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Pleitewelle

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War heute abend auf dem Gründungstreffen einer Gruppe von Leuten, die zwei Sachen miteinander gemeinsam haben: IT und Unternehmertun. Es sind einige sehr interessante Leute in Sachen Web 2.0, IT-Firmen, Programmierung usw. dabeigewesen. Die Gruppe wurde von jemanden gegründet, der jahrelang bei einer weltweit operierenden Recruiting/Headhunting-Firma arbeitete (die haben allerdings keine Niederlassung in Deutschland, soweit ich weiss).
Die Versammlung (ca. 15 Leute) begann auch gleich mit einer netten Rede des Organisators: „Ich bin übrigens seit ca. anderthalb Stunden arbeitslos“. Aha. Es waren etliche Leute mehr dabei, die vor relativ kurzer Zeit ihren Job verloren (z.B. bei Investmentbanken). Genaue, objektive Daten kann ich noch nicht vorlegen, aber subjektiv betrachtet ist es enorm, was hier momentan alles den Bach heruntergeht. Auch mehr als auffällig sind die zahlreichen „テナント募集中“ (Mieter gesucht)-Schilder in leeren Bürofenstern.
Wenigstens hat der Nikkei-Index sich seit einigen Tagen ziemlich erholt, aber nach Licht am Ende des Tunnels sieht es momentan noch nicht aus. Dass die Recruiting-Firmen am meisten leiden, ist freilich klar: Vorher gab es viele Jobs und wenige qualifizierte Bewerber – jetzt ist es genau andersrum. Nun ja, das soll unser gesundes Selbstvertrauen jetzt nicht weiter belasten…
Das Wort des Tages: 破綻 hatan. Bankrott. Zusammenfall. Noch rechnet man mit einem negativen Wachstum von 3 bis 4 Prozent für 2009 (in Deutschland wohl 6 Prozent). Ob diese Prognose stimmt, werden wir bald sehen.

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

4 Kommentare

  1. „Vorher gab es viele Jobs und wenige qualifizierte Bewerber – jetzt ist es genau andersrum. Nun ja, das soll unser gesundes Selbstvertrauen jetzt nicht weiter belasten…“

    Na hoffentlich ändert sich das ein wenig bis ich für ein paar Monate nach Japan möchte. Ansonsten müsste ich das vielleicht doch auf ein Auslandssemester legen. Allerdings wurde mir von einer Japanerin von einem Studium in Japan abgeraten – nicht wegen der Kosten, sondern weil das Studium allgemein nicht so gut sein soll (ob das auch für IT-Studiengänge gilt, konnte sie aber nicht sagen).

    Waren die Unternehmer denn dann auch alle selbst IT’ler oder hatte es ein paar von den BWL’ler dabei (Sie sprachen von „einige[n] […] Leute[n]“? Ich hasse es absolut, wenn ein BWL-Student in eine Firma kommt, obwohl er von den Produkten keine Ahnung hat, und plötzlich meint, alles verbessern zu müssen. Dabei kommt selten was Ordentliches heraus.

    Ich bin der Ansicht, ein Unternehmer muss mit seiner Firma wachsen und kann nicht einfach so einsteigen, ohne sich damit auszukennen.

    Jetzt bin ich ein wenig vom eigentlichen Thema abgekommen.

  2. Wenn man sich die Wirtschaftszahlen anschaut, frage ich mich, ob hier überhaupt noch jemand arbeitet. Mich beschleicht ein wenig der Verdacht, dass die gegenwärtige Situation genutzt wird, um in sämtlichen Bereichen ordentlich aufzuräumen.

    Die Banken können ihren ganzen Schrott loswerden, ohne irgendwie abgestraft zu werden. In der Industrie können die Produktionsabläufe neu gestaltet werden, ohne dass dies unbedingt mit irgendeiner Krise zu tun haben muss.
    Scheinbar hat einzig der Handel bislang noch nicht die richtige Lücke zum Aufräumen gefunden.

    Monatelang wurde weltweit rumspekuliert und irgendwann kommt es eben raus, dass so einiges nicht so funktioniert, wie man es den Leuten weis gemacht hatte.

    Leute mit innovativen Ideen werden aber immer einen Weg finden, ihr know how an den man zu bringen. Da wird mir um die Existenzgründer nicht bange.

    @ Stefan:
    Ich glaube in allen Bereichen ist es so, dass Theorie und Praxis zwei verschiedene Paar Schuh sind. Was man so nettes alles während einer Ausbildung lernt und was man dann in der Praxis dann tatsächlich anwendet ist teilweise nicht mal deckungsgleich. Und mancher BWL’er muss erst mal gegen eine Wand laufen, um zu merken, dass zur Weltverbesserung ein Studium nicht ausreicht.

  3. Wie sieht denn so die allgemeine Wirtschaftslage aus in Japan? Wie hoch ist die Arbeitslosenquote? Gibt es regionale Unterschiede, bzw.Regionen die von der Krise härter betroffen sind als andere oder schon vorher mit einer höheren Arbeitslosigkeit zu kämpfen hatten?
    wie sieht es mit den Lebenskosten aus? Ist auch eine sinkende Inflation festzustellen oder gar eine Deflation? Der Yen ist ja immer noch sehr hoch, wenn er auch langsam nach unten kommt.
    Bei den Hotelpreisen stelle ich leider noch keinen Preisverfall fest, man sollte doch meinen das die gekürzten Spesenkonten ihre Spuren hinterlassen. Aber wie heisst es so schön, das Leben ist kein Rosengarten. Heydal

  4. @Stefan
    Dass Dir eine Japanerin vom Studium in Japan abgeraten hat, kann ich im gewissen Sinne verstehen, aber das sollte Dich nicht davon abhalten. Allerdings ist Uni hier nicht gleich Uni, Du solltest also, so Du wählen kannst, aufmerksam bei der Wahl sein.
    Übrigens trifft es momentan ziemlich viele Berufsgruppen: Auch BWL’er, denn wenn die Firma pleite ist, müssen eben alle gehen.

    @Terry
    Da ist was dran. Auch hier nutzen etliche Firmen die Zeit, um (erneut) zu restruktuieren und Leute zu entlassen. Um teilweise neue Leute zu echten Spottlöhnen einzustellen. Kenne da ein paar gute, sehr abschreckende Beispiele aus dem Bekanntenkreis. Vor allem wundern mich Firmen, die „zum ersten Mal seit 60 Jahren“ in einem Quartal rote Zahlen schrieben – und sofort reihenweise Leute entlassen. Wie jetzt, 60 Jahre Profit gemacht aber angeblich nach einem schlechten Quartal auf dem letzten Loch pfeifen? Sehr eigenartig…

    @Heydal
    Offizielle Arbeitslosenzahlen gibt es momentan noch nicht, aber die Zahl der Entlassenen (zumeist Zeitarbeiter) geht in die Hunderttausende. Betroffen sind vor allem Regionen mit viel verarbeitendem Gewerbe, so zum Beispiel die Präfektur Shizuoka und das benachbarte Aichi (Nagoya). Aber auch anderswo merkt man den Sog. Die Lebenskosten steigen kaum noch, allerdings ist das teilweise auch auf die erheblich gesunkenen Spritpreise zurückzuführen. Kneipen usw. locken derweilen mit „不景気対策“ – Angeboten (Wirtschaftsflauten-Gegenmassnahmen) – sprich man kann mehr trinken für’s gleiche Geld.
    In der Deflation steckt man noch nicht, aber man steht kurz davor.

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