BlogVorgeschmack auf Japan in 20 Jahren

Vorgeschmack auf Japan in 20 Jahren

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Allzu viel passiert momentan nicht. Es schüttet seit gestern wie aus Eimern, aber das darf es auch – schliesslich hat gerade die Regenzeit begonnen. Softbank, seit kurzem die Nr. 1 auf dem japanischen Mobilfunkmarkt, hat einen bahnbrechenden, neuen Roboter vorgestellt, der angeblich auf die Gefühlslage seines Gegenübers eingehen kann. Und das leitet auch schon wunderbar über auf das nächste Thema – eine potentielle Zielgruppe des gefühlsduseligen Roboters. Gemeint ist eine Schlagzeile in der Online-Ausgabe der Japan Times vom heutigen Tage: Mehr als 250 Demenzkranke gelten in Japan als vermisst¹. Die japanische Polizei veröffentlichte demnach Zahlen, dass 2012 knapp 10’000 Demenzkranke als vermisst gemeldet wurden, und im Jahr 2013 mehr als 10’000, beziehungsweise gute 700 Menschen mehr als im Vorjahr. Zwei Drittel der als vermisst Geltenden wurden dabei am gleichen Tag gefunden; ein knappes Drittel hingegen nach 2 bis 7 Tagen. Und: Ein Drittel wurden von Familienangehörigen gefunden, der Rest von der Polizei. Bei 32 Personen dauerte es über zwei Jahre, bis sie gefunden wurden. Paranoide Anmerkung: Wenn sich Demenzkranke 2 Jahre lang einer Suche entziehen können, wie leicht ist es dann für Verbrecher?
Die Zahlen halte ich für alarmierend, denn sie sind erst ein Vorgeschmack dessen, was auf die rapide alternde japanische Gesellschaft hinzukommt. Auch wir haben in den vergangenen Jahren 3 Mal Demenzkranke „gefunden“ – zwei Mal in der Nachbarschaft, weshalb andere Leute, die diese bereits kannten, sie übernahmen, und in einem Fall etwas weiter entfernt, wobei wir in letzterem Fall die verirrte Frau bei der Polizeistation abliefern mussten, da sie nicht aus der Gegend zu stammen schien. Dieses Phänomen dürfte jedenfalls in den nächsten zwei, drei Jahrzehnten stark zunehmen, und man darf darauf gespannt sein, wie Gesellschaft und Politik darauf reagieren werden. Immerhin gilt zu bedenken, dass es auch zahlreiche Demenzkranke gibt, die keine unmittelbaren Angehörigen mehr haben – und dementsprechend nicht als vermisst gemeldet werden.
¹ Siehe hier: More than 250 people with dementia missing in Japan

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tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

2 Kommentare

  1. Habe nicht gewusst dass Softbank auch an Roboter Arbeitet :) Hoffentlich bleibt das Teil nicht wie die Handys nur in Japan, sondern wird auch mal ne andere Sprache Sprechen :)

  2. Ach was, das ist doch alles nicht so schlimm…
    Glaubt man dem (desillusionierten?) Gouverneur von Kanagawa, dann lässt sich das Problem mit der überalternden japanischen Gesellschaft doch durch neue Technologien lösen (s. http://blogs.wsj.com/japanrealtime/2014/06/05/aging-inc-japan-sees-growth-in-cures/)! Wer diese Technologien allerdings entwickeln soll, geschweige denn die entstandenen Produkte langfristig produzieren, installieren und warten soll … daran hat man glaube ich in Kanagawa noch nicht gedacht.
    Kleiner Hoffnungsschimmer sind dann mitdenkende Leute wie Hidenori Sakanaka, der frühere (ein Schelm wer dabei böses denkt) Direktor der Einwanderungsbehörde in Tokio (s. http://www.eastasiaforum.org/2014/06/05/can-immigration-reform-really-save-japan/). Nur solange im niemand zuhört, jedenfalls niemand in den Reihen, die in Japan tatsächlich etwas bewegen können, wird sich wohl nichts ändern.

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