Shanghai – Riyadh – Istanbul: Teil 4 (Al-Ahsa)

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Zwei volle Tage habe ich in Saudi-Arabien. Nicht viel, das ist wohl wahr. Aber ich will das beste draus machen. Liest man sich ein bisschen in das Land rein, gibt es plötzlich viele Orte, die man unbedingt sehen möchte. Ganz oben standen bei mir schließlich, neben Riyadh und Edge of the World, versteht sich, folgende Orte:

  1. die Maraya-Konzerthalle in Al Atheeb sowie Hegra im Nordwesten des Landes – gut 1000 km von Riyadh entfernt
  2. Najran im Südwesten, nahe der jemenitischen Grenze, rund 950 km von Riyadh
  3. Al Kharkhir im Süden – mit dem Auto rund 1500 km von Riyadh
  4. Al Batha im Osten, an der Grenze zu den Emiraten – 600 km, darunter ein Straßenabschnitt, bei dem es 200 km einfach nur geradeaus geht

Wie man an den Entfernungen erkennen kann, ist das alles ziemlich unrealistisch. Sicher, ich könnte wahrscheinlich auf Biegen und Brechen mit dem Flugzeug in die Gegend von Hegra oder Najran usw. fliegen, dort übernachten und am nächsten Tag zurück. Aber die wenige Zeit, die ich habe, will ich nicht mit Flughäfenanfahrten, Wartereien und dergleichen verbringen. Nummer 3) und 4) wären auch nur interessant, wenn ich hier Auto fahren dürfte, aber das darf ich ja nun leider nicht.

Letztendlich entschied ich mich für eine Zugfahrt – allzu viele Zugverbindungen gibt es nicht von Riyadh, und die meisten gehen Richtung Osten. Dazu gehört ein Expresszug nach Dammam, einer Millionenstadt am Persischen Golf, unweit von Bahrain. Doch allzu attraktiv sieht die Stadt nicht aus, und so entscheide ich mich für einen Ort kurz vor Dammam, die Stadt Al Hofuf. Beziehungsweise die Haltestelle Al Hofuf. Erst später fiel mir auf, dass der Täter des Attentats auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt im Jahr 2024, sechs Menschen kamen dabei ums Leben, aus Al Hofuf stammte. Da es sich bei dem Attentäter aber scheinbar um einen Geisteskranken handelt, ist die Tatsache, dass er aus Hofuf (bzw. aus Saudi-Arabien) stammt sicher irrelevant, denn solche Fälle gibt es überall (angeblich hat Saudi-Arabien sogar im Voraus die deutschen Behörden vor dem Täter gewarnt). Aber ich schweife ab. (Al) Hofuf sieht auf einigen Fotos ganz nett aus, und so hatte ich mir bereits im Voraus Fahrkarten online gekauft. Das war gar nicht so einfach: Die offizielle Webseite der Saudi-Arabischen Eisenbahn SAR, tickets.sar.com.sa, liess mich nach mehreren Anläufen zwar Fahrkarten kaufen und mit Kreditkarte bezahlen, doch als ich die Fahrkarten aufrufen wollte, verlangte es plötzlich eine Bestätigung per SMS an eine saudi-arabische Telefonnummer. Und beim Einrichten des Benutzerkontos habe ich clevererweise die Telefonnummer von SAR angegeben. Bei der App geschah das Gleiche. Nach einer Weile fand ich aber einen Weg, mein Konto über meine Email-Adresse zu verifizieren, und dann konnte ich die Fahrkarten auch abrufen und im Wallet installieren.

Der kleine Fernbahnhof von Riyadh
Der kleine Fernbahnhof von Riyadh
Mit diesem schmucken Zug geht es jetzt quer durch die Wüste nach Osten
Mit diesem schmucken Zug geht es jetzt quer durch die Wüste nach Osten

Um etwas vom Tag zu haben, hatte ich einen Zug gewählt, der bereits um 7:13 abfährt. Dieser soll dann 9:34 im rund 300 Kilometer entfernten Hofuf ankommen. Die Preise variieren je nachdem, wie weit man im Voraus reserviert und wann der Zug abfährt, aber mein Zug kostete 70 Riyal, also 16 Euro.

Also stehe ich gegen 5:30 Uhr morgens auf… und frage mich, ob ich im Urlaub bin oder auf der Flucht, aber das läßt sich nunmal nicht ändern. Ich bestelle ein Uber, aber obwohl anfangs etwas von 5 Minuten dasteht, heisst es nach Auswahl des Fahrers plötzlich “20 Minuten”, doch dann würde es zu knapp werden. Ich storniere und halte ein Taxi an – und komme gegen 6:45 am Bahnhof von Riyadh an, der nur ein paar Kilometer südlich vom Hotel liegt. Das Gebäude ist eher klein, es geht sehr gemächlich zu. Die Fahrkarte auf dem Handy wird gescannt, meine Tasche auch, und dann geht es auf den Bahnsteig. Der Zug sieht ziemlich modern aus, aber da er 300 km in gut zwei Stunden zurücklegen soll, hatte ich das auch erwartet. Beim Buchen bekommt man gleich eine Fahrkarte mit, und obwohl noch mehr als 10 Minuten Zeit sind, sind schon fast alle Plätze besetzt. So auch meiner. Nanu? Ich zeige dem Okkupanten mein Handy – er sieht die Sitznummer und trollt sich wortlos von dannen. Der Zug besteht aus Großraumwagen, und hier wird erstaunlicherweise nicht nach Männlein und Weiblein, Familien und Singles unterschieden. Für ein paar Riyal mehr konnte ich meinen Platz festlegen, und ich hatte einen Platz gewählt, der einen Tisch hat – und zwei Sitze beiderseits. Und der Platz ist am Fenster, denn ich will etwas sehen. Und wenn es nichts zu sehen gibt, mein Reisetagebuch schreiben.

Auf die Minute pünktlich verläßt der Zug den Bahnhof. Dummerweise sitze ich auf der Sonnenseite und alle Leute haben die Jalousien verständlicherweise geschlossen. Ich sehe also nichts. Nun gut, dann schreibe ich eben etwas. Die anderen Leute neben und vor mir dösen derweilen vor sich hin oder schauen wie gebannt auf ihr Handy. Weit kommen wir jedoch leider nicht – der Zug hält bald im Nirgendwo und macht fast eine halbe Stunde auch keine Anstalten, weiterzufahren. Eine Durchsage in Arabisch und Englisch murmelt etwas von technischen Störungen. Gottseidank geht es dann aber weiter, und irgendwann gegen 10 Uhr, also mit rund 30 Minuten Verspätung, kommen wir auch in Hofuf an. Geschafft! Was mir im Zug auffiel: Obwohl fast alle Plätze belegt waren, war es sehr ruhig im Zug. Kaum jemand hat sich unterhalten, keiner hörte Musik usw. Vielleicht war es aber auch nur zu früh für alle.

Nein, ich poste hier nicht das gleiche Foto zwei Mal. Der Bahnhof von Hofuf ist nahezu identisch mit dem von Riyadh
Nein, ich poste hier nicht das gleiche Foto zwei Mal. Der Bahnhof von Hofuf ist nahezu identisch mit dem von Riyadh
"College of Sharia and Islamic Studies" in der Nähe des Bahnhofs
“College of Sharia and Islamic Studies” in der Nähe des Bahnhofs

Ich war der festen Überzeugung, dass der Zug aus Richtung Riyadh, also aus Südwesten, in den Bahnhof einfahren würde. Dann müsste ich nur links rausgehen, um in den Westteil der Stadt zu gelangen. Aber entweder habe ich mich einmal nach dem Umsteigen unbewusst gedreht oder der Zug ist aus der anderen Richtung eingefahren. Nach einer Weile laufen fällt mir dann aber doch auf, dass ich in die entgegengesetzte Richtung laufe. Das macht nichts – denn dort liegt das Zentrum, und da wollte ich später sowieso hin. Eigentlich hätte mir auch auffallen können, dass mir die Sonne direkt ins Gesicht scheint – was in den Morgenstunden ja nicht der Fall wäre, wenn ich gen Westen reiten würde. Nun ja. Apropos brennende Sonne: Was zieht man wohl am besten an bei der Hitze? Eigentlich hätte ich durchaus Lust, mir einen Thawb, das traditionelle, lange weiße Gewand der arabischen Männer, anzuziehen: Es sieht bequem aus, und da es weiß ist, wird es sicherlich auch nicht so warm. Letztendlich renne ich jedoch mit schwarzen Jeans und unverfänglichen, sprich bildlosen T-Shirts herum. In ganz Saudi-Arabien sehe ich Niemanden kurze Hosen oder dumme Sprüche-T-Shirts tragen, da halte ich mich lieber auch daran.

Ich mache das, was ich immer mache, und zwar laufen, laufen, laufen. Ein Blick auf das Handy verriet mir, dass der hiesige Basar, der Qaisariya Al-Ahsa Souq, um 11:30 Uhr zumacht, und zwar bis 16 Uhr – dann öffnet er wieder, und zwar bis 23 Uhr. Von 11:30 bis 16 Uhr ist also Siesta, und das ist verständlich. Den Basar will ich auf jeden Fall sehen, also spute ich mich, denn vom Bahnhof bis dahin sind es rund 4 Kilometer. Auf dem Weg dorthin komme ich an der fotogenen Ibrahim-Palast vorbei, der allerdings geschlossen hat. Er stammt wohl aus dem 16. Jahrhundert, als die Gegend noch zum Osmanischen Reich gehörte.

Modernes Einkaufszentrum in Hofuf
Modernes Einkaufszentrum in Hofuf
Die Ibrahim-Festung im Zentrum von Hofuf
Die Ibrahim-Festung im Zentrum von Hofuf

Nun aber an der Stelle ein paar Worte zu Hofuf. Die Stadt hat streng genommen weniger als 200’000 Einwohner, aber direkt an Hofuf grenzen ein paar weitere Städte – und das gehört alles zum Al-Ahsa-Gouvernat, welches wiederum die Hälfte der saudi-arabischen Eastern Province ausmacht. Al-Ahsa ist mit 410,000 Quadratkilometern mal eben größer als Deutschland und die Niederlande zusammen, doch hier leben nur rund 1,3 Millionen Menschen – und rund zwei Drittel davon leben in und um Hofuf. Das muss man sich mal vorstellen: Deutschland und die Niederlande – und fast alle leben in Hamburg. Und von Niedersachsen bis zu den Alpen wohnt quasi niemand. Das sind gewaltige Dimensionen. Zur Erklärung: Al Ahsa reicht bis weit in die gänzlich unbewohnte Rub’ al Khali- Wüste hinein, auch als “leeres Viertel” bekannt – daher das Ungleichgewicht bei der Bevölkerungsverteilung.

Wohl aus dem Grund sagte auch niemand vor Ort “Hofuf” – alle redeten stattdessen nur von Al-Ahsa. Hofuf war früher und ist eigentlich auch immer noch vor allem für die Produktion von besten Kleidern sowie von Datteln bekannt. Später wurde die Gegend vor allem durch die Ölfelder bekannt – unweit von Hofuf liegt eines der größten bekannten Ölfelder (an Land) der Welt. Davon merkt man aber in der Stadt natürlich nichts.

Das neue Basargebäude in Hofuf von außen...
Das neue Basargebäude in Hofuf von außen…
... und von innen. Hier kann schön herumstöbern
… und von innen. Hier kann man schön herumstöbern

Ich komme kurz vor 11 Uhr am Basar an – genau richtig. Das Gebäude ist nicht sehr hoch, aber flächenmäßig sehr groß. Und obwohl es neu ist, hat man hier die basartypische Struktur gut nachgebaut: Die Decke ist geschlossen, und durch das halbdunkle Bauwerk führen viele schmale Gänge durch den Basar. Beiderseits der Gänge sind jeweils kleine, weniger als 10 Quadratmeter große Läden, in denen hauptsächlich Kleidung, aber auch etwas Schmuck, Handyzubehör und einige andere Sachen verkauft werden. Es ist nicht allzu geschäftig – sicherlich deshalb, weil gleich Mittagspause ist.

Die Bauweise hat sicherlich ihre Gründe: Von Mai bis September liegen die Tagestemperaturen hier bei weit über 40 Grad. Es ist also unerträglich heiß, und das bei erbarmungslos brennender Sonne. Da braucht man Gebäude mit dicken Mauern, wenig Fenstern und Gänge, durch die der Wind ziehen kann. Jetzt im Oktober ist es erträglich – das bedeutet hier weniger als 40 Grad – aber im Inneren des Basars ist es angenehm luftig. Die Ladenbesitzer begegnen mir mit freundlichem Desinteresse – sicher falle ich hier auf, zumal ich an dem gesamten Tag in Hofuf nicht einen einzigen Touristen treffen sollte – aber es ist angenehm. Allzu viel gibt es aber im Basar nicht zu sehen – das meiste ist wirklich Kleidung, also trete ich wieder heraus. Auf der Außenseite wird es dann jedoch interessant, denn hier verkauft man Gewürze – und Duftstoffe, und zwar Weihrauch zum Beispiel, und das in großen Mengen, als ziemlich große Klumpen. Auch die passenden Räuchergefäße verkauft man, und ich überlege ganz kurz, ob ich so etwas als Souvenir mitnehmen soll – bin mir dann aber sicher, dass es nur ein weiteres Stehrumchen sein wird.

Weihrauch im Basar von Hofuf
Weihrauch im Basar von Hofuf
Bei vielen Sachen weiss man einfach nicht, was es sein könnte
Bei vielen Sachen weiss man einfach nicht, was es sein könnte

Auch Sandelholz wird in rauen Mengen verkauft – sowie diverse Pulver, von denen ich einfach nicht weiss, was es ist. Eine Sache fällt mir aber ins Auge: Säcke voller halbzerbrochener, eiergroße und rabenschwarze Kugeln. Was das wohl sein könnte? Ich frage einen Verkäufer, und finde heraus, dass dies “dried lemons” sind. Später lese ich noch ein bisschen darüber und finde heraus, dass es eigentlich Limetten sind, die einfach in der Sonne getrocknet sind, bis sie schwarz sind. Auch ein paar andere Sachen erfahre ich – zum Beispiel, dass hier extrem viel Kurkuma benutzt wird. Vorerst kaufe ich aber dennoch nichts, da ich nicht mit Einkaufstüten weiter durch die Gegend rennen will.

Ich laufe danach noch ein bisschen durch die Gegend – durch ein traditionelles, altes Wohnviertel, und hier wird es richtig interessant, denn die Bauweise ist einfach grundauf verschieden zu europäischen oder japanischen Städten. Es ist sehr eng, sehr verschachtelt, und fast so, als ob die Häuser organisch gewachsen sind. Sicher wurde hier über die Jahrhunderte mal hier was angebaut und mal da was angebaut, so dass man eine irgendwie chaotische, aber auch liebenswerte Bebauung hat. Um das zu sehen, muss man allerdings die Straßen verlassen, und hier muss ich natürlich vorsichtig sein – ich will ja hier nicht die Privatsphäre stören. Fakt ist aber, dass diese Bauweise nicht für Autoverkehr gemacht ist, und vielleicht deshalb ist man im Zentrum von Hofuf, hinter dem Basar, dabei, das ganze Viertel abzureißen. Wie das aussieht, habe ich mal in dem Video unten festgehalten.

Spaziergang durch die Altstadt von Hofuf

Etwas eigenartiges Gebäude im Zentrum von Hofuf
Etwas eigenartiges Gebäude im Zentrum von Hofuf

So, jetzt ist es schon wieder kurz nach Mittag – und langsam Zeit für ein Mahl. Das gleiche Spiel wie immer beginnt: Ich schaue hier, schaue da – kann mich aber irgendwie nicht so richtig entscheiden. Bis ich schließlich vor dem Restaurant “Nakhat Midr” stehe, das sieht irgendwie einladend aus. Später erfahre ich übrigens, dass das Restaurant auf jemenitische Küche spezialisiert ist. Ich versuche mittels Google Lens die Karte zu entziffern, aber das ist ziemlich schwierig, da oftmals einfach nur die Namen der Gerichte angezeigt werden – nicht jedoch, was drin ist. Aber aus irgendwelchen Gründen fällt mir ein Gericht namens ʿArīkah – (  عريكة  ), was wohl ein traditionelles Frühstück in Jemen und Saudi-Arabien sein soll. Der Kellner fragt, ob es das war – ich sage ja. Das Restaurant sieht etwas teurer aus, und mein Gericht kostet um die 15 Riyal, also rund 3 Euro.

Es dauert nicht lange, bis das Gericht kommt: Eine brutzelnde Pfanne, auf der ich so etwas wie Cornflakes, Cashew-Nüsse, Honig, Käse und Sesamsamen ausmache. Es sieht eigenartig aus. Dazu wird ein Plastelöffel gereicht. Nach gefühlten 5 Minuten Pustens probiere ich den ersten Bissen, und bereue meine Entscheidung, dieses Gericht bestellt zu haben, umgehend. Am Boden gibt es einen saftigen, süssen Teig, darüber findet man zerdrückte Datteln, so etwas wie Sahne und/oder Milch, Käse, und eben besagte Cornflakes (nicht sicher… sehen jedenfalls so aus) und Nüsse. Ich bereue es nicht deshalb, weil es furchtbar schmeckt – es schmeckt durchaus gut, aber es ist sehr süß, und extrem reichhaltig. Die Pfanne vor mir muss um die 10’000 Kalorien haben, und ich weiss jetzt schon, dass ich das niemals alles essen werden kann. Anmerkung: Später finde ich die Speisekarte des Restaurants, und kann dort das Gericht identifizieren. Es hat 780 Kalorien laut Speisekarte. Es ist einfach zu viel Süße – wäre es etwas Deftiges gewesen, hätte ich es wahrscheinlich geschafft…

Areika - ein sehr süßes Gericht und typisch für Jemen und den Süden Saudi-Arabiens
Areika – ein sehr süßes Gericht und typisch für Jemen und den Süden Saudi-Arabiens
Muss auch mal sein: Einfach mal ein Foto von ... nichts Besonderem. Stadtzentrum von Hofuf
Muss auch mal sein: Einfach mal ein Foto von … nichts Besonderem. Stadtzentrum von Hofuf

Letztendlich schaffe ich weniger als die Hälfte… und das ist mir etwas peinlich. Denn Die Qualität des Gerichts ist wirklich gut. Ich würde deshalb wirklich gern dem Kellner sagen: Hör zu, das schmeckt wirklich gut, aber es ist einfach zu viel für mich.

Während ich mit dem Essen kämpfe, festigt sich in meinem Kopf ein Plan, was ich in den folgenden Stunden noch tun könnte. Bis zum Zug zurück nach Riyadh hatte ich mehr als 4 Stunden, und der Gedanke, die nächsten vier Stunden weiter durch das Stadtzentrum zu laufen, gefiel mir nicht. Die Al-Qarah-Berge rund 15 Kilometer östlich des Stadtzentrums sehen interessant aus und dank Uber zeitlich auch machbar. Also bestelle ich ein Uber. Bis zur Ankunft habe ich fast 10 Minuten – also erstmal zahlen. Mit Getränk kostet das Mahl 18 Riyal, ich gebe 20 RIyal, und der Kellner beginnt nach Kleingeld zu kramen. Ich deute an, dass ich das nicht haben will, und verlasse das Restaurant.

Bevor es wieder in die Wüste geht, würde ich mir noch gern ein Wasser kaufen – aber ich sehe nichts, wo ich schnell Wasser kaufen könnte. Im Restaurant stand jedoch ein Kühlschrank hinter der Kasse am Eingang – also gehe ich wieder rein und sage, dass ich ein Wasser zum mitnehmen kaufen möchte. Das kostet 1 Riyal, doch als ich es bezahlen will, winkt nun der Kellner ab und will mein Geld nicht. Nun ja.

Interessante Felsformationen gibt es hier zuhauf
Interessante Felsformationen gibt es hier zuhauf
Kunstinstallation in den Al-Qarah-Bergen in Al-Ahsa, Saudi Arabien
Kunstinstallation in den Al-Qarah-Bergen in Al-Ahsa, Saudi Arabien

Mein Uber taucht pünktlich auf – das Auto ist etwas älter, der Fahrer relativ jung und eher von der ruhigen Sorte. Wir brausen durch die Straßen von Hofuf, Richtung Osten. Bis wir irgendwann am Ziel ankommen, und dort bin ich etwas überrascht, denn es gibt viel touristische Infrastruktur: Einen kleinen, neuen Parkplatz, zwei einladende Restaurants und ein großes, offensichtlich relativ neues Touristeninformationszentrum. Das betrete ich auch sofort und gehe zum Ticketschalter. Der Eintritt kostet 50 Riyal, also fast 12 Euro – und ich weiss noch nicht mal so richtig, was ich zu sehen bekommen werde. Ein wohlgenährter Angestellter im traditionellen Gewand kommt auf mich zu und sagt, dass ein Guide 100 Riyal kostet. Ich lehnte intuitiv ab, aber er sagt, dass ich ohne Guide nicht die Höhlen betreten könnte und auch so nicht verstehen werde, was ich da sehe.

Nun, wo er Recht hat, hat er Recht. Ich bin schließlich einen Weg gefahren, um bis hierher zu kommen. Ich willige ein – und schon ziehen wir los. Er ist übrigens ein offizieller, dort angestellter Führer. Doch was sieht man hier eigentlich? Nun, Al-Qarah ist ein rund 75 Meter hoher Tafelberg, der unter anderem aus Kalkstein besteht. In diesem Tafelberg haben sich mehrere Höhlen gebildet, aber nicht nur dass – der Berg ist auch von Rissen durchzogen, die bis zur Oberfläche gehen.

Bizarre Felsformatioen am Al-Qarah-Berg
Bizarre Felsformatioen am Al-Qarah-Berg
Die Risse im Berg sind dutzende Meter lang
Die Risse im Berg sind dutzende Meter lang

De Berg besteht nicht nur als Kalkstein – grob gesagt wechseln sich hier Sedimente aus Sand-, Kalk-, und Schluffstein sowie Mergel und Brekkzien. Diese Zusammensetzung, gepaart mit dem Klima, sorgte dafür, dass sich hier verschiedene Höhlentypen bildeten. Und diese Höhlen befinden sich, von der Umgebung aus gesehen, an der Oberfläche – da sie auf den Tafelberg begrenzt sind. Einige der Höhlen, es gibt 8 größere, entstanden durch eindringendes Wasser, andere durch Einstürze, wieder andere durch Erdbeben. Erdbeben sorgten hauptsächlich für die Entstehung von insgesamt 28, allesamt fast kerzengeraden Rissen, die insgesamt eine Länge von 1,5 Kilometern erreichen.

Die größte Höhle ist die Al-Eid-Höhle, die auch für Feste und Hochzeiten genutzt wird. Andere Höhlen sind so eng, dass man gerade so durchpasst. Einige sind durch die Risse durchweg von oben natürlich “beleuchtet”, andere führen ins Dunkle (und deshalb ist wahrscheinlich das Betreten ohne Führer verboten). Dank der Risse weht stets ein leichter Luftzug durch einige der Höhlen, und in den tieferführenden Höhlen herrscht das ganze Jahr über eine Temperatur von knapp 20 Grad – man kann sich gut vorstellen, dass die Bewohner des nahegelegenen und gleichnamigen Dorfes hier gern im Sommer ihre Lebensmittel lagerten.

Der Ort ist heute Teil der UNESCO-Welterbestätte Al-Ahsa, und er ist – faszinierend, aufgrund der Felsformationen, und der riesigen Risse und der engen Höhlen (die übrigens alle einen ebenen Boden haben). Sehr beeindruckend, und letztendlich auf jeden Fall einen Abstecher wert. So richtig scheint sich der Ort aber noch nicht rumgesprochen zu haben, denn ich bin weit und breit der Einzige Besucher hier.

Die Kunstinstallationen hier sind ebenfalls interessant und passen gut in das ganze Ensemble
Die Kunstinstallationen hier sind ebenfalls interessant und passen gut in das ganze Ensemble
Hier geht es bei den Installationen hauptsächlich um Religion und Geschichte
Hier geht es bei den Installationen hauptsächlich um Religion und Geschichte

Gegen halb drei verlasse ich – sehr zufrieden – den Ort. Nun muss ich nur noch ein Uber rufen – und beschliesse, in der Zwischenzeit einen Kaffee in einem der Restaurants zu trinken. Die Besitzer langweilen sich… und die Speisekarte sieht richtig gut aus. Hätte ich doch mal lieber hier, in aller Ruhe, Mittag gegessen. Aber das konnte man ja nicht ahnen.

Das Uber ist schneller da als gedacht – es dauert keine 10 Minuten, trotz der Abgeschiedenheit. Dieses Mal ist der Fahrer, sein Name ist Haidar, sehr kommunikativ. Und sehr witzig. Und informativ. Er will erst ein paar Sachen wissen – wo ich herkomme, was ich so mache und dergleichen. Immer wieder ruft er dabei “masha’Allah” – in etwa “Super”, oder “Wow” usw… aber er sagt es auf so schöne und witzige Weise – mir gefällt vor allem, dass er so etwas gar nicht erst versucht auf Englisch zu sagen. Er erklärt mir Einiges über die Stadt, was hier produziert wird, was gemacht wird – und er gehört zu den Menschen, bei denen mir sofort klar wird: Hier stimmt die Chemie. Am liebsten wäre ich mit ihm gleich bis Riyadh durchgefahren, aber das würde wohl etwas teuer werden. Wie bestellt lässt er mich nach einer viel zu kurzen Fahrt dort raus, wo ich hinwollte: Zur Festung Al Mubarraz, zurück im Zentrum von Hofuf.

Der Sahoud Palast im alten Zentrum von Al-Mubarraz
Der Sahoud Palast im alten Zentrum von Al-Mubarraz
Gewürzregal in einem saudi-arabischen Supermarkt
Gewürzregal in einem saudi-arabischen Supermarkt

Der Sahoud-Palast in Al-Mubarraz, nördlich von Al-Hofuf, wird scheinbar gerade restauriert, weshalb es nicht viel zu sehen gibt. Also trabe ich langsam Richtung Bahnhof, und komme unterwegs an einem sehr großen Einkaufszentrum vorbei, das da einfach so im Wüstensand steht. Da ich noch Zeit habe, gehe ich hinein, um zu sehen, ob ich hier ein paar interessante Gewürze finde. Und ich finde tatsächlich die schwarzen Limetten, in Pulverform, und noch ein paar andere Sachen. Prima – dann habe ich ja alles, was ich brauche. Nun laufe ich, beziehungsweise schleppe ich mich, zum Bahnhof – der Zug Richtung Riyadh soll kurz nach 5 Uhr abfahren. Und das macht er dann auch – pünktlich. Und nun wird es im Abteil dank einiger Kinder auch etwas lauter und abwechslungsreicher.

Wir kommen dieses Mal pünktlich auf die Minute in Riyadh an – nun ist es auch schon nach 19 Uhr, und ich habe Hunger. Dieses Mal definitiv auf was Deftiges. Also fahre ich mit der U-Bahn vom Bahnhof zum Zentrum, genauer gesagt zum Souk (Basar) Al Zal, aber von dem bin ich schnell ein bisschen enttäuscht: Ein bisschen zu modern, ein bisschen zu wenig los, und viele Geschäfte haben schon zu. Vielleicht liegt es aber auch ein bisschen daran, dass es zwei sehr schöne, aber anstrengende Tage waren.

Im Basar Al Zal gehen um 20 Uhr die Lichter aus
Im Basar Al Zal gehen um 20 Uhr die Lichter aus
Essen im Qaysariyah Book Cafe
Essen im Qaysariyah Book Cafe

In einem netten Cafe mit Außenbereich direkt zwischen dem Al Masmak-Palast und der großen Moschee lasse ich mich nieder und bestelle eine Art Crepe mit Huhn- und Käsefüllung. Das schmeckt auch richtig gut, aber ich glaube, jetzt würde einfach alles richtig gut schmecken.

Als ob ich noch nicht genug gelaufen wäre, stromere ich danach immer noch ein bisschen weiter – allein deshalb, weil es interessant ist, wie lebhaft es nun draußen geworden ist. Mittags ist niemand draußen – aber abends steppt hier der Bär.

Der Al Masmak-Palast macht auch nachts eine gute Figur
Der Al Masmak-Palast macht auch nachts eine gute Figur
Wasserturm in Riyadh
Wasserturm in Riyadh

Irgendwann steige ich erschöpft in die U-Bahn, fahre ein Station und laufe dann die letzten 1, 2 Kilometer zurück zum Hotel. Wieder mehr als 25 Kilometer gelaufen – aber auch das war ein erlebnisreicher, interessanter Tag. Noch eine Nacht – und schon geht es auch schon wieder weiter, und zwar nach Istanbul.

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