ChubuGifuShirakawago - das Dorf der Häuser der betenden Hände

Shirakawago – das Dorf der Häuser der betenden Hände

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Region: 中部 Chūbu
Präfektur: 岐阜 Gifu

白川郷 Shirakawa-gō

5 von 5 Sternen: Absolut empfehlenswert!
Name:

Shirakawa-gō. „-gō“ bedeutet „Gemeinde“ und ist eine administrative Verwaltungseinheit in ländlichen Gebieten. „Shirakawa“ bedeutet „weißer Fluss“.

Lage:

Shirakawago ist Teil des Dorfes Shirakawa-mura und liegt in einem engen Flusstal des 庄川 Shōgawa (Fluss Shō) inmitten des 飛騨山脈 Hida-Gebirges, welches auch häufig 北アルプス Nordalpen genannt wird. Geografisch gesehen liegt das Dorf im Dreieck der Städte Kanazawa (Präfektur Ishikawa), Toyama (Präf. Toyama) und Takayama (Präf. Gifu), wobei Takayama mit 35 km am nächsten liegt.

Ansehen:

Das gesamte Dorf — sowohl von unten als auch vom Aussichtspunkt oberhalb des Dorfes

Shirakawa-gō – Beschreibung

Im Norden der Präfektur Gifu entspringt der Fluss 庄川 Shōgawa, der nach nur 115 Kilometern in der Bucht von Toyama in das Japanische Meer mündet. Der Fluss mäandert im Oberlauf durch die wilde Berglandschaft des Hida-Hochgebirges, gern auch die Japanischen Nordalpen genannt. Das Terrain ist stark zerklüftet und vom Charakter her alpin. Das Hochgebirge sowieso die Nähe zum Meer sorgt dabei für das ganze Jahr über für ergiebige Niederschläge, und das schliesst die Wintermonate mit ein, in denen pro Jahr mehrere Meter Schnee fallen.

Die Gegend entlang des Oberlaufes ist also sehr abgeschieden, und sie war bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts während der Hälfte des Jahres, von November bis Juni, nahezu unzugänglich, da die Gebirgspässe so lange zugeschneit sind. Dennoch liessen sich natürlich auch hier Menschen nieder. Trotzdem gilt das Dorf als eines der drei japansichen 秘境 hikyō – abgeschiedenen Gebieten (neben dem Iya-Tal auf Shikoku und Shiiba auf Kyushu.

Das Zentrum von Ogimachi heute
Das Zentrum von Ogimachi heute

In Japan werden drei Berge, die 三霊山 Sanreizan, als (besonders) heilig angesehen – der hinlänglich bekannte Fuji-san, der 2’702 Meter hohe Haku-san (an der Präfekturgrenze von Gifu, Fukui und Ishikawa) sowie der 3’015 Meter hohe Tateyama, der sich ebenfalls im Hida-Gebirge befindet. Um den Hakusan, wörtlich „Weißer Berg“, begann sich im 8. Jahrhundert eine Glaubensströmung zu bilden – der Hakusan-Shinkō. Anhänger dieser religiösen Strömung zogen sich dabei seitdem gern zur Askese in die Gegend um den Fluss Shō zurück. Auch 落人 Ochiudo, wörtlich „gefallene Menschen“ (geschlagene Krieger, aber durchaus auch zivile Personen, die eine schwere persönliche Niederlage einstecken mussten) zogen sich gern in diese abgelegene Gegend zurück.

Selbst im Mai sind die Berge rund um Shirakawa-go noch weiss
Selbst im Mai sind die Berge rund um Shirakawa-go noch weiss

Die Naturgegebenheiten zwangen die Talbewohner jedoch zum Umdenken, denn brauchbarer Ackerboden war knapp und auf schmale Ebenen in Flussschleifen begrenzt. Zudem konnte die traditionelle japanische Bauweise den Schneemassen nicht Herr werden. Aus der Isolation, zusammen mit der besonderen Lage, entwickelte sich so eine ganz eigene Lebensweise, die sich vom Rest des Landes deutlich abhob. Man begann, Häuser mit sehr schrägen Dächern zu bauen (damit sich nicht so viel Schnee ansammeln kann) und die oberen Geschosse dieser Häuser ebenfalls zu nutzen – und zwar zur Seidenraupenzucht. Seidenraupen benötigen Maulbeerenblätter. Die Bäume wurden in den Bergen gepflanzt, die Blätter vor dem Schnee geerntet, in den oberen Etagen getrocknet und dann zur Seidenraupenzucht benutzt. Die Seide konnte dann in den Wintermonaten, in denen keine Landwirtschaft betrieben werden konnte, weiterverarbeitet.

Diese besondere Architektur der Häuser, die man so nirgendwo anders in Japan findet, wird 合掌造り gasshō-zukuri genannt – wörtlich „Betende Hände-Struktur“, denn die Form der Häuser, so man vor ihnen steht, erinnert an eben solche.

Im Dorfzentrum von Shirakawago
Im Dorfzentrum von Shirakawago

Neun der Häuser in Shirakawago gelten heute als wichtiges Kulturgut in Japan, und man hat weder Kosten noch Mühe gescheut, dieses Kulturgut zu schützen. So gibt es im Ort ein ausgeklügeltes Brandschutzsystem mit im Boden versteckten Wasserwerfern, die im Falle eines Brandes sofort aktiv werden.

Im Januar und Februar werden die Häuser nachts angestrahlt. Das ist so beeindruckend – und so beliebt bei Besuchern, dass man seit 2019 eine Voranmeldung braucht, um dem Spektakel beiwohnen zu können. A propos Besucher: Im Ort Shirakawago leben rund 1’600 Einwohner, und die werden alljährlich von rund 1,8 Millionen Besucher „heimgesucht“, von denen allerdings nur rund 35’000 im Ort übernachten – der Großteil macht nur einen Tagesausflug.

Wer den Ort besucht, sollte unbedingt an der – natürlich gut besuchten – 荻町城跡 Ogimachi-Jōseki (Ogimachi-Burgruine) Station machen, denn von hier hat man einen hervorragenden Blick auf den Talkessel nebst Fluss, Reisfeldern und dem gesamten Dorf. Dort gibt es auch Informationstafel, damit man sehen kann, welche Häuser am wichtigsten sind. Danach heisst es einfach, den Ort zu Fuss zu erkunden – dafür braucht man nicht weniger als eine Stunde, es sei denn, man schaut sich alle Geschäfte einzeln an, die sich vor allem entlang der Shirakawa-Gaidō genannten Hauptstrasse versammeln.

Von besonderem Interesse sind das 和田家 Wada-Haus, in seiner jetzigen Form gebaut vor rund 300 Jahren, das 神田家 Kanda-Haus, das 250 Jahre alte 長瀬家 Nagaseke, einst eine Arztpraxis und ein paar weitere. Diese Häuser können auch innerhalb der Öffnungszeiten betreten werden.

Blick auf das Dorf von oben

Anreise

Erst seit 2008 ist es relativ einfach, den Ort zu erreichen – bis dahin war Shirakawa fast 6 Monate im Jahr aufgrund der Schneemassen quasi von der Aussenwelt abgeschnitten. Seit 2008 ist die Autobahn 東海北陸自動車道 Tokai-Hokuriku Jidosha-do fertig und verbindet den Ort mit Toyama im Norden und Ichinomiya, unweit von Nagoya, im Süden. Eine Eisenbahnverbindung besteht nicht. Die Autobahnabfahrt 白川郷 I.C. liegt weniger als einen Kilometer entfernt vom Dorfkern. Des weiteren verläuft die Staatsstrasse 360 von Ost nach West den Ort, doch diese Strasse überquert zwei Pässe, und diese sind von Mitte November bis Anfang Juni, also die Hälfte des Jahres, wegen Schnee gesperrt.

Übernachtung

Man kann im Dorf übernachten, aber die Übernachtungsmöglichkeiten sind sehr begrenzt. Etwas abseits, im Ort 飛騨古川 Hida-Furukawa, liegt das 吉城の郷 Yoshiki-no-sato, ein wunderschönes, altes Anwesen, in dem man auch übernachten kann. Die Unterkunft kann man unter anderem auch über Airbnb buchen – siehe hier. Sehr empfehlenswert für Familien oder kleinere Gruppen bis sechs Leuten.

Yoshikinosato in Hida-Furukawa
Yoshikinosato in Hida-Furukawa

Zu allgemeinen Übernachtungstipps siehe Übernachtungstipps Japan.

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

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