstätte in ganz Zentralasien. Beeindruckend. Und der Park tut bei der Hitze richtig gut.

So sieht es auf der Festung aus –– hier gibt es noch viel zu graben
So sieht es auf der Festung aus –– hier gibt es noch viel zu graben
Die Bolo Hauz Moschee -- sehr prachtvoll, aus dem 18. Jahrhundert
Die Bolo Hauz Moschee — sehr prachtvoll, aus dem 18. Jahrhundert

Zwischen der Altstadt und dem Mausoleum liegt auch noch die Qo‘sh Madrasa, ebenfalls sehr schön anzusehen und, so sieht es jedenfalls aus, von den meisten Touristen links liegengelassen. Jetzt habe ich aber genug alte Bauwerke gesehen — der Magen knurrt, und ich habe nun richtig Appetit auf das usbekische Nationalgericht, Plov (welches sicherlich vom Wort Pilaf abstammt). Etwas ähnliches gibt es ja auch in Japan, dort chāhan genannt – da wird Reis zusammen mit etwas Fleisch, etwas Gemüse und Ei scharf angebraten. Ein riesiger Freund dieses Gerichtes bin ich nicht, aber bei eine, zünftigen Pilaf sage ich nicht nein, da es ja in der Regel sehr gut gewürzt ist. Der Hotelbesitzer nannte zwei Orte, an denen es richtig guten Plov geben soll. Beide liegen komischerweise außerhalb der Altstadt — und obwohl ich den Namen etwas befremdlich finde, entscheide ich mich für ein Restaurant, dessen Spezialität gleich im Namen deutlich gemacht wird: „The Plov“. Bis dahin muss ich aber fast um die halbe Altstadt herumlaufen, und das zieht sich hin. Es ist mittlerweile fast 40 Grad warm und ich habe so gut wie nichts gegessen — das ist nicht gut, aber mit einem halben Liter Flüssigkeit alle 30 Minuten erreiche ich endlich den Plov-Tempel: Ein sehr großes, etwas gehobeneres, wie es scheint, und sehr neues Restaurant, das allerdings hauptsächlich von den Einheimischen besucht wird — es ist fast voll. Erstaunlich. Muss also wohl wirklich gut sein. Ich werde schnell platziert und habe kein Problem mit der Speisekarte, denn die enthält auch ein bisschen Englisch und ist streckenweise bebildert.

Osh Sofi (Buchara-Plov): Links das Schafsschwanzfett, rechts die Pferdewurst
Osh Sofi (Buchara-Plov): Links das Schafsschwanzfett, rechts die Pferdewurst
Eines der Tore in die Altstadt von Buchara
Eines der Tore in die Altstadt von Buchara

Das Menü ist auch relativ einfach: Es gibt zwei Sorten Plov – die Buchara- und die Samarkand-Variante, wobei man die Buchara-Variante auch als kleinere Variante bestellen kann (später werde ich gut verstehen, warum). Dazu kann man noch Extra-Beilagen bestellen, zum Beispiel Wachteleier, oder Go’sht (Fleisch, im Fall von Buchara-Plov Lamm- oder Schafsfleisch), Qazi – Pferdewurst, oder Dumba – das Fett vom Schafsschwanz. Die letzteren beiden interessieren mich natürlich sehr, also bestelle ich einige Sachen dazu. Übrigens: Zwar sagen alle „Plov“, aber das ist eigentlich das russische Wort. Auf Usbekisch heisst das Gericht schlicht „Osh“.

Lange muss ich nicht auf mein Essen warten. Und da ich mir angesichts der Zutaten schon sicher war, dass es richtig fettig wird, bestellte ich noch eine okroshka dazu, eine eigentlich russische Suppe mit rohem Gemüse in Kwass. Der Teller mit dem Plov ist ziemlich groß, und es sieht etwas chaotisch, aber alles in allem sehr lecker aus: Osh, das ist in Schafsfett gebratener Reis mit dünnen Paprikastreifen, Kichererbsen und… Rosinen. Ja, Rosinen. Und das passt doch tatsächlich alles sehr gut zusammen. Reis mit Kirschen kenne ich als iranisches Gericht, und schon da dachte ich, dass Reis wirklich sehr vielseitig ist. Die Pferdewurst sieht etwas ungewohnt aus – ein Viertel ist weiß, sprich Fett, drei Viertel sind dunkles Fleisch, doch auch sie schmeckt richtig gut – und das Schafsschwanzfett rundet die Sache richtig ab. Ein wahrer Schmaus, bei dem ich mich frage, wie viel Kalorien das eigentlich hat. Das sind doch bestimmt 2000 oder mehr. Jeden Tag könnte ich das nicht essen, aber würde mir irgendjemand irgendwo mal wieder ein Plov anbieten, würde ich sicher nicht nein sagen. Die Basisvariante kostet übrigens 40’000 So’m (also gut 2 Euro), und mit dem ganzen Fleisch und dem Salat plus Getränk kostete das alles zusammen knapp 100’000 So’m, also rund 6 Euro.

Kleine Non-Bäckerei in Buchara
Kleine Non-Bäckerei in Buchara
Traditionelles Wohn(?)zimmer in Buchara
Traditionelles Wohn(?)zimmer in Buchara

So, nun bin ich aber genudelt. Das sollte eine ganze Weile reichen. Es ist nun auch schon fast halb zwei, und ich muss bis 16:46 am Bahnhof sein, denn dann fährt mein Zug nach Samarkand ab. Ich laufe wieder zur Altstadt zurück, durch ganz schmale Gassen – allerdings ist das weniger die touristische Altstadt, sondern ein altes, noch immer intaktes Wohnviertel. Es gibt ein paar sehr baufällige, historische Gebäude, kleinere Moscheen, eine kleine Bäckerei, die für 3000 So’m (20 Cent) die typischen, runden Brote, Non genannt (siehe indisches „Nan“), anbieten – sowie ein kleines Schild, auf dem irgendwas mit Museum steht. Das sieht interessant aus, denn man kann hier in eine der typischen Wohnhäuser reingehen – und zwar für 15’000 So’m. Die alte Frau in der Küche im Hinterhof ist etwas überrascht, als ich aufkreuze. Ich gebe ihr das Geld, und sie deutet auf ein großes Zimmer – sicher einst das Wohnzimmer. Kein Museum in dem Sinne, aber dennoch hochinteressant, sieht man hier doch, wie die Familien so gelebt haben beziehungsweise immer noch wohnen. Und für die alte Frau sicher ein guter, kleiner Nebenverdienst.

Nun aber weiter – je mehr man durch Buchara läuft, desto mehr Sehenswürdigkeiten scheint es zu geben. Ich laufe durch das Gassengewirr zum Chor Minor-Monument im Osten der Altstadt und dann wieder zurück, einen kleinen Bach entlang, zum Divan-Beghi, einem kleinen Teich mitten im Zentrum. Rund um den Teich stehen zahlreiche Bäume, und das ganze wird von zahlreichen Medressen und Moscheen umgehen. Hier steht auch eine Statue von Hodscha Nasreddin, dem Till Eulenspiegel der islamischen Welt. Erinnerungen werden wach – als Kind hatte ich Bücher über Nasreddin verschlungen, genauso ein russisches Buch mit Märchen aus Usbekistan, und die Geschichten fand ich als Stift sehr beeindruckend. Rund um den Teich gibt es ein paar nette Cafes und Restaurants, und in den alten Bauwerken rund um den Teich werden viele Souvenire verkauft – dementsprechend ist der Ort bei Touristen sehr beliebt.

Es gibt auch viel baufällige Substanz in der Altstadt von Buchara
Es gibt auch viel baufällige Substanz in der Altstadt von Buchara
Chor Minor Monument von 1810 in Buchara
Chor Minor Monument von 1810 in Buchara

Jetzt ist es aber schon halb drei, und es wird langsam Zeit, sich Richtung Bahnhof zu bewegen. Aber erstmal muss ich zurück zum Hotel, um mein Gepäck zu holen. Dabei gerate ich unterwegs noch in einen größeren Basar, aber für Souvenirs bleibt jetzt nicht viel Zeit, zumal es gar nicht so einfach ist, das kleine Hotel wiederzufinden. Dort sind die Angestellten so freundlich, mir über Yandex ein Taxi zu rufen – für 20’000 So’m, also einen guten Euro. Bis zum mehr als 10 Kilometer entfernten Bahnhof. Bei den Preisen wundert es nicht wirklich, dass Taxifahrer wirklich nichts unversucht lassen, Touristen auszunehmen. Klar, in Usbekistan ist alles wesentlich günstiger, aber gut 1 Euro für eine fast 30-minütige Taxifahrt, von Sprit- und Wartungskosten ganz abgesehen, klingt nicht gerade danach, dass Taxifahrer ein gutes Auskommen haben.

Am Teich im Zentrum der Altstadt von Buchara
Am Teich im Zentrum der Altstadt von Buchara
Der weit von der Altsstadt entfernte Bahnhof von Buchara
Der weit von der Altsstadt entfernte Bahnhof von Buchara

Nach 15 Minuten ist das Taxi da – und der junge Fahrer kämpft sich grummelnd durch die engen und engsten Gassen. Dann brausen wir Richtung Osten, zum Bahnhof. Auf Wiedersehen, Buchara! So viel steht fest: Ich bin zwar auch hier mehr als 20 Kilometer gelaufen und habe kaum eine Minute ungenutzt gelassen, doch die Zeit reicht nicht – es gibt wirklich unglaublich viel zu sehen, und der Charme der (noch) nicht totsanierten Altstadt ist unvergleichlich. Also muss ich wohl irgendwann zurückkommen. Jetzt geht es aber erstmal nach Samarkand, welches zusammen mit Buchara und Xiva weiter im Westen von Usbekistan zu den drei großen, alten Städten Usbekistans gehört. Und ich habe schon vorher von einigen Menschen, mit denen ich mich in Usbekistan unterhalten habe, immer das gleiche gehört: Xiva und Samarkand seien sehr touristisch, Buchara hingegen noch ursprünglich. Mit anderen Worten, besser als Buchara kann es nicht werden, aber Samarkand muss ich dann doch, zumindest ein bisschen, gesehen haben. Bis Samarkand geht es mit der Bahn – dieses Mal mit dem zweitschnellsten Zug. Der fährt 16:46 ab und braucht bis Samarkand knapp 2.5 Stunden – für rund 250 Kilometer. Preis: ziemlich genau 10 Euro.

Landschaft unterwegs zwischen Buchara und Samarkand: Halbwüste
Landschaft unterwegs zwischen Buchara und Samarkand: Halbwüste
Der Bahnhof von Samarkand
Der Bahnhof von Samarkand

Auch dieser Zug fährt pünktlich ab – und er ist auch relativ gemütlich, und gut besetzt. Nur gut, dass ich auch diese Fahrkarte (nebst Sitzplatz) vorher online gekauft habe. Und so geht es Richtung Osten, durch die fast ebene Landschaft. Wir fahren durch Navoi – das ist der Bahnhof, an dem meine Sitznachbarin vom Vortag ausstieg. Sie beschrieb Navoi als zwar sehr langweilige Stadt, aber dort werden rund 10% der gesamten Wirtschaftsleistung Usbekistans erbracht – unter anderem durch die metallverarbeitende Industrie, denn in der Gegend gibt es Gold und andere Bodenschätze. Das klingt interessant und rechtfertigt sicher einen kurzen Abstecher, aber nicht heute. Wir fahren weiter, durch die Steppe, und an ein paar Seen vorbei. Irgendwann erkenne ich in der Ferne die Berge von Tadschikistan – wir nähern uns Samarkand, wo wir dann auch pünktlich um 19:10 ankommen.

Samarkand ist wesentlich größer als Buchara – doppelt so groß (rund 600’000 Einwohner, um genau zu sein). Der Bahnhof liegt zwar im Stadtbereich, aber er liegt rund 6 Kilometer von der Altstadt entfernt, und dort befindet sich mein Hotel, das Bibikhanum Hotel. Dank der usbekischen SIM konnte ich schon im Voraus halbwegs herausfinden, wie ich am schnellsten zur Innenstadt komme, und zwar ohne Taxifahrer. Die Lösung: Es fährt eine Straßenbahn vom Bahnhof Richtung Altstadtnähe, und von dort sind es nur noch rund 15 Minuten zu Fuss. Die alte Straßenbahn ruckelt durch eine lebendig Stadt, die mich vom Flair her ein bisschen an Leipzig erinnert, nur in der zentralasiatischen Variante, mit viel sowjetischer Bausubstanz. Irgendwann steige ich aus und laufe Richtung Hotel – von der Altstadt mit den berühmten Medressen und Moscheen soweit keine Spur. Das ändert sich abrupt, als ich nur noch ein paar hundert Meter vom Ziel entfernt bin: Plötzlich finde ich mich in einer alten Gasse wieder, und vor mir taucht die erste Medresse auf. Ein alter Mann spricht mich an – er scheint etwas betrunken, und wir reden über … den Frieden in der Welt. Er ist sehr, nett, aber ich möchte angesichts des schwindenden Tageslichtes einfach nur weiter und verabschiede mich möglichst schnell. Und dann bin ich auch schon am Hotel, und das gefällt mir sofort. Wow. Ein wunderschöner Innenhof, ein sehr schönes Zimmer – und das alles für knapp 50 Euro. Sicher, man kann auch wesentlich billiger in Samarkand übernachten, aber die Lage war mir wichtig, und ab einem gewissen Alter darf es auch schon mal ein bisschen schmucker sein.

Yep, wir nähern uns definitiv der Altstadt von Samarkand
Yep, wir nähern uns definitiv der Altstadt von Samarkand
... und das Hotel, direkt in der Altstadt, passt. Sehr einladend.
… und das Hotel, direkt in der Altstadt, passt. Sehr einladend.

Leider ist es nun schon so gut wie dunkel draußen – ich hatte etwas gehofft, noch ein bisschen was bei Tageslicht zu sehen, aber das war logischerweise schwierig. Egal. Auch in Samarkand scheint etliches beleuchtet zu sein, und deshalb geht es sofort wieder auf die Spur. Das Zentrum von Samarkand ist wesentlich hügeliger, weitläufiger und – moderner. Definitiv mehr touristisch – das merkt man schon an den Hotels und Geschäften sowie an den sehr gepflegten Straßen im Zentrum. Direkt neben dem Hotel steht die die Bibi Khanym-Moschee – die wurde im 15. Jahrhundert gebaut und sieht auch nachts sehr ansehnlich aus. Das unbestrittene Zentrum der Altstadt ist jedoch der Registan, und der liegt ein paar hundert Meter weiter südlich. Um dort hin zu gelangen, läuft man die Taschkenter Straße herunter – und kommt dabei an einem Islam Karimow-Museum und einer Statue vorbei. Mal sehen, wie lange der Mann in Usbekistan noch verehrt wird.

Das Hauptportal der gewaltigen Bibi Khanym-Moschee in Samarkand, Usbekistan
Das Hauptportal der gewaltigen Bibi Khanym-Moschee in Samarkand, Usbekistan
Die älteste der drei Medressen am Registan-Platz in Samarkand
Die älteste der drei Medressen am Registan-Platz in Samarkand

Alles ist hell beleuchtet, so dass es fast egal ist, ob man sich die Bauwerke tagsüber oder nachts ansieht. Als ich am Registan-Platz ankomme, verwehrt man mir allerdings den Zutritt – als ich frage, wie ich denn auf den Platz gelange, sagt mir ein Wachmann, das in 10 Minuten eine Lasershow anfängt, und dass bis dahin der Platz geräumt werden muss. Aha. Mittlerweile wird eine der drei Medressen am Registan-Platz blau angeleuchtet. Und in der Gegend sind richtig Menschenmassen unterwegs – es ist hier wirklich ganz, ganz anders als in Buchara, was den Tourismus anbelangt. Aber die Bauwerke sind nicht minder imposant. Die drei gewaltigen Medressen am Registan, Ulugh Beg, Tilya Kori und Sherdor, stammen aus dem 15. und 17. Jahrhundert und bilden ein eindrucksvolles Ensemble. Vor dem Ensemble gibt es einen kleinen Park, und dort versammeln sich auch viele hundert Menschen, um der Lasershow beizuwohnen. Die beginnt dann auch pünktlich und ist – man kann es nicht anders sagen – sehr eindrucksvoll.

Beginn der Lasershow am Registan in Samarkand

Non und Shurpa in einem Restaurant am Registan
Non und Shurpa in einem Restaurant am Registan

Zwanzig Minuten dauert die Lasershow – ein Streifzug durch die Geschichte des Landes und der Region. Optisch sehr ansprechend, bezieht die Show die baulichen Elemente der Medresse gut mit ein, aber ich fühle mich auch ein bisschen nach Disneyland versetzt. Es ist eben ein wahres Touristenspektakel, und die Touristen nehmen es scheinbar dankbar an. Die Show endet mit den Worten „ezgu fikr ezgu soʻz ezgu amal“ – was so viel wie „guter Gedanke, gutes Wort, gute Tat“ bedeutet – ja, kann man so unterschreiben.

Nun gut. Aufgrund der vielen Lauferei ist der Plov vom Mittag schon komplett abgebaut – Zeit, nach dem Abendessen Ausschau zu halten. Und das ist in der Nähe des Registan gar kein Problem, da sich an der gleichnamigen Straße vor dem Platz zahlreiche Restaurants aneinanderreihen. Dazu gehört das Labi G`or, ein sehr großes, sehr aufwändig gestaltetes Restaurant, das auch usbekisches Geschirr, usbekische Teppiche und dergleichen als Dekoration benutzt. Hier bestelle ich unter anderem Shurpa, eine traditionelle Suppe mit viel Lammfleisch, Gemüse und einer sehr wohlschmeckenden Gewürzmischung (die mir so gut gefällt, dass ich beschliesse, mir später irgendwo die Würzmischung zu kaufen), und die passt hervorragend zum Non, dem traditionellen usbekischen Rundbrot. Außerdem bestelle ich noch Spieße mit gegrilltem Lamm, Gemüse und Hackfleisch. Alles sehr wohlschmeckend.

Nach dem Mahl laufe ich auf die andere Straßenseite, durch den Poetenpark, zum „Sam Craft Pub“. Dort gibt es verschiedene Biersorten – darunter auch ein Bier vom Fass mit dem Namen „Bamberg“. Das habe ich nun schon mehrfach in Usbekistan gesehen – das Bier kommt zwar nicht aus Bamberg, sondern es wird in Usbekistan gebraut, und es ist sehr passabel. Man kann hier auch draußen sitzen, und das ist sehr angenehm. Dort komme ich schnell mit einem sehr angenehmen und interessanten Belgier ins Gespräch, der mit seiner bulgarischen Frau, ihres Zeichens Künstlerin, hier unterwegs ist, um eine Gallerie zu eröffnen. Sie unterhalten sich mit einem usbekischen Künstlerpaar – und es wird noch ein schöner, wenn auch nicht allzu langer Abend mit ihnen.

Das war ein weiterer, langer Tag mit sehr vielen neuen und bleibenden Eindrücken – und mehr als 25 Kilometer auf dem Zähler. Nun aber zurück ins Hotelzimmer, denn am nächsten Tag geht es auch schon weiter, nach Tadschikistan.

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