BlogVerdrehtes Parlament

Verdrehtes Parlament

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Heute war es mal wieder soweit – Haushaltsdebatte im Parlament. In beiden Häusern (Ober- und Unterhaus) und mit Debatten zwischen Vertretern beider Häuser. Der zweite Haushaltsentwurf sollte heute durch das Parlament gebracht werden – in einer Marathonsitzung. Die Zeit reichte aber trotzdem nicht, der Spass geht morgen weiter.
Woran hapert es? Am störrischen Aso, der um Teufel komm raus das Verteilen von Geld an alle durchsetzen will – obwohl alle anderen Parteien und selbst ein Grossteil der Bevölkerung dagegen sind (siehe hier). Ob er nicht endlich von der Idee abrücken möchte, wurde er heute im Parlament wieder gefragt, und die Antwort war ein klares Nö.
Des weiteren geht es um die Anhebung der Mehrwertsteuer – geht es nach dem Willen der Liberalen, soll die nämlich 2011 erhöht werden. Gerüchteweise um 5%, also eine Verdoppelung der jetzigen Mehrwertsteuer. Auch hier sind (vernünftigerweise) viele dagegen: Dies ist nicht die Zeit, eine Verdoppelung der Mehrwertsteuer zu beschliessen. Wer weiss schliesslich, wie die Wirtschaft in zwei Jahren aussieht.
Dann hapert es auch an der Opposition: Die ist mal dagegen, um dagegen zu sein. Mal auch, um Zeit zu schinden. Konstruktiv verhält man sich jedenfalls nicht.
So langsam beginne ich mich zu fragen, was eine grosse Koalition in Japan bringen würde. Wesentlich schlimmer als jetzt kann es jedenfalls nicht werden.
Das Wort des Tages: ねじれ国会 – nejire kokkai – in etwa: Verdrehtes Parlament. Beschreibt die Situation, in der eine Partei das Oberhaus und eine andere das Unterhaus im Griff hat. Da die meisten Entscheidungen beide Kammern passieren müssen, führt diese Situation oft zum politischen Stillstand. Es sollte angemerkt werden, dass das Unterhaus etwas „stärker“ ist – es kann letztendlich auch gegen den Willen des Oberhauses Gesetze durchbringen.
Ein „verdrehtes Parlament“ gab es bisher drei Mal in Japan: 1989, 1997 und jetzt seit 2007.

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Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

5 Kommentare

  1. Naja, ich glaube viel schlimmer als der deutsche Förderalismus kann es eigentlich nicht mehr werden. Das gegenseitige blockieren von zwei für die Gesetzgebung wichtigen Instrumentarien kennt man hierzulande auch zu genüge. Ein, wie soll man es nennen „gerades Parlament“ (?), gab es in den letzten 30 Jahren in der BRD glaube ich auch nur zwei Mal (man kann mich gern korrigieren). Jedenfalls blockiert der Bundesrat gern den Bundestag und umgekehrt.

    Nimmt man dann auch noch zur Kenntnis, dass die Regierung zumeist von zwei Parteien gebildet wird, muss hier auch immer erst einmal ein Kompromiss gefunden werden. Das macht die Beschleunigung in der Gesetzgebung auch nicht gerade schneller.

    Die Damen und Herren Politiker sollten sich Gedanken machen, was wichtig ist und nicht wie man politisch am besten aussieht. Dann klappts vielleicht auch mit einer ordentlichen Geschwindigkeit sinnvoller Gesetzgebung.

  2. Letztendlich werden aber bei uns oft brauchbare Kompromisse ausgehandelt. Okay, brauchbar, mal mehr, mal weniger.

    Dagegen, um dagegen zu sein, also ohne Sinn und Verstand, sondern um der Regierung einfach nur eines auszuwischen, ist eigentlich ein absoluter Demokratie-Killer, meiner Meinung nach. Sinnlos Nein sagen kann jeder, dazu braucht man keine Vertreter, die das für einen tun.

  3. Na dann hoffen wir mal dass das Schweizer Volk zum bevorstehenden Referendum betr. Personenfreizügigkeit klug entscheidet. Die Rabenkampagne scheint jedenfalls zu wirken.

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