Es ist der 2. Oktober 2025, und es ist mal wieder an der Zeit für einen Abstecher nach Deutschland. Teils privat, teils geschäftlich. Nun ja, mehr privat als geschäftlich. Da es mit den Flugtickets von und nach Japan gar nicht mal so einfach ist – auch in diesem Jahr brechen die Besucherzahlen in Japan alle Rekorde – habe ich mich schon fast drei Monate im Voraus nach Flugtickets umgeschaut. Und dabei eins festgestellt: Während früher ein One-Way-Ticket beinahe genauso viel kostete wie ein Return-Ticket (oder andersrum gesagt ein Rundreiseticket einen ordentlichen Rabatt garantierte), ist es heute beinahe schon egal, wie man fliegt. Es ist sogar scheinbar manchmal billiger, eine Route zurückzufliegen, wenn eine andere Fluggesellschaft da gerade etwas im Angebot hat. Interessant. Also beginne ich zu suchen. Ein Land, dass schon lange auf meiner Liste steht, ist Saudi-Arabien. Doch während es zahlreiche und zum Teil auch gute Verbindungen von Japan nach Deutschland über Doha (Qatar Airlines), Etihad (Abu Dhabi) und Emirates (Dubai) gibt, findet sich nichts mit Zwischenstopp in Saudi-Arabien. Es sieht ganz so aus, als ob es weder einen Direktflug von Japan nach Saudi-Arabien noch von Saudi-Arabien nach Deutschland gibt, Aber vielleicht ist das auch saisonal, schließlich gibt es zum Beispiel nur im Sommer Direktflüge von Japan nach Usbekistan…
Lange muss ich nicht suchen – schnell finde ich einen Flug von Tokyo (Narita) nach Shanghai und von dort weiter nach RIyadh, der Hauptstadt von Saudi-Arabien. Aufenthalt in Shanghai: 17 Stunden. Warum nicht. Da kann man vielleicht sogar etwas von der Stadt sehen. Beide Flüge sind mit China Eastern Airlines. Für Saudi-Arabien setze ich drei Übernachtungen an. Von dort geht es dann mit „flyadeal“, einem LCC, weiter nach Istanbul – und von dort geht es, nach einem 20-stündigen Aufenthalt – zur Endstation nach Berlin. Auch der Aufenthalt in Istanbul kommt mir sehr gelegen – mein letzter Aufenthalt dort ist mehr als 20 Jahre her und ich habe sehr, sehr gute Erinnerungen an die Stadt. Nach gut 10 Tagen Aufenthalt in Deutschland soll es schließlich wieder zurückgehen, und zwar von Frankfort, mit MIAT, der mongolischen Staatslinie, über Ulan Baator bis Tokyo, aber dieses Mal aus Zeitgründen nur mit dem kürzest möglichen Zwischenstopp von 2 Stunden.
Und so begab es sich, dass ich mich gegen 14:00 am Terminal 2 des Flughafens von Narita einfand. Ich bin dankbar, dass es nicht Terminal 3, das Cholera-Terminal ist, denn der ist einfach erschreckend trostlos. Online eingecheckt habe ich schon vorher, hoffe also nun, dass ich einfach nur schnell mein Gepäck bei der Airline loswerden kann. Dort stehen nicht allzu viele Leute an, aber einen Extraschalter für die Gepäckaufgabe gibt es nicht – kein Zeitgewinn mit dem Online-Checkin also. Und dann wird es auch noch richtig kompliziert. Laut Buchungsseite muss ich, obwohl es die gleiche Airline ist, mein Gepäck in Shanghai einsammeln und wieder einchecken. Ich frage am Schalter, ob das wirklich vonnöten sei – und die Antwort lautete „Gerne leiten wir ihr Gepäck bis Riyadh durch“. Oh. Super! Aber jetzt wird es kompliziert. Sie durchsucht meinen Reisepass nach einem Saudi-Visum und findet keines – weil ich ein e-Visa habe, Das zeige ich dann. Dann sucht die Angestellte, die mittlerweile Verstärkung zu sich gerufen hat, eine Kollegin, und beide versuchen nun herauszufinden, ob das Visum valide ist und ob ich ein Flugticket, das meine Ausreise aus Saudi-Arabien bestätigt, benötige. Das ist (oder war, nicht sicher) in der Tat bei einigen Ländern mit Visumspflicht der Fall. Nach einer guten Viertelstunde werde ich dann „entlassen“ – man hatte nichts weiter zu beanstanden, und ich war glücklich, dass ich mich in Shanghai nicht mit meinem Koffer herumschlagen muss. Der wiegt zwar nur 10 Kilo, aber lästig wäre es dennoch geworden.
Die Ausreise aus Japan war gewohnt schnell, aber etwas irritierend: Touristen können einfach durch eine automatisierte Station durchlaufen, und davon gibt es eine ganze Phalanx – Visainhaber hingegen müssen durch eine andere Stelle dort. Die ist nicht automatisiert, und es gibt mindestens 10 Schalter, aber nur ein einziger ist besetzt. Super. Während die Touristen also quasi durchmarschieren, heisst es für alle Anderen: Anstehen. Immerhin war die Security vorher angenehmer: Taschen brauchte ich nicht mehr zu lehren, auch keine Computer rausnehmen. Gürtel war auch okay. Einfach durchlaufen, dann wird man von einer Angestellten gebeten, eine Pirouette zu drehen, und sie macht das auch richtig vor. Ich meine noch zur ihr „macht ja richtig Spaß, fast wie Sport“ und sie grinst „ja, ich tanze hier den ganzen Tag…“. Nach einer gefühlten halben Stunde Fußmarsch bin ich auch an meinem Gate angekommen, und siehe da – das Flugzeug nach Shanghai ist voll, Das ist nicht allzu verwunderlich, denn ganz China hat gerade seine eigene Variante der Goldenen Woche – eine Kette von Feiertagen vom 1. bis zum 8. Oktober, den viele Chinesen zu einem längeren Urlaub nutzen. Im Flugzeug sitzen dementsprechend auch hauptsächlich Chinesen, aber es gibt durchaus auch mehrere Ausländer, die sicherlich diese Verbindung aus Preisgründen gewählt haben und in Shanghai umsteigen werden.
Fast pünktlich geht es dann auch los – die Flugzeit bis Shanghai beträgt knapp dreieinhalb Stunden, und aufgrund einer Stunde Zeitverschiebung sollte ich gegen 19:15 dort ankommen. Die Idee: Schnell einreisen, mit dem Transrapid und der U-Bahn ins Zentrum, zum Hotel und dann etwas essen und spazieren gehen. Letztendlich kommen wir eine halbe Stunde später an, und die Immigration macht mir natürlich einen Strich durch die Rechnung. Nach einem kurzen Fußmarsch geht es erstmal mit einer kleinen U-Bahn zur Ankunftshalle. Die Schlange am Schalter für ausländische Besucher ist beachtlich. Bereits im Flugzeug hatte ich einen Zettel erhalten, auf dem ich meine Grunddaten eintragen sollte. Bei der Einreise gab es einen weiteren Zettel, der fast nach den gleichen Dingen fragte – einige Ausländer mussten beide ausfüllen, andere nur einen. Die Einreise selbst war dann unkompliziert, zumal deutsche Staatsbürger – zumindest bis Ende 2025 – kein Visum brauchen. Die kleine Erkennungsmaschine wechselt je nach Pass die Sprache, und so wird man auf Deutsch aufgefordert, erst vier Finger der einen Hand – ohne Daumen – aufzulegen, dann die andere Hand, und dann beide Daumen gleichzeitig. Danach noch ein Portraitfoto – und fertig. Zoll? Der Zoll zieht willkürlich Leute aus der Schlange derer, die laut eigenen Angaben nichts zu verzollen haben. Ich werde wie die meisten anderen auch durchgewunken. Hauptgepäck habe ich ja glücklicherweise nicht, und so ziehe ich mir erstmal schnell 500 Yuan, rund 60 Euro, aus dem Automaten, wohlgewiss, dass ich wahrscheinlich nicht alles verwenden kann, da das meiste nicht mehr mit Bargeld bezahlt wird. Nach dem Abheben bemerke ich auf der ausgedruckten Quittung, dass mich der Spaß gerade 35 Yuan gekostet hat. Irgendjemand verlangt hier 7% Abhebegebühren, nicht schlecht. Zügigen Schrittes gehe ich zum „Maglev“ – Schalter. Hier fährt der erste – und einzige – Transrapid weltweit. Die einfache Fahrt – sie dauert nur 8 Minuten, legt in der Zeit aber 30 km zurück – kostet 50 RMB, doch wer ein Flugticket von oder nach Shanghai für den selben Tag nachweisen kann, bezahlt nur 40 RMB. Und die kann man sogar in bar bezahlen.
Der Zug ist geräumig, relativ neu (vom Jahr 2000) und sehr leer. Zwischen den Waggons gibt es Anzeigen, an denen man sehen kann, wie schnell der Zug fährt – bis 2021 waren es wohl mehr 400 km/h, danach maximal 300. Und los geht’s. Nach einer kurzen Weile verstehe ich dann: Der Zug ist nicht wesentlich leiser als andere. Und er ruckelt auch ziemlich (ich dachte bisher, dass eine Magnetschwebebahn, da sie ja schwebt, kaum Schwingungen aufweist, aber dem ist scheinbar nicht so. Interessant sind jedoch die Kurven: Offensichtlich kann der Maglev schneller in Kurven fahren, und das macht durchaus Spaß. Denke ich mir so, doch schon sind wir da, im Bahnhof Longyang, und hier heisst es umsteigen in die U-Bahn. Draußen ist es bereits dunkel und extrem schwül bei rund 30 Grad. Und mit der U-Bahn wird es nun kompliziert. Offensichtlich muss ich hier wirklich eine chinesische Bezahlapp benutzen, ALIPAY, und die hatte ich bereits vorher installiert. Doch irgendwas scheint zu fehlen – meine Kreditkarte ist zwar gespeichert, aber ich kann nicht bezahlen. Und jedes Mal, wenn ich versuche, rauszubekommen, warum, ändert sich die Sprache der App auf Chinesisch. Etliche Schriftzeichen kann ich zwar lesen, aber ein paar der – in Festlandschina stark vereinfachten Schriftzeichen sind so anders, oder aber die Bedeutung ist so anders, dass von einem sicheren Navigieren keine Rede sein kann.
Bis es dann doch irgendwann klappt – offensichtlich fehlte meine Gesichtserkennung, die ich also nun draußen vor dem Bahnhof schnell erledige. Also gehe ich noch mal zum Ticketautomaten, wähle den Zielbahnhof und scanne den QR-Code. Es scheint zu funktionieren! Okay, schnell also das Gepäck durch die Security – das ist an allen chinesischen Bahnhöfen so üblich – und schon stehe ich wieder dumm da, denn ich weiss nicht, wie ich das soeben gekaufte Ticket in der App abrufen kann. Warum? Weil die App wieder auf Chinesisch schaltet, sobald man ausgewählt hat, dass man mit der Metro fahren möchte. Der Herr von der Security merkt, wie ich verzweifelt am Handy rumspiele und ruft mich zu sich. Nach ein paar Klicks erscheint ein QR-Code, aber ich habe keine Ahnung, was er geklickt hat. 4 Yuan und viel Zeit ärmer ist es geschafft – die Schranken öffnen sich, und mit der Linie 2 geht es ins Zentrum. Diese Linie beginnt übrigens direkt am Flughafen Pudong, braucht aber natürlich viel mehr Zeit als der Transrapid. Nach sechs, sieben Stationen bin ich dort, wo ich laut Apple Maps umsteigen soll in eine andere Linie. Apple Maps? Genau. Eigentlich benutze ich Apple Maps nicht, sondern Google Maps, wenn es um’s Navigieren geht. Das funktioniert zumindest in Japan ziemlich gut. Doch auf der Seite des gebuchten Hotels stand, dass die Ortsangabe auf Google Maps komplett falsch sei. Also benutze ich dieses Mal sicherheitshalber Apple Maps.
Das Umsteigen funktioniert, mittlerweile weiss ich auch, welches chinesische Label ich wo in der Alipay-App drücken muss, um den richtigen QR-Code aufzurufen. Ich trete – endlich – ins Freie und beginne zu laufen. Zwei, drei Blöcke links, dann in eine kleine, interessant aussehende Straße einbiegen, ein paar hundert Meter geradeaus, dann links – hier sollte also mein Hotel stehen. Direkt am Eingang zu einem größeren Park. Steht es aber nicht. In einem Pförtnerhäuschen döst ein Wärter, hinter dem Tor zum Park gibt es ein Parkcafe – Strich – Bar. Ich gehe hinein und frage die gut tätowierten aber sehr freundlichen Angestellten, warum hier ein Cafe steht und nicht mein Hotel. Sie schlagen die Adresse auf ihren Geräten nach und sieh mal einer an, es ist ganz woanders – nämlich unweit der letzten U-Bahnstation, von der ich gerade gute 10 Minuten hergelaufen bin. Ich fotografiere die Route von ihrem Handy ab und stiefele also wieder zurück. Nach einer Weile finde ich es dann endlich: Es ist eines dieser relativ neuen und modern eingerichteten Hotels, erreichbar über einen kleinen Gang von der – sehr lebendigen – Hauptstraße.
Das Check-in geht schnell, aber es ist jetzt schon fast 22 Uhr. Ich frage, ob jetzt noch irgendein Restaurant geöffnet habe – und die schnelle Antwort lautet: Nein, um die Zeit nicht mehr. Na toll. Dabei wollte ich doch so sehr Xiaolongbao essen, denn die kleinen, gedünsteten Teigtaschen sind a) extrem lecker und b) eine Spezialität von Shanghai. Aber daraus wird nix. Immerhin habe ich auf dem Irrweg vorhin ein kleines Restaurant bemerkt, dass noch geöffnet hat… aber wie lange noch? Schnellen Fusses marschiere ich also nach der Ablage des Gepäcks im Zimmer den halben Weg zurück, und ich gerate unter Zeitdruck, denn ein kräftiges Gewitter ist im Anmarsch. Das Restaurant, nun ja, eher eine Kantine, hat noch offen, aber nach ein bisschen Gestikulieren finde ich heraus, dass es nur noch zwei Sachen gibt. Also eigentlich sogar nur eins, und zwar entweder als kleine oder große Portion. Alles andere wird mit einem schnorrenden 没有 – gibt’s nicht – beantwortet. Den Schriftzeichen zufolge gibt es Wonton – Teigtaschen, mit einer Füllung aus Gemüse und Fleisch. Immerhin – das einzig verbliebene Gericht hätte ja auch Entenblutsuppe oder frittierter Kamelhoden sein können (nun, die Ente mit festem Entenblut ist eigentlich gar nicht so schlecht), aber so war es etwas, was man problemlos geniessen kann. Dazu noch eine Flasche 啤酒 – Bier – das aber nicht besonders schmeckte. Bei 3% Alkoholgehalt war es auch weniger als Bier zu bezeichnen. Das Mahl kostete 18 Yuan für das Essen und 10 Yuan für das Bier, also alles zusammen gut 3 Euro.
Am Nebentisch sitzen zwei Chinesen – wahrscheinlich Mutter und Sohn, und letzterer sieht nicht allzu gesellschaftskompatibel aus – sicherlich gehört er zu den „Perspektivlosen“ Jugendlichen, die es zur Zeit viele in China zu geben scheint. Wie sich das noch entwickeln wird… Die Angestellten der Kantine, allesamt Frauen gestandenen Alters, waren anfangs etwas unwirsch und ungeduldig, doch letztendlich sind sie sehr nett, und so habe ich China auch in Erinnerung: Der erste Kontakt ist oftmals nicht unbedingt, nun ja, von einem Lächeln begleitet, doch ein Kommentar, ein Lächeln oder eine andere Geste, und schon ändert sich das Verhalten.
Im benachbarten Convenience Store kaufe ich etwas Proviant ein und laufe im strömenden Regen zurück zum Hotel. Spaßeshalber den Fernseher angeschaltet – geht nicht. Auf dem Tisch steht eine Art Alexa aus chinesischer Produktion, mit der man Filme schauen und diverse Sachen nachschlagen kann. Es funktioniert unter anderem mit Sprachsteuerung – doch eine andere Option außer Chinesisch gibt es nicht. Auch das Wifi im Hotel ist dubious: Ruft man eine Seite auf, ist es erst schnell – doch plötzlich wird es so langsam, dass man einfach aufgibt. Testet man die Verbindung mit Speedtest, dann stellt man fest, dass die Verbindung sehr schnell ist – daran liegt es also nicht. Was mir noch auffällt: Ich kann plötzlich Facebook benutzen, was bis vor ein paar Jahren in China noch unmöglich war (zumindest nicht ohne VPN). Aber vielleicht hat man es ja auch nur so eingestellt, dass man nur mit ausländischen Geräten Facebook öffnen kann.