Transnistrien – Allgemeines, Reisetipps, Historisches und mehr

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Landesname

ПМР (PMR). Diese Abkürzung steht für Приднестровская Молдавская Республика (Pridnjestrovskaya Moldavskaya Respublika). Hier eher unter dem Namen Transnistrien bekannt, was man dort aber nicht gern hört: „Trans-“ bedeutete nämlich „Hinter-„, das „Pri-“ im russischen Namen hingegen „Vor-„. Viele Schreibweisen sind bekannt: Transdnjestrien, Transnestrien, Transdnistria usw. usf. Die offizielle englische Bezeichnung lautet Dniester Moldavian Republic (DMR), wird aber in der Regel Transnestria genannt. Im Wappen taucht auch die Abkürzung PMH auf – wahrscheinlich die moldawische (=rumänische) Abkürzung.

Fläche & Bevölkerung

Komischerweise gibt es selbst auf den Seiten der Regierung unterschiedliche Angaben: 3567 km² (Angabe der staatlichen Bank) und 4163 km² (Aussenministerium). Damit ist das Land ca. anderthalb Mal so gross wie das Saarland. Das ist ungefähr ein Achtel der Gesamtfläche der Republik Moldau.

Die Bevölkerung liegt bei ca. 480’000 – Tendenz stark fallend. Die Bevölkerungsdichte von ca. 135 Einwohnern pro km² ist für ex-sowjetische Verhältnisse ziemlich hoch.

Die Behauptung, die PMR sei eine Republik slawischer Minderheiten in Moldau, ist so nicht richtig – 33,8 % der Bevölkerung sind Moldauer, jeweils 28,8% sind Russen und Ukrainer. Hinzu kommen bulgarische, gagausische (siehe Comrat), jüdische und andere Minderheiten.

Religion

So nicht atheistisch, von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen christlich-orthodox.

Zeitzone

Mitteleuropäische Zeit minus eine Stunde – auch im Sommer.

Sprache

Aufgrund der drei grossen Bevölkerungsgruppen sind laut Verfassung Moldawisch, Ukrainisch und Russisch gleichberechtigte Amtssprachen. Allerdings sieht man überall fast nur Russsisch. Mit Englisch kommt man nicht weit – ein paar Wörter Russisch sind definitiv hilfreich. Allerdings sind die Leute sehr, sehr nett und werden auch über mangelnde Sprachkenntnisse locker hinwegsehen – so zumindest der erste Eindruck. Moldawisch, wenn überhaupt benutzt, wird wie zu Sowjetzeiten mit kyrillischen Buchstaben geschrieben.

Reiseinfos

Vorwort

Auf Transnistrien war ich sehr neugierig: Nach einem Besuch in der Ex-Sowjetunion 1992 und Touren in die Ukraine und nach Moldawien war ich gespannt, wie es in Transnistrien aussieht. Alles, was man hört, sind Gerüchte, und die sind meistens nicht gut. Wieviel Propaganda ist dabei? Ist es wirklich so schlimm? Alles in allem wurde es eine Zeitreise in die Vergangenheit: Vieles erinnerte an Osteuropa vor 20 Jahren. Es war alles nicht so schlimm wie vorher gehört – es sah weder besser noch schlechter aus als in Moldau, und die Leute waren mindestens genauso freundlich. Andererseits war die offensichtliche Armut erdrückend.

Achtung: Die Tatsache, dass Transnistrien in dieser Webseite als einzelnes Land aufgeführt wird, sagt nichts über die persönliche Auffassung des Status des Landes aus. Es drückt lediglich den Fakt aus, dass Transnistrien für Reisende ein de facto unabhängiges Land ist – mit Grenzkontrollen, eigener Armee, eigenem Geld usw. Man sollte darüber nicht vergessen, dass Transnistrien nachwievor de jure ein Teil Moldawiens ist.

Einschränkungen

Man darf sich frei in Transnistrien bewegen. Die alte Regelung, nachdem man sich bei einem mehr als drei Stunden dauernden Aufenthalt registrieren lassen muss, ist nicht mehr gültig. Aber: Wer über Nacht bleibt, muss sich bei OVIR und dem Miliz-Passbüro in Tiraspol registrieren lassen. Vorher nimmt einen kein Hotel auf. In einigen Gegenden, so auch in Bendery, herrschte bis 2004 noch eine nächtliche Ausgangssperre. Für strategisch wichtige Objekte (militärische und Infrastruktur-, Industrieobjekte) gilt unbedingtes Fotografierverbot. Achtung: Vor einer Fahrt nach Transnistrien unbedingt über die aktuelle Lage informieren!!! Das Land selbst ist sicher und die Leute freundlich, aber die politische Lage kann schnell kippen.

Geld

Die PMR hat eigenes Geld. Nach haarsträubender Inflation, bei der teils alte Geldscheine mit neuem Wert überdruckt wurden, hat die staatliche Bank 2000 neues Geld eingeführt – scheinbar wurde der Kurs auch freigegeben, weshalb es jetzt keine Schwarztauscher mehr gibt.

Der neue PMR-Rubel
Der neue PMR-Rubel
Die UdSSR lebt!
Die UdSSR lebt!

Die Währung heisst Rubel – was sonst. Für einen Euro bekommt man gute 10 Rubel (Stand: August 2006 – im Sommer 2004 waren es 9, die Währung ist also momentan halbwegs stabil). Es gibt Münzen zu 1, 5, 10, 25 und 50 Kopeken (man beachte die Rückseite, siehe Foto!) sowie Geldscheine im Wert von 1, 5, 10, 25, 50 und 100 Rubel.

Hinweis: Wer nur einen Tag in Transnistrien verbringt, sollte nicht mehr als 5 bis 10 Euro tauschen. Man wird das Geld nämlich nicht los. Getauscht werden können auch Moldawische Lei – Tauschbuden gibt es überall. Geldautomaten gibt es keine.

Preise

Die Preise sind sozialistisch. Teure Restaurants und Geschäfte gibt es auch kaum. Für einen Euro können zwei Personen Mittag essen – so schmeckt es dann aber auch. Transportmittel sind auch überall billig.

Anreise

Mit Bus oder Bahn. Alle Züge von Bukarest und Chişinău nach Kiew sowie die Züge von Chişinău nach Odessa fahren über Bendery und Tiraspol.

Nachtrag: Aufgrund diverser Streitigkeiten wurde der Zugverkehr wohl erstmal weitestgehend eingestellt (Sommer 2006). Es gibt viele Grenzübergänge in die Ukraine, der wichtigste jedoch liegt im Südosten bei Pervomaisc. Zahlreichen Berichten zufolge ist das Überqueren der Ukrainisch-Transnistrischen Grenze für Reisende nicht empfehlenswert da mit hohen Bestechungssummen verbunden.

Von Chişinău und Comrat fahren zahlreiche Busse. Von der Hauptstadt dauert es bis Bendery eine Stunde, bis Tiraspol knapp zwei Stunden. Die Fahrt kostet 14 Lei (1 Euro) bzw. von Bendery nach Chisinau 7 Rubel (0.8 Euro).

Unterwegs im Land

Da es nördlich von Bendery und Tiraspol keine Eisenbahn gibt, mit Bussen und Marshrutkas (Sammeltaxis). Zwischen Bendery und Tiraspol fahren auch Trolleybusse (0.7 Rubel). Vereinzelte Taxis gibt es auch.

Essen und Trinken

McDonalds und Co. gibt es hier freilich nicht. Mit Restaurants sieht es auch ziemlich schlecht aus – zumindest in Tiraspol gibt es jedoch ein paar wenige. Darunter sogar eine Pizzeria. Ansonsten findet man mit Glück ein altmodisches Selbstbedienungsrestaurant, wo man nehmen muss was es gibt (und das ist nicht unbedingt viel) und mit dem Abakus abgerechnet wird. Eine spezielle Küche gibt es natürlich nicht – russisches, ukrainisches und moldawisches Essen steht auf dem Programm. Mit Lebensmittel eindecken kann man sich in den zahlreichen zentralen Märkten. Die Preise sind natürlich sehr niedrig.

Gegessen wird, was auf den Tisch kommt!
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt!

Man produziert auch Bier – genannt Старая Крепость Staraya Krepost‘ (Alte Festung). Ist aber nicht empfehlenswert. Ansonsten werden sehr viele Getränke und auch Lebensmittel vor allem aus dem Nachbarland Ukraine exportiert. Die transnistrische Firma Kvint mit modernem Firmensitz in Tiraspol stellt sehr passablen Wein, vor allem aber Cognac her. An den unvergleichlichen armenischen Cognac kommt er zwar nicht ganz heran, aber zu verachten ist er nicht. Der Kvint-Cognac ist ein echter Exportschlager – vor allem in Russland. Während man in Transnistrien nur ca. 4 Euro für einen 10 Jahre alten Kvint bezahlt, kostet er in Moldau schon das Doppelte.

Transnistrische Topographie, Natur und Klima

Zwar ist das Land von Nord nach Süd gut 200 Kilometer lang, aber im Durchschnitt nur 20 km breit. An einer Stelle sind es gar nur vier Kilometer zwischen den beiden Aussengrenzen. Die Westgrenze, also die zur Republik Moldau, wird grösstenteils vom Fluss Nistru (Dnjestr) dargestellt. Fast das ganze Gebiet liegt östlich des Dnestr – ausgenommen das Gebiet südlich von Tiraspol sowie ein kleines Gebiet rund um die Stadt Bendery (Tighina), welches nach schweren Gefechten von Transnistrien erobert wurde.

Das Gebiet nördlich von Dubăsari ist eher hüglig, während der Süden hauptsächlich von der Dnestr-Ebene bestimmt wird, welche fast auf Meeresspiegelhöhe liegt. Dementsprechend stark ist die Gegend auch industrialisiert worden – schliesslich ist flaches Land in der Region nicht allzu häufig. Landwirtschaft wird ebenfalls betrieben – Transnistrien produziert seine Lebensmittel selbst. Allerdings ist die Region nicht sehr niederschlagsreich. So fielen die Ernten in den Jahren 2000 bis 2003 aufgrund einer langen Dürreperiode sehr schlecht aus. Wie auch im Rest der Republik Moldau wird hier viel Wein angebaut.

Transnistrische Geschichte – kurzer Überblick

Die PMR wurde erst 1990 gegründet und ist damit die jüngste, wenn auch nicht anerkannte Republik auf dem Territorium der Ex-Sowjetunion. Allerdings gab es schon vorher historisch begründete Unterschiede zur jetzigen Republik Moldau. Während Moldau 1918 von Rumänien erobert und eingegliedert wurde, verblieb das Gebiet östlich des Dnestr in sowjetischer Hand. Dieser schmale Streifen wurde zur Moldawischen Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik (MASSR) erklärt und gehörte zur Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik. Schon damals bzw. eigentlich schon immer galt, dass östlich des Dnestr die Moldawen nicht die Mehrheit stellten – im Gegensatz zum Westen, genannt Bessarabien.

Nach der Eroberung durch die Sowjetunion 1940 (mit dreijähriger Besetzung durch die Wehrmacht von 1941 bis 1944) wurden Bessarabien und Transnistrien zur neuen Moldawischen Sozialistischen Sowjetrepublik (MSSR) zusammengeschlossen. Wie in allen anderen Sowjetrepubliken auch erfolgte eine massive Russifizierung, die sich unter anderem in der Einführung der kyrillischen Schrift manifestierte. Die Probleme begannen 1989. Der Oberste Sowjet der MSSR beschloss unter anderem, die kyrillische Schrift durch die ursprüngliche, lateinische Schrift zu ersetzen. Das war historisch logisch für Bessarabien, aber nicht für Transnistrien – die dortigten Bewohner, mehrheitlich Russen und Ukrainer, verlangten nach einem Referendum und befürchteten Diskriminierung. Hinzu kam, dass die Regierung in Chişinău nicht glaubhaft versichern konnte, dass es in Zukunft keinen Zusammenschluss mit Rumänien
geben könnte.

Gebäude des Sowjets mit Denkmal des Krieges 1992
Gebäude des Sowjets mit Denkmal des Krieges 1992

1990 fanden zahlreiche Abstimmungen in Transnistrien statt – ca. 96% der Wähler (Wahlbeteiligung 79%) stimmten für die Loslösung von Moldau – darunter auch die Einwohner von Bendery. Der Oberste Moldawische Sowjet erklärte das Ergebnis für ungültig. Transnistrische Abgeordnete verliessen darauf den Sowjet. Am 2. September 1990 erklärte der transnistrische Kongress daraufhin die Gründung der Transnistrisch-Moldawischen Sowjetischen Sozialistischen Republik (TDMSSR) innerhalb der UdSSR. Später strich man das „Sowjetisch-Sozialistisch“ und nannte sich TDMR. Es gab jedoch auch Abgeordnete, die gegen die Gründung waren. Selbstredend erkannte der Oberste Sowjet Moldawiens die Republik nicht an. Tiraspol wurde zur Hauptstadt erklärt und erste Selbstverteidigungskräfte aufgebaut. Eine wichtige Rolle sollte zudem die hier stationierte 14. Russische Armee spielen.

Im November 1990 gab es den ersten Zwischenfall – protestierende Frauen besetzten Verwaltungsgebäude in Dubăsari, bei der Räumung wurden drei Menschen erschossen. Im selben Monat gab es erneut ein Referendum, bei dem fast 98% der Wähler die Gründung der TDMR bestätigten. Transnistrien bildete seine eigene Polizei und Armee; nach und nach wurden die moldawische Exekutive, zum Teil mit Gewalt, aus dem Gebiet vertrieben. 1992 spitzte sich die Lage zu und der schwelende Konflikt entwickelte sich zum Krieg. Im März erklärte Moldau den landesweiten Notzustand. Die Waffen für den Konflikt kamen von der 14. Armee, welche auf Seiten der TDMR stand. In Bendery am Westufer eskalierte die Lage – die moldawische Polizei wurde angegriffen und bat die Hauptstadt um Hilfe. Moldawische Truppen nahmen die Stadt am 20. Juni 1992 ein, doch Paramilitärs blieben. Transnistrische Truppen nahmen nach mehreren Anläufen und heftigen Gefechten die Stadt wieder ein – bis zum 26. Juni. Grund dafür war unter anderem, dass die moldawische Armee trotz Artillerie und Kampfflugzeugen es nicht schaffte, die einzige Brücke über den Dnestr zu zerstören. Auch in Dubăsari kam es zu Scharmützeln. Angaben über Opfer sind sehr unterschiedlich und reichen von 500 bis 1000 Toten.

Nach dem kurzen Krieg blieb die 14. Armee, um Stabilität zu garantieren. Mittlerweilen scheint sie jedoch weg zu sein – die grossen Kasernen der Armee in Tiraspol sind leer. Allerdings wachen noch russische Friedenstruppen über die Waffenruhe (siehe Foto). Transnistrien verabschiedete 1995 eine eigene Verfassung, die unter anderem Meinungs- und Religionsfreiheit garantiert. Der Präsident wird alle 5 Jahre neu gewählt (ist seit 1991 Igor Smirnov) und steht dem Sowjet vor. Wilde Spekulationen ranken sich um Transnistrien – zum Teil gestreut von der Republik Moldau. Transnistrien sei eine Mafiarepublik, man betreibt Menschenhandel, Wegelagerei, transnistrische Wissenschaftler arbeiten im Irak, man leistet Militärhilfe in Südossetien usw. Was auch immer daran wahr sein mag. Bis heute ist die PMR international nicht anerkannt. Die einzige Anerkennung erhält das Land nur von ebenfalls nicht anerkannten Ländern wie Abchasien (sezessionistische Republik in Georgien) oder Nagorny Karabach (von Armenien eroberte armenische Enklave in Aserbaidschan).

Die Inflation in den 1990ern brachte seltsame "Blüten" hervor
Die Inflation in den 1990ern
brachte seltsame „Blüten“ hervor

Wirtschaftlich sieht es schlimm aus – obwohl stark industrialisiert, liegt das Durchschnittseinkommen bei 30 Euro pro Monat. Die haarsträubende Inflationsrate konnte jedoch mittlerweilen gedrückt werden. Die Armut ist selbst in der Hauptstadt offensichtlich. Einige Unternehmen scheinen jedoch erfolgreich zu sein – so eine Stahlmühle, das Unternehmen Sheriff (eine Druckerei!?), welches momentan ein sehr grosses, hochmodernes Stadion für seine Fussballmannschaft baut, Kvint – ein erfolgreicher Cognac-Produzent, und andere. Das Exportvolumen von Industrieprodukten von Transnistrien ist grösser als das der Republik Moldau. Zudem gibt es Exportverträge mit ca. 50 Ländern (staatliche Angaben).

Man darf auf die Zukunft gespannt sein. Neueren Untersuchungen zufolge möchten die Bewohner nach wie vor nicht in die Republik Moldau zurück. Den Konflikt militärisch zu lösen kann sich Moldau nicht leisten. Doch ob die PMR jemals anerkannt wird… Man hofft ja immer noch auf eine Neugründung der Sowjetunion (auf den neuen Pässen der Einwohner steht zum Beispiel wieder „CCCP“), doch dass dürfte so schnell nicht der Fall sein.

Mehr zum Lesen: Interessante Links

  • www.fischka.com: Neuigkeiten aus der PMR und interessante Bildreportagen vom Kollektiv Fischka – auf Deutsch und absolut empfehlenswert.
  • bhhrg.org/CountryReport.asp: Seite der OSZE-Beobachter über Transnistrien. Vor einer Fahrt dorthin lesen!
  • www.memo.ru/hr/hotpoints/moldavia: Englischer Aufsatz über die Kämpfe in Bendery usw.
  • www.custom.tiraspol.net/eng: Englische Version der Verfassung der PMR
  • www.cbpmr.net/ger/: Deutsche (!) Webseite der Bank von Transnistrien mit einigen nützlichen Informationen
  • www.mfa-pmr.idknet.com: Deutsche Seite des Aussenministeriums. Etwas schwer zu verstehen (maschinenübersetzt!?). Englische und russische Version gibt es aber auch.
  • touropean.com: Ein sehr interessanter Bericht zweier passionierter Osteuropa-Reisenden, die sich mit dem Fahrrad durch das Land geschlagen haben und allerlei Leute getroffen haben. Deutsch
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