8 Uhr morgens und der letzte volle Tag der Reise bricht an – aber viel wird heute nicht mehr passieren, denn um 17 Uhr nochwas geht der Flieger, und die Rückreise zieht sich hin – von Taschkent geht es nach Astana, dann nach Seoul und zu guter Letzt zurück nach Japan. Gute 20 Stunden wird das alles zusammen dauern. Aber erstmal geht es runter in die Lobby, zum Frühstücksbuffet. Das ist gut besucht – ich finde aber noch einen Platz, lege meine kleine Tasche hin und beginne, zu sammeln und zu jagen. Als ich mit halbvollem Teller zum Tisch zurückkehre, sitzt dort ein älteres Pärchen – der rotgesichtige Mann sagt auf Englisch irgendwas von „Platz belegen ist nicht“. Okay, ist klar, Meister. Kann mich auch gern mit dem Teller irgendwo auf die Treppe setzen. Oder vor sein Zimmer vielleicht. Aber ein bisschen grübele ich schon – denn geht man in Japan zu einem Hotelbuffet oder in ein gut besetztes Cafe, muss man quasi vorher einen Platz finden – und natürlich belegen – bevor man sich etwas holen darf. Keine Ahnung, wie das in seinem Land, wo auch immer das sein mag, geregelt wird.
Das Checkout ist schnell erledigt. Ich schnappe meine Tasche mit den frisch gewaschenen Sachen, dem Honig und einer Flasche tadschikischen Wodkas – und merke, dass es die weiche Tragetasche nicht mehr allzu lange machen wird, zumal ich ja noch vor Abflug etwas einkaufen möchte. Dabei fällt mir ein, dass mein Koffer zu Hause kaputt ist – den nehme ich zum Beispiel, wenn ich zurück nach Deutschland fliege. Da ich noch etwas Zeit habe, aber mit der Tasche nicht lange rumrennen kann, beschliesse ich, in die Tashkent Shopping Mall zu gehen, um dort nach einem Koffer zu suchen. Gesagt, getan. Die Rezeption ist so nett, mir über Yandex ein Taxi zu rufen, und das kommt auch ziemlich schnell und bringt mich zur Mall. Die so aussieht wie jede andere Mall – einfach nur langweilig. Ich finde eine Information, an der eine hoch gelangweilte Russin arbeitet. Wo es Koffer gäbe, will ich wissen, und sie erklärt es halbherzig. Dann will ich noch wissen, ob ich meine schwere Tasche hier irgendwo parken könne. Oh nein, das geht leider nicht, viel Spass noch! Und, schwupps, nestelt sie wieder an ihrem Handy rum. Super. Nein, nach 20 Jahren in Japan ist das jedes Mal ein kleiner Kulturschock.
Im ersten Kofferfachgeschäft hängen Preisschilder mit sehr vielen Nullen an den Objekten der Begierde. Sechs Nullen… 25 Millionen So‘m. 1700 Euro! Dabei kannte ich weder die Marke, noch sahen die Teile besonders schön, praktisch oder robust aus. Vielleicht gibt es eine Weltreise dazu? Zwei Etagen später finde ich zwei Koffergeschäfte mit vertrauten Namen. Der gelangweilte Verkäufer des einen Ladens — der ist wie fast die gesamte Mall beinahe menschenleer — begutachtet mich passiv-aggressiv. Also in den anderen. Dort steht eine junge, russische Verkäuferin gelangweilt herum. Ich schaue mir unbehelligt ein paar Koffer an, frage dann nach Preisen und ein paar anderen Sachen. Billiger als in Japan oder Deutschland sind sie jedenfalls nicht, teurer allerdings auch nicht. Als ich noch etwas überlege, fragt sie mich, was ich jetzt noch überlege. Offensichtlich scheine ich den Tagesablauf zu stören. Letztendlich entscheide ich mich für ein Modell, zahle und entfliehe der Mall. Kurzerhand alles von der Umhängetasche umgepackt — ach wie schön. Viel angenehmer (aber nur jetzt, sonst bin ich gar kein Kofferfan — ich reise normalerweise so leicht wie nur möglich).
Die Gegend rund um die Mall ist fast vollständig neu — hier schlägt das moderne Herz der Stadt, und es wird sicherlich nicht lange dauern, bis es hier aussieht wie in einer chinesischen Provinzhauptstadt, mit Wolkenkratzern, Glas, Stahl — und immer den gleiche Geschäften. Weiter — da ich ab 17 Uhr viele Stunden in verschiedenen Flugzeugen verbringen werde, habe ich beschlossen, so wenig wie möglich zu laufen (= zu schwitzen), um möglichen Sitzplatznachbarn olfaktorisch nicht allzu sehr auf den Senkel zu gehen. Dank Ziehkoffer ist jetzt aber alles viel einfacher, und so laufe ich natürlich wieder. Zu einem Supermarkt, um Souvenire zu kaufen. Süßigkeiten wie Halwa für die Kinder, etwas für Büro, Käse. Viel Käse. Warum? Guter oder zumindest halbwegs guter Schnittkäse ist in Japan reichlich teuer, und die Artenvielfalt nicht groß. Dagegen sieht die Käsetheke eines durchschnittlichen usbekischen Supermarktes oder einfach nur Marktes paradiesisch aus. Außerdem habe ich ja jetzt einen Koffer. Neben dem Supermarkt gibt es ein paar Spirituosenläden mit einer unglaublich großen Auswahl usbekischer Wodkas, von 2-3 Euro bis mehrere hundert Euro pro Flasche. Damals hatte ich mir auch eine Flasche – besten – mongolischen Wodkas in Ulan-Baator gekauft, und der war einfach nur super. Apropos: Dafür, dass die vier Stan-Länder allesamt überwiegend muslimisch sind, gibt es hier erstaunlich viele Wodkasorten. Aber das kennt man ja auch aus der Türkei.
Immerhin ist es jetzt schon gegen ein Uhr nachmittags. Ich trotte langsam in die allgemeine Richtung des Flughafens, in der Hoffnung, ein gutes Restaurant zu finden, und das klappt dann auch. Auch hier: Essen (wieder Usbekisch) tipp-topp, guter Service, gute Preise. So viel steht fest: In Usbekistan verhungert man nicht. Im Gegenteil. Die usbekische Küche ist reichhaltig, es gibt gute Gerichte mit Reis, mit Nudeln, mit Brot, und viel Gemüse. Und Fleisch, versteht sich. Die meisten Gerichte sind nicht sehr scharf, aber definitiv auch nicht fad. Und so geht weiter Richtung Flughafen – ich habe noch drei Stunden bis zum Flug und überlege nun ernsthaft, bis dahin zu laufen. Das ziehe ich dann auch eine Weile lang durch, bis ich plötzlich vor einem riesigen Straßenkreuz stehe, bei dem es keine Optionen für Fußgänger zu geben scheint. Da es dann doch langsam knapp wird, hüpfe ich letztendlich doch auf einen Bus. Das ist okay – ich hatte einfach nur keine Lust mehr, mich mit gierigen Taxifahrern herumzuschlagen. Und so komme ich dann gegen 3 Uhr am Flughafen von Taschkent an. Air Astana heißt die Airline heute, und sie ist die größte und bekannteste Airline von Kasachstan. Am Schalter dann die erste Überraschung: Ich bin der Einzige. Das Check-in dauert also nur zwei, drei Minuten. Auch die Ausreise geht flink – dieses Mal nimmt mir die Security das einzige Feuerzeug ab, was recht ungewöhnlich ist, denn normalerweise kann man eins behalten.
Der Duty-Free-Bereich des Flughafens von Taschkent ist ziemlich groß, und es gibt auch viel Kunsthandwerk – die Preise sind sogar ziemlich zivil, so dass die Souvenirsammlung etwas größer wird. Usbekische Keramik ist zum Beispiel recht schön. Irgendwann finde ich auch das Raucherzimmer? Räucherzimmer? und da geht es recht lustig zu, denn die meisten Menschen mussten ihr Feuerzeug abgeben, und in besagtem Zimmer gibt es natürlich keine Feuerzeuge, sondern nur Aschenbecher. Die Raucher schauen sich deshalb verlegen beim Betreten um, auf der Suche nach Jemandem mit Feuer. Zum Glück nutzen die Angestellten das gleiche Zimmer, und die haben Feuerzeuge.
Das Boarding startet fast pünktlich, und das ist auch gut so, denn beim ersten Stopover, in Astana, habe ich nur eine Stunde und 10 Minuten zum Umsteigen – das ist nicht viel in einem unbekannten Flughafen. Aber wir starten halbwegs pünktlich, und ich bin sofort von Air Astana angetan: Es gibt etwas mehr Platz, das Entertainment-System ist hochmodern und der Service ausgezeichnet. Selbst das Filmchen, in dem die üblichen Sicherheitsvorkehrungen erklärt werden, ist sehr gut gemacht. Eine wirklich gute Airline, in der die 2 Stunden bis zur kasachischen Hauptstadt „wie im Flug“ vergehen. Nach der Ankunft wird es jedoch etwas kompliziert. Ich begebe mich zum Transferschalter – so wie noch ein anderer Passagier. Doch das Prozedere ist ziemlich kompliziert und ein paar der Angetellten ziemlich neu, wie es scheint, denn so richtig wissen sie scheinbar nicht, was sie tun. Mir müssen unsere Pässe vorweisen, die werden dann abfotografiert, dann werden die Fotos irgendwo hingeschickt, und dann wird diskutiert, wie man uns zur Abflughalle bringen soll. Aber das geht letztendlich doch alles relativ schnell, und so sind sogar noch fast 30 Minuten Zeit bis zum nächsten Flug.
Auch der nächste Flug ist mit Astana, und zwar bis Seoul – Flugzeit gut 6 Stunden. Ein Nachtflug, denn wir fliegen nach 20 Uhr ab und kommen – aufgrund von ein paar Stunden Zeitverschiebung, um 6:35 morgend in Incheon bei Seoul an. Dort habe ich 2 Stunden und 15 Minuten Zeit, doch großartig verspäten darf sich der Flieger nicht, denn mein Gepäck kann nicht bis Tokyo weitergeschickt werden – ich muss also mein Gepäck in Seoul entgegennehmen, und um das zu tun, muss ich vorher – wieder – in Südkorea einreisen. Und siehe da: Das Flugzeug kommt – fast – pünktlich in Seoul an. Nach einer gefühlten halben Stunde Fußmarsch stehe ich bei der Einreise, wo wieder eine hunderte Meter lange Schlange an den Schaltern wartet. Oh je. Es zieht sich – in der Zeit fülle ich wie schon vor gut einer Woche die elektronische Registrierung und ein kleines Formular aus. Als Schlafplatz gebe ich die Adresse des Flughafens ein. Das bemerkt die freundliche Beamte – sie fragt, wann ich denn weiterreise, und ich sage „in gut einer Stunde“. Sie schaut mich mitleidig an und fragt „Schaffen Sie das?“ Gute Frage. Also weiter zum Gepäckband, wo mein nagelneuer Koffer einfach nicht ankommen will. Bis plötzlich ein sehr freundlicher Amerikaner mich darauf hinweist, dass auf der anderen Seite des Bandes ein paar Koffer NEBEN dem Band stehen – vielleicht sei ja auch meiner darunter? Und in der Tat: Da steht er. Na toll. Völlig müde renne ich nun zu dem meilenweit entfernten Check-in Schalter von „Air Seoul“. Dort erfahre ich dann, dass das Flugzeug gut eine Stunde Verspätung hat. Das wäre doch nicht nötig gewesen! Aber ich bin ganz dankbar, dann muss ich nicht die verbliebenen 45 Minuten wie ein Irrer durch den riesigen Flughafen rennen. Jetzt bleibt nur noch eine Hürde: Ich hatte vorher zufällig beim Online-Checkin erfahren, dass in meinem Ticket nur Handgepäck enthalten ist – so etwas ist mir neu. Da muss man also für jedes aufgegebene Gepäckstück extra zahlen, egal wie groß. Und damit steht nun endgültig fest: Koreanische LCC sind furchtbar. Spät, eng, unzuverlässig, und man zahlt wirklich für alles extra – selbst für normales Gepäck. Demnächst muss man vielleicht auch noch Gurt und Sauerstoffmaske extra zahlen. Immerhin bezahle ich für meinen nunmehr mehr als 15 kg schweren Koffer (Käse! Keramik! Honig! Wodka!) umgerechnet rund 35 Euro.
Pünktlich mit einer guten Stunde Verspätung geht es dann auch endlich kurz vor 11 Uhr morgens los, nach Tokyo Narita, wo wir gut zwei Stunden später landen.
Fazit: Eine fantastische Gegend – (fast) alle Menschen sind sehr, sehr freundlich, die Landschaft ist vielfältig, von der Wüste bis über 7000 m hohe Berge, und es ist hochinteressant zu sehen, wie sich diese ehemaligen Sowjetrepubliken entwickelt haben. Und Buchara und Samarkand sind wirklich traumhaft (mit starker Präferenz für das weit weniger touristische Buchara). Irgendwann muss ich noch mal in die Gegend, so viel steht fest.
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