Tallinn

0
319

Allgemeines

Name

Der Name stammt aus dem späten Mittelalter und leitet sich vom Namen Taani Linn (Burg der Dänen) ab. Noch älter ist der deutsche Name Reval, der wiederum vom Provinznamen Rävala abstammt. Davor wiederum wurde die Burg – damals noch ohne Stadt – Lindanise bzw. in russischen Quellen Kolyvan genannt.

Lage

Lage von Tallinn
Lage von Tallinn

Tallinn befindet sich im Norden Estlands in der Provinz Põhja-Eesti (Nordestland). Die Stadt liegt an einer geschützten Bucht des Finnischen Meerbusens. Auf der anderen Seite des Meerbusens liegt Helsinki – selbiges ist nur 85 km entfernt. Die Stadt wird jedoch nicht nur im Norden von Wasser begrenzt, sondern auch im Süden – dort liegt der Ulemiste Järv (järv=See). Die Altstadt ist nur zwei, dreihundert Meter von der Küste entfernt. Die Neustadt erstreckt sich einige Kilometer Richtung Süden.

Einwohner

Tallinn ist eigentlich ziemlich klein – die Stadt hat gerade mal rd. 400,000 Einwohner. Was allerdings bedeutet, dass fast jeder dritte Este in der Hauptstadt wohnt. Da nach der Unabhängigkeit viele Nicht-Esten die Stadt verliessen, sank die Einwohnerzahl erstmal erheblich.

Stadtbild

Panorama der Altstadt I
Panorama der Altstadt I

Tallinn hat eine ganz klar definierte, eiförmige Altstadt, genannt Vanalinn, die zu weiten Teilen auch noch von einer intakten Stadtmauer sowie ein paar Parks umgeben ist. Von Nord nach Süd ist die Altstadt einen Kilometer lang, von Ost nach West an der breitesten Stelle 750 Meter. Die Altstadt selbst ist auch noch unterteilt in die grosse Burgunterstadt sowie die höher gelegene Burgstadt, genannt Toompea. Letztere beherbergt auch den Regierungssitz.

Der kleine Kopfbahnhof der Stadt, der Baltijaam, liegt nur wenige hundert Meter nordwestlich der Altstadt neben einem Park. Der grosse Fährhafen sowie ein Heliport befinden sich ebenfalls nur einen Steinwurf entfernt nördlich des Zentrums. Es gibt genau genommen zwei Häfen – der kleine Linnahallsadam (siehe unten) sowie nur etwas weiter östlich der Reisisadam, von dem die meisten Fähren gen Helsinki und Stockholm starten.

Der Bussijaam (Busbahnhof) liegt etwas abseits im Süosten der Stadt in der Str. Lastekodu. Nur zweihundert Meter entfernt befindet sich eine Strassenbahnhaltestelle. Die Linien 2 und 4 fahren von dort zur Altstadt. Fernbusse, zum Beispiel aus Riga, halten jedoch, bevor sie zum Busbahnhof fahren, im Zentrum (wird per Lautsprecher angesagt). Die Haltestelle befindet sich nahe des Theaters am Tammsaare-Park. Von dort braucht man nur über die breite Strasse zu laufen und schon ist man in der Altstadt.

Panorama der Altstadt II (Fortsetzung des Panoramas oben)
Panorama der Altstadt II (Fortsetzung des Panoramas oben)

Tallinna Lennujaam, der internationale Flughafen, ist keine 12 km von der Altstadt entfernt – mit dem Bus Nr. 2 ist man ganz schnell im Stadtzentrum. Die für Besucher interessanten Orte liegen also sehr dicht beieinander und machen die Stadt sehr leicht navigierbar.

Geschichte

Erste temporäre Siedlungen sowie eine kleine Festung wurden bereits vor dem Jahr 1000 in und um das heutige Tallinn errichtet. Ab dem 11. Jahrhundert gab es die Festung Lindanise auf dem Burghügel, heute genannt Toompea. Richtig erwähnt wurde die Stadt aber erst im Jahre 1219, als die Dänen bei Tallinn landeten und die Esten bei Lindanise besiegten. Die Dänen bauten daraufhin ihre eigene Festung auf dem Toompea, welche folgerichtig von den Esten Taani Linn (Festung der Dänen) genannt wurde.

Die Geschicke der Burg und der sich entwickelnden Stadt wurden allerdings weniger von den Esten sondern mehr von den Dänen und den Deutschen bestimmt. Ende des 13. Jahrhunderts wurde die nun Reval genannte Stadt in die Hanse aufgenommen und nahm eine wichtige Stellung im Handel der Hanse mit der Rus im Osten ein. 1346 verkauften die Dänen schliesslich Nordestland inklusive Tallinn an den Deutschen Orden. Teile der Befestigungsanlagen wurden seit jener Zeit gebaut. Dank des Handels mit dem Osten wurde die Stadt zu einem sehr bedeutenden und reichen Ort – komplett verwaltet von Deutschen. Gerade zu jener Zeit fanden viele noch heute benutzte deutsche Wörter Einzug in die Sprache. Die Blütezeit erlebte man im 15. Jahrhundert. Zu dieser Zeit wurden auch zahlreiche Kirchen gebaut. Anfang des 16. Jahrhunderts eroberte der Protestantismus nach und nach die Region.

Der Livonische (auch livländische) Krieg im 16. Jahrhundert griff auch auf Estland und Tallinn über. Letztendlich wurde die Stadt 1561 schwedisch. Kurze Zeit später versuchten die Russen zwei Mal vergeblich die Stadt zu erobern. Die Bedeutung als Handelsstadt nahm ab, dafür wurde der Ort mehr und mehr zur Festungsstadt ausgebaut. Im 17. Jahrhundert wurde die Stadt von der Pest und einer Feuersbrunst heimgesucht. Während des Nordischen Krieges Anfang des 18. Jahrhunderts ergab sich die Stadt kampflos dem Zarenreich – wohl aus heutiger Sicht ein Glücksfall, denn so blieben die Zerstörungen in Grenzen. Fortan war die Stadt Bestandteil des russischen Reiches und verlor nach und nach ihre Privilegien.

Die Industrialisierung und der Bau eines Hafens hoben jedoch die Wichtigkeit von Tallinn hervor. 1870 wurde Tallinn schliesslich durch eine Eisenbahnlinie mit St. Petersburg verbunden. Anfang des 20. Jahrhunderts erstarkte die estnische Nationalbewegung. Im Ersten Weltkrieg wurde es jedoch chaotisch – die Deutschen nahmen die Stadt 1918 ein, verloren sie aber schnell wieder. Nun begann ein erbitterter Kampf zwischen Bolschewiki und Nationalisten, den letztere für sich entschieden. Von 1918 bis 1949 war Tallinn so erstmals Hauptstadt der Republik Estland. 1940 nahm die Sowjetunion die Stadt ein, im folgenden Jahr erreichte die Wehrmacht Tallinn. Und blieb bis 1943. Danach wurde Estland wieder abhängig und Tallinn die Hauptstadt der Sozialistischen Sowjetrepublik Estland. Obwohl Tallinn von der Roten Armee während des Krieges bombardiert wurde, blieben die Kriegsschäden gering. Mehr als ein halbes Jahrhundert lang wurde Tallinn nach dem Krieg eine gesperrte Stadt, die nicht von Ausländern besucht werden durfte. 1991 wurde die Stadt erneut zur Hauptstadt der wieder unabhängigen Republik Estland. Und es hat sich viel getan seither – Spuren der kommunistischen Zeit sind kaum noch zu finden – da muss man in den Aussenbezirken schon suchen. Mehr zur Geschichte siehe auch
Geschichte Estlands.

Anreise

Zur Anreise mit sämtlichen Verkehrsmitteln siehe Anreise in Estland.

In Tallinn kommt man hervorragend mit der Tramm (Strassenbahn) voran. Es gibt 5 Linien, die auch den Bahnhof und Busbahnhof anfahren sowie das Stadtzentrum umrunden. Normale Busse gibt es natürlich auch. Fahrkarten muss man vorher kaufen und im Fahrzeug entwerten. Ein Ticket kostet 10 EEK. Wer beim Schwarzfahren erwischt wird zahlt saftige 600 EEK.

Sehenswertes

Wie auch in Vilnius und Riga ist die komplette Altstadt Tallinns, die Vanalinn, als UNESCO-Weltkulturerbe eingestuft worden. Zurecht. Dabei ist die Atmosphäre in Tallinn ganz anders als in den anderen beiden Städten. Obwohl die moderne neue Stadt mit all den Bankhochhäusern und Hotels direkt vor den Toren der Altstadt liegt, wähnt man sich im Zentrum doch im Mittelalter. Das liegt zu einem grossen Teil an den martialischen Aussenmauern und Türmen. Richtig schön zur Geltung kommen die Türme im Nordwesten der Altstadt entlang der Strasse Laboratooriumi. Sowie beim Blick vom Parlament Richtung Kiek in de Kök – nicht der einzige deutsche Name in Tallinn (Photo siehe Geschichte Estlands). Der Name bedeutet „Schau in die Küche“ – weil man von dort in die Küchen der Bewohner schauen konnte.

Mauer und Türme entlang der Laboratooriumi
Mauer und Türme entlang der Laboratooriumi

Im Südwesten der Altstadt schliesst sich ein kleiner, etwas höher gelegener Bereich an, der Toompea genannt wird. Diese separat von Mauern umgebene Burgstadt zählt zu den ältesten Bereichen Tallinns. Vom Rest der Altstadt gelangt man nur über die Pikk Jalg oder den steilen Pfad namens Lühike Jalg nach Toompea. Dieser Bereich besteht aus schmalen Gassen und Gässchen, in denen sich auch einige Botschaften niedergelassen haben. Dot findet man auch auf Anhieb die grosse Aleksander Nevski Katedraal (Übersetzung überflüssig), die so gar nicht ins Bild passt. Als Zeichen der Macht wurde der Bau 1901 vom Zaren angeordnet. Die Kathedrale steht wie eine Bedrohung vor dem Parlamentsgebäude, weshalb es auch Stimmen gab, die die Versetzung dieser typisch russischen Kirche forderten.

Die Alexander Nevski-Kathedrale
Die Alexander Nevski-Kathedrale

A propos Parlament – jenes ist in der Toompea Loss (loss = Festung) untergebracht – zusammen mit anderen Teilen der Regierung. Deshalb kommt man auch nicht rein. Die Festung nimmt die ganze Südwestecke der Burgstadt ein. Dort überragt der 50 m hohe Pikk Hermann (Langer Hermann) das Schloss und das Umland. Die Burg wurde von den Ordensrittern gebaut und ist heuer quasi der ‚Reichstag‘ von Tallinn.

Mitten in Toompea findet man auch den markanten Dom Toomkirik. Gebaut von den Dänen, ist dieses Bauwerk die älteste Kirche Tallinns. Besonders schön nicht nur in Toompea sondern in der ganzen Altstadt sind all die kleinen Gassen, die oftmals einfach zu eng sind für Autos. Und so hat man sie ganz für sich allein und kann all die netten, kleinen und oftmals bunten Häuschen bewundern. Toompea liegt im Schnitt 25 Meter über dem Rest der Altstadt. Und so hat man von der Aussichtsplattform Vaateplats im Norden sowie einem weiteren Punkt im Nordosten einen hervorragenden Blick auf Hafen, Altstadt und Meer (siehe Panorama oben). Mitten in Toompea befindet sich ausserdem noch das Eesti Kunstimuuseum. Hinzu kommen zahlreiche private Kunstläden hauptsächlich entlang der Lühike Gasse.

In den engen Gassen von Toompea
In den engen Gassen von Toompea

In der All-linn genannten Unterstadt wimmelt es nur so von Kirchen, Museen, Theatern, Klöstern, Souvenirläden usw. So ziemlich genau in der Mitte liegt der grosse Raekoja Plats (Rathausplatz) mit einigen teuren Cafés, Restaurants und dem alten Rathaus. Hinter dem Rathaus, im alten Kerker (Raevangla), befindet sich eine interessante Ausstellung zum Thema Photographien, in der es auch schöne alte Photos von Tallinn zu sehen gibt. Überhaupt Museen – davon gibt es etliche. Vom Naturkundemuseum übers Stadtmuseum, Geschichtsmuseum, Meeresmuseum bis hin zum Hygienemuseum – um nur einige zu nennen.

Blick Richtung Hafen
Blick Richtung Hafen

Auch die vielen Klooster und Kirik (Kirchen) sind schön. Nennenswert ist Oleviste Kirik (Hl. Olaf Kirche) im Norden der Altstadt. Begonnen wurde der Bau im 13. Jahrhundert. Sie wurde im 15. Jahrhundert umgebaut und erreichte damals eine Höhe von 159 (!) m – damals das höchste Bauwerk der Erde! Allerdings büsste die Kirche den Turm später durch Brand und Blitzschlag ein. Die heutige Form stammt aus dem Jahre 1840, und mit der jetzigen Höhe von 124 m ist die Kirche das höchste Gebäude von Tallinn (der Fernsehturm ist weit weg).

Es gibt auch interessante Jugendstilhäuser
Es gibt auch interessante Jugendstilhäuser

Im allgemeinen kann man jedoch auch in Tallinn sagen: Reiseführer weglegen und einfach drauflos laufen. Es gibt viel zu sehen. Häuser aus vielen Jahrhunderten. Winzige Schlippen. Eher modern anmutende Jugendstilhäuser mit witzigen Details. Betrunkene Finnen. Ach nein, das war etwas anderes. Auch nachts ist ein Streifzug durch die Gassen ein Genuss – zahlreiche Gebäude werden nachts angestrahlt. Und an Restaurants und Bars mangelt es in Tallinn wahrhaftig nicht. Die Stadt ist auf jeden Fall gut für sehr ausgedehnte Spaziergänge…

Das nächtliche Tallinn hat auch etwas...
Das nächtliche Tallinn hat auch etwas…

Man sollte aber auch getrost einmal ausserhalb der Altstadt herumlaufen. Direkt an der Nordspitze der Altstadt, unterhalb des Turms Paks Margareeta (die dicke Margareta) findet man das Estonia-Mahnmal. Dieses eindrucksvolle Monument – ein langer, gewundener, aber in der Mitte unterbrochener Bogen aus Obsidian erinnert an die geschätzten 852 Opfer des Unglücks vom 28. September 1994, bei dem die Tallinn-Stockholm Fähre binnen kurzer Zeit in der Ostsee versank.

Von dort sind es nur wenige hundert Meter weiter nördlich bis zur Linnahall (Bürgerhalle), einem grossen, hässlichen Betonklotz, dessen hinterer Teil als Heliport benutzt wird (falls man mal kein Kleingeld für die Fähre hat). Von dort fahren auch kleinere Fähren nach Helsinki.

Blick von der Bürgerhalle gen Zentrum
Blick von der Bürgerhalle gen Zentrum

Südöstlich des Zentrums, von selbigem nur durch eine breite Strasse und einen kleinen Park getrennt, liegt das moderne Zentrum der Stadt. Man braucht nur die Viru-Strasse entlanglaufen, zwei Türme links und rechts passieren und schon sieht man das 22-stöckige Hotel Viru mit grossem Einkaufszentrum, schwedischem Supermarkt und unterirdischem Busbahnhof. Das ist erst der Anfang – dahinter stehen hypermoderne Bankgebäude (und dahinter wiederum findet man das stinknormale, etwas schmutzige Tallinn) und dazwischen eine schlichte, einfache Holzkirche. Überraschenderweise eine Armenische Kirche. Nicht die Tatsache, dass es hier eine armenische Kirche gibt, ist überraschend – die Diaspora von Armenien ist schliesslich überall – sondern die Bauart der Kirche, die absolut nicht armenisch aussieht…

Armenische Kirche
Armenische Kirche

Umgebung

Rund 50 km östlich der Hauptstadt beginnt der 680 km² grosse Lahemaa Rahvuspark – ein aus Küste, Wald, Sumpf und mehr bestehender Nationalpark. Dort leben noch Schwarzstörche, Nerze und mehrere andere, in Europa sehr selten gewordene Arten.

Übernachtung

Mit richtig billiger Übernachtung sieht es nicht allzu gut aus – zumindest verglichen mit anderen Städten der Umgebung. Wer zentrumsnah und halbwegs günstig übernachten möchte, sollte sich am besten in der Uus-Strasse umsehen. Die verläuft parallel zur Altstadt an der Ostseite. Dort findet man zum Beispiel das Old Town Backpackers (Uus 14). Einzel- und Doppelzimmer gibt es nicht, nur Mehrbettzimmer. Eine Nacht kostet 225 EEK (16 Euro). Es gibt eine Gemeinschaftsküche. Rund 200 m weiter nördlich liegt das (Old Town) Hostel – ein altehrwürdiges, interessant ausgestattetes Hostel. Eine Nacht im Doppelzimmer kostet dort 325 EEK (21 Euro) pro Person. Es gibt einen Gemeinschaftsraum nebst Fernseher und eine antike Küche – die muss man gesehen haben!!! Die Angestellten sind sehr freundlich. Adresse: Uus Str. 26, Tel: +372-(0)-6411 281. E-Mail: info@oldhouse.ee, URL: www.oldhouse.ee.

Günstig essen in der Altstadt!? Selten so gelacht! Restaurants haben ihren Preis in Tallinn. Ein Ort soll hier aber anempfohlen sein: das Hell Hunt in der Pikk 39, keine 5 Minuten von der Uus St. entfernt. Ist wie ein Irish Pub ausgestattet, zieht viele Jugendliche und expats an und braut sein eigenes Bier. Das Essen dort ist auch nicht zu verachten. Für ein reichhaltiges Abendbrot mit Getränken zahlt man rund 10 Euro – ich habe dort einige Esten kennengelernt, die mir versicherten, dass dies der beste Platz in der Altstadt sei. Wer also Spass haben will und ein paar Esten kennenlernen möchte – dies ist der richtige Ort.

Man kann sich freilich auch selbst verpflegen oder ausserhalb der Altstadt essen. Dann kommt man mit 3, 4 Euro durchaus über die Runden. Aber wenn man schon mal da ist…

WWW

  • www.tallinn.ee: Offizielle und sehr umfangreiche Seite der Stadt. Mit vielen nützlichen Informationen. Auf Estnisch, Russisch und Englisch.
  • www.tallinn.info: Schöne, an Besucher der Stadt gerichtete Webseite.

LEAVE A REPLY

Please enter your comment!
Please enter your name here

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.