HokkaidoErimo - Japans windigste Ecke mit viel Meer und...

Erimo – Japans windigste Ecke mit viel Meer und Bergen

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Region 北海道 Hokkaidō
Bezirk 日高 Hidaka
Rang 3 von 5 Sternen: Durchaus sehenswert
Name Erimo – (eri) bedeutet „Kragen“, (mo) ist ein alter japanischer Damenrock. Wie bei so vielen Ortsnamen auf Hokkaido sind diese Schriftzeichen jedoch lediglich 当て字 „ateji“ – man hat also einfach Schriftzeichen mit ähnlicher Lesung ausgesucht, um den vorher bestehenden Namen mit Zeichen schreiben zu können. Die Ainu nannten den Ort „Onne enrum“. „Onne“ bedeutet „alt“ oder groß, „enrum“ bedeutet Ende oder auch Kap, aber es gibt auch die Theorie, dass „enrum“ von „Ermun“ abstammt, was Ratte bedeutet – die Felsen am Kap sehen von der Ferne aus wie ein Rattenschwanz.
Lage Erimo liegt im Südosten von Hokkaido, rund 220 km südöstlich von Sapporo, 120 km südlich von Obihiro und 190 km südwestlich von Kushiro. Die Küste von Aomori liegt rund 170 Kilometer entfernt – man braucht schon sehr gutes Wetter und ein Fernglas, um die zu sehen.
Ansehen Das Kap Erimo. Das Hidaka-Gebirge. Landschaft also.

Erimo – Beschreibung

Mit Erimo verbinden die meisten das Kap Erimo, aber Erimo ist auch der Name einer Gemeinde namens Erimo-chō. Die Gemeinde ist 284 Quadratkilometer gross und hat rund 4,400 Einwohner.

Ganz am Südende der Gemeinde liegt das Kap Erimo, und das ist zumindest älteren Japanern ein Begriff, wurde es doch in einem sehr berühmten enka (eine Art japanischer Schlager) besungen. In Hokkaido ist das Kap sehr bekannt – die meisten Besucher finden sich interessanterweise am Morgen des 1. Januar hier ein, um den ersten Sonnenaufgang des Jahres zu bestaunen.

Am Kap Erimo läuft das Hidaka-Gebirge schön sichtbar und langsam ins Meer aus – wie an einer Perlenkette aufgefädelt liegt eine Reihe von Felsen im Meer, die auf 2 km Länge in Richtung Süden immer kleiner werden. Die Felsen sind eine beliebte Brutstätte für diverse Vogelarten, aber auch für Seehunde, die sich hier gern in den Sommermonaten einfinden.

Das Kap selbst ist eher kahl und gut an dem kleinen Leuchtturm zu erkennen. Zwischen dem Parkplatz nebst obligatorischen Souvenirshop steht das halb unterirdische 風の館 kaze no yakata – das „Haus des Windes“. Dort kann man unter anderem in einem Windkanal Windgeschwindigkeiten von 90 km/h strotzen oder einen kurzen Film über das Kap nebst Seehunden sehen. Der Eintritt in das eigenwillige Windmuseum kostet 300 Yen (Kinder zahlen 200 yen) – mehr Informationen gibt es auf der offiziellen Webseite.

Kap Erimo
Kap Erimo

Die Bewohner der Gegend leben hauptsächlich von dem, was das Meer hier hergibt – das sind in erster Linie 昆布 kombu (ein essbarer Seetang), aber auch Lachs, Tintenfisch und andere Fischarten. Kombu wird in erster Linie dafür benutzt, dashi herzustellen – der in der japanischen Küche so wichtige Sud. Die meterlangen, festen, dünnen Bänder werden im Meer gezüchtet und im Sommer geerntet, woraufhin die Bänder dann an Land getrocknet werden, was man auch direkt am Kap Erimo beobachten kann. Der hier geerntete Hidaka-Kombu zählt zu den bekanntesten „Marken“ und ist in jedem gut sortierten japanischen Supermarkt in getrockneter Form zu finden.

昆布 Kombu

Getrockneter Kombu - hier Rausu-Kombu

Mit kombu als Nahrungsmittel ist zumeist laminaria japonica gemeint – der Streifentang, aber es gibt verschiedene Arten, und selbst der Begriff „kombu“ ist eigentlich ungenau, denn die Arten heissen Makombu, Rishiri-Kombu, Mitsuishikombu usw. Die Algen gedeihen nur in kälterem Wasser, so dass sie in den Subtropen und Tropen nicht vorkommen. In Japan werden pro Jahr rund 120,000 Tonnen Kombu angebaut oder geerntet – das entspricht also rund einem Kilogramm Kombu pro Person. Gemeint ist damit aber das Frischgewicht – Kombu wird in der Regel so stark getrocknet, dass nur sehr leichte und dünne Blättchen zurückbleiben. Rund 35% des Kombu wird gezüchtet – der Rest wird „eingesammelt“, wobei der natürliche Kombu fast ausschliesslich aus Hokkaido stammt.Kombu dient in erster Linie als einer der Hauptbestandteile japanischer Brühe, dem sogenannten 出汁 dashi. Historischen Aufzeichnungen zufolge begann man spätestens im 8. Jahrhundert u.Z., den Seetang als Zutat zu entdecken, aber damals war selbiger noch eine Rarität, denn Hokkaido war noch nicht erschlossen, und man wusste damals noch nicht, wie man den Kombu lange haltbar machen kann. Eintausend Jahre später war er auch in Edo, dem heutigen Tokyo, eher rar, denn das Wasser in Tokyo ist hart, sprich kalkhaltig, was der Zubereitung einer japanischen Brühe mit Kombu eher abträglich ist.

Der Riementang ist zurecht als Nahrungsmittel sehr beliebt. Er enthält viele Vitamine, Mineralien, Ballaststoffe und Proteine — allerdings auch viel Jod, und zwar bis zu 2,4 Milligramm pro Gramm getrockneten Kombus. Der in Deutschland empfohlene Tagesbedarf liegt bei 200 Mikrogramm – damit hat ein Gramm des getrockneten Kombu schon die zehnfache Menge dessen, was empfohlen wird. Menschen mit Schildkrüsenerkrankungen und dergleichen müssen dementsprechend vorsichtig sein.

Der Großteil des Kombu kommt in getrockneter Form in den Handel. Mit dem wird dann das „dashi“ hergestellt, und das Dashi-Rezept ist eigentlich ganz einfach:

  1. Man legt einen Streifen getrockneten Kombu in einen Topf mit kaltem Wasser
  2. Das Wasser wird erhitzt, ohne es zu kochen
  3. Kurz bevor das Wasser kocht, entnimmt man das Kombu
  4. Man lässt das Wasser kurz aufkochen
  5. Man giesst etwas kaltes Wasser hinzu um den Sud abzukühlen
  6. Nun gibt man katsuobushi hinzu
  7. Man erhitzt die Brühe wieder, ohne sie zu kochen
  8. Mit einem Sieb entfernt man die Lauge, die sich auf der Wasseroberfläche sammelt
  9. Wenn die katsuobushi-Flocken nach unten gesunken sind, ist die Brühe fertig – man muss sie nur noch kurz durch Küchenpapier oder Stoff filtern

Auf einen Liter Wasser benutzt man 15 Gramm getrockneten Kombu und 15 Gramm Katsuobushi-Flocken. Fertig ist die Essenz der japanischen Küche, die dann als Grundlage für alle möglichen Gerichte benutzt werden kann. Natürlich gibt es auch fertiges Dashi-Pulver, aber wie so oft liegen geschmacklich Welten dazwischen.

Kombu kommt noch in weiteren Variationen vor – sauer eingelegt zum Beispiel, oder als Süßigkeit zum Matcha. Und anbei noch ein kleiner Tipp für Sushi-Fans: Wenn man beim Reis kochen einen Schuß Sake sowie einen Streifen getrockneten Kombu mit in den Reiskocher gibt, wird die Sache gleich noch viel schmackhafter.

Das Haus des Windes am Kap Erimo
Das Haus des Windes am Kap Erimo
Der einsame Leuchtturm am Kap Erimo
Der einsame Leuchtturm am Kap Erimo

Der Hauptgrund, diesen Ort zu besuchen, ist das Ainu-Kulturmuseum, das aus einem Außen- und Innenbereich besteht. Im Außenbereich stehen etliche originalgetreu aufgebaute cise (Wohnhäuser), pu (Lagerhäuser), nusa sowie traditionelle Toiletten – und kleine Bärenzwinger. Die Käfige heissen heper-set (Heper bedeutet Bärenjunge). Für die Ainu gab beziehungsweise gibt es zwei, koexistierende Welten – die der Ainu (auch: Aynu), was einfach nur „Menschen“ bedeutet, sowie die der „Kamui“ (auch: Kamuy), die Welt der Götter. Mit einem Ritual, dem sogenannten iomante, wurden zum Beispiel die Seelen von Tieren in die Götterwelt zurückgeschickt. Ein Bärenjunges einzufangen war Tradition, und der Bär wurde für ein Jahr im Dorf gehalten, bevor er getötet und seine Seele mittels iomante zurückgeschickt wurde. Eine ausführlichere Beschreibung des Rituals und der Spiritualität der Ainu im allgemeinen findet man zum Beispiel hier (Englisch).

Die Häuser sind während der Öffnungszeit (9:00 – 16:30) geöffnet und beinhalten diverse Alltagsutensilien und Erklärungen dazu.

Im hinteren Teil des Museums, zwischen dem Freilichtmuseum und dem Staudamm, steht das Hauptgebäude des Museums, in dem allerlei Kleidung, Kunstgegenstände, Waffen und dergleichen ausgestellt sind. Der Eintritt in das Museum kostet 400 yen für Erwachsene, Kinder bis 15 zahlen 150 yen. Die offizielle Webseite des Museums befindet sich hier: www.town.biratori.hokkaido.jp/biratori/nibutani/.

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Hidaka-Gebirge 日高山脈

Das 150 Kilometer lange Hidaka-Gebirge verläuft vom Zentrum von Hokkaido bis zum Kap Erimo und bildet mit letzterem den Hidaka-Erimo-Quasinationalpark. Der höchste Gipfel ist der 2,052 m hohe 幌尻岳 Poroshiridake. Geologisch ist das Gebirge in Japan etwas Besonderes, denn hier findet man – das ist selten in Japan – sogenannte Kare – Täler, die durch die Gletscher der letzten Eiszeit geformt wurden.

Das Hidaka-Gebirge ist sehr spärlich besiedelt – im Prinzip gibt es nur eine einzige Straße, die quer durch das Gebirge verläuft – ansonsten muss man es im Süden am Kap oder im Norden umfahren. Die Gegend ist hervorragend zum Trecking geeignet, aber da zum Beispiel die zum Poroshiridake am nächsten gelegene Strasse rund 25 Kilometer Luftlinie entfernt liegt, sollte man 2-3 Tage, sprich Übernachtungen im Freien, einplanen.

Der Südteil des Hidaka-Gebirges
Der Südteil des Hidaka-Gebirges

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Anreise

Es war einmal… eine Zeit, in der man sich dem Kap bequem mit der Eisenbahn nähern konnte – der Bahnhof 様似 Samani liegt nur 35 Kilometer von Erimo entfernt war bis 2015 die Endhaltestelle der Hidaka-Linie. 2015 wurde die Strecke jedoch durch eine Springflut beschädigt. Ein paar Wochen später konnte man einen Teil der Strecke wieder eröffnen, doch kurz darauf legte ein Erdrutsch die Strecke erneut lahm. Am 1. April 2021 wurde beschlossen, die Strecke nicht wiederherzustellen und den Bahnhof zu schliessen.

Die Hidaka-Linie endet seitdem am 鵡川駅 Bahnhof Mukawa, und der liegt geschlagene 150 Kilometer von Erimo entfernt. Seitdem fahren nur noch Busse zum Kap. Wer von Sapporo anreisen möchte und kein eigenes Gefährt hat, hat es allerdings schwer: Es gibt nur eine Verbindung pro Tag, und mit der ist man über 7 Stunden mit diversen Bussen unterwegs. Immerhin fährt der letzte Bus dann von Samani bis direkt zum Kap. Von Obihiro geht es etwas schneller – man braucht von dort nur knapp 4 Stunden. Dazu fährt man erst mal nach 広尾 Hiroo, von wo dann direkt Busse bis zum Kap fahren.

Das unspektakuläre Stadtzentrum von 広尾 Hiroo auf Hokkaido, nicht zu verwechseln mit dem Diplomatenviertel Hiroo in Tokyo
Das unspektakuläre Stadtzentrum von 広尾 Hiroo auf Hokkaido, nicht zu verwechseln mit dem Diplomatenviertel Hiroo in Tokyo

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Übernachtung

In der kleinen Siedlung direkt vor dem Kap, nebst Fischereihafen, gibt es zwei kleine Ryokan (traditionelle japanische Herberge), für die man zwischen 12,000 und 17,000 Yen pro Nacht einplanen sollte. Ansonsten sind Übernachtungsmöglichkeiten in der Umgebung eher dünn gesät.

Zu allgemeinen Übernachtungstipps siehe Übernachtungstipps Japan.

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tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

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