BlogLeichen im Keller

Leichen im Keller

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Es ist Wahlkampf – ganz eindeutig. Einhergehend damit zahlreiche neue Ideen von Politikern. Die DPJ (Demokraten) haben nun versprochen, dass sie, so sie die Wahl gewinnen werden (wonach es momentan zumindest aussieht) zahlreiche Dokumente über diverse Geheimabkommen mit den USA freigeben werden.
Ein interessanter Zug, den ich mit Spannung erwarte. Welche Leichen verbergen sich da wohl in den Kellern der japanischen Aussenpolitik? Etliche Gerüchte sind bereits seit langer Zeit im Umlauf, doch es macht schon einen Unterschied, ob es sich um Gerüchte handelt oder offiziell zugegeben wird. Kostprobe gefällig?
1. Gerüchten zufolge floss eine nicht unerhebliche Geldsumme von Japan in die USA bei der Rückgabe von Okinawa an Tokyo (Okinawa wurde von den USA gegen Ende des 2. Weltkrieges besetzt und bis 1972 verwaltet.
Die offizielle Lesart war und ist, dass Okinawa als Zeichen guten Willens und guter Partnerschaft an Japan zurückgegeben wurde – wobei jedoch nachwievor rund 20% des Territoriums von den USA als Militärbasis gehalten werden.
2. Ist schon sehr viel brisanter. Japan verfolgt seit Ende des 2. Weltkrieges eine „Gebranntes Kind scheut das Feuer“-Politik, auf die es immer wieder pocht: Diese stützt sich auf drei Grundsatzprinzipien, nach denen Japan die Herstellung, den Besitz sowie die Lagerung von Atomwaffen generell ablehnt. In Wirklichkeit jedoch sollen durchaus Atomwaffen im Land gewesen sein – und sei es nur an Bord von Flugzeugen auf Durchflug. Dies soll vor allem während des Koreakrieges der Fall gewesen sein.
Beide Gerüchte wurden bereits von ranghohen Diplomaten Japans und der USA bestätigt, doch die offizielle Bestätigung gab es nie. Stattdessen gab es von der Regierung in Auftrag gegebene Untersuchungen, mit denen festgestellt werden sollte, ob es solche Geheimdokumente wirklich gibt. Ergebnis: Gibt’s nicht, fertig. Gutgläubig wie wir ja alle sind, wollen wir natürlich alle diesem Ergebnis vertrauen…
Es gibt freilich auch Stimmen, die davor warnen, dass die Bekanntmachung solcher Dokumente – so wirklich vorhanden – das Verhältnis zwischen Japan und den USA stark beeinträchtigen könnte. Diese Bedenken sind freilich berechtigt. Aber warten wir es ab – mehr dazu auf diesem Kanal, nach dem 30. August.
Das Wort des Tages: maruhi maruhi. maru ist „rund“, „hi“ bedeutet Geheimnis. Maruhi ist ein runder Kreis mit dem Schriftzeichen „Geheim“ in der Mitte und ist so oft auf entsprechenden Dokumenten zu finden.

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

13 Kommentare

  1. Schade, mein Anthy kann maruhi anscheinend nicht in dein Symbol verwandeln :(

    Wäre es denn so schlecht, wenn das gute Verhältnis zu den USA ein bisschen geschwächt würde? Manchmal will man doch gar nicht so viel mit den USA zu tun haben.

    Ist auf jeden Fall immer wieder spannend zu beobachten, was für Dokumente von welchen Personen unter Verschluss gehalten werden. Wenn ich mich recht erinnere, sollten hier vor einem Jahr oder so Dokumente zur RAF offengelegt werden. Das wurde dann aber vom Innenministerium verhindert.

    Da ist ja eine – wenn auch nicht die beste – Quelle:

    http://www.monstersandcritics.de/artikel/200801/article_51810.php/Politiker-fordern-Offenlegung-der-Akten-im-Fall-Buback

  2. @Stefan
    Das „Maruhi“ ist ein systemabhängiges Symbol… musste es letztendlich auch als GIF einbinden, da es sonst in den meisten Browsern nicht angezeigt wird.

    Danke auch für den Link. RAF-Dokumente wären natürlich auch sehr interessant. Gerade über den Vorfall in Bad Kleinen 1993 ranken sich ja zahlreiche Gerüchte (siehe bzw. höre Wizo: Kopfschuss).

  3. Wenn das Verhaeltnis zu den USA geschwaecht wird, werden sich die Japaner zwangslaeufig eine deutlich effizientere Landesverteidigung anschaffen muessen. Mal sehen, wie lange das dann ohne Atomwaffen klappt…..

  4. @Coolio
    Technisch gesehen sind Atomwaffen für Japan nur eine Wochenendhausaufgaben Fingerübung.
    Alles an Wissen und Material ist vorhanden.

    Aber Atomwaffen braucht Japan garnicht.. nur einen nuklearbetriebenden GUNDAM ;-)

  5. Dem schließe ich mich an. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Japan nicht wüsste, wie man denn eine Atombombe baut und wie schnell man an die nötige Technik gelangt (wenn man diese nicht schon hat).

    Geheimakten sind natürlich immer eine feine Sache. Für viele Interessant, weil ja geheim und Geheimnisse will man ja schliesslich gerne wissen. Ich frage mich aber, ob durch diese Offenlegung tatsächlich das Verhältnis zur USA verschlechtert wird oder vielmehr die seinerzeit Regierenden viel stärker ein Problem haben werden.

    Ansonsten bin ich weiterhin gespannt, was von den Wahlversprechen übrig bleiben wird.

  6. @ Coolio

    Oh ja, Japan ist ja auch von Feinden umzingelt, die nur darauf warten, daß sich Japans Verhältnis zu den USA verschlechtert, um endlich einmarschieren zu können.
    Und selbstverständlich würde sich keine Regierung auf der Welt darum scheren, wenn Japan von, äh, ja wem eigentlich, angegriffen würde.
    Atomwaffen haben die Welt nicht sicherer gemacht – das Gegenteil ist der Fall.

  7. @SwENSkE: Auf die Schnelle fällt mir da nur Nordkorea als dubioses Land in der Nähe Japans ein. Da gibt es aber aus verschiedenen Gründen für die versch. Seiten jeweils Gründe, den Krieg lieber zu lassen. Ich glaube tabibito hatte das einmal genauer ausgeführt und vor 2-3 Monaten auch mein Politik-Lehrer.

    Und dann noch ein paar Gedanken von mir. Vielleicht nicht ganz sauber durchdacht, es ist schon recht spät hier:

    Jede Waffe macht die Welt unsicherer, da gebe ich dir recht. Gäbe es keine Pistolen, dann könnte man auch nicht von Bekannten oder Unbekannten erschossen werden. Mal für den Extremfall gesehen: Gäbe es überhaupt keine Waffen (auch keine Nahkampfwaffen), dann bliebe nur der eigene Körper. Den kann man zwar sehr gut trainieren, aber bei den meisten Leuten würde es da auch bei schwereren Auseinandersetzungen eher bei Nasenbrüchen bleiben.

    Nur kamen irgendwann die Waffen auf. Und dann wurden sie für die Schutzmacht legitimiert (entweder weil der Böse sie ja auch hatte oder weil man einen Vorteil gegenüber denen haben wollte; ich weiß nicht, wer zuerst Waffen benutzte). Und ebenso wie das für die Polizei legimiert wurde, wurde das auch für den Krieg legimiert. Wenn man das weiter treiben würde, dann würde irgendwann jeder mit einem Gift in der Hand rumrennen, das ganze Meere vergiften kann (aber vielleicht gibt es das auch schon).

  8. Interessantes Thema. Sicherlich kommt dann auch heraus, dass die USA nach dem 2. Weltkrieg 100 der 1945 Kanjis kekanjinappt hatten, um mit einer Auslösesumme von 10.000.000 Yen pro Zeichen die Reparationszahlung sicherzustellen. Das waren dann auch so Kanjis, die einem dann gefehlt hätten, wenn man einen Kriegsbefehl rausgeben wollte und so… ;-)

  9. Nachdem ich hier schon öfter über den Wahlkampf gelesen hatte, war ich nun doch etwas überrascht, plötzlich Aso’s Gesicht im Fernsehen zu erblicken, wie er Werbung für seine Partei macht. Denn bisher hab ich sonst nicht viel über zum Wahlkampf hier gesehen, oder es ist mir noch nicht aufgefallen. Deutschland dagegen ist im Wahlkampf ja geradezu zugepflastert mit Plakaten und Gedöns.

  10. @Sarganto
    Ehhh? keine Lautsprecherwagen die durch deine Wohngegend gondeln? Oder pamhlete der „Happiness party“ im Briefkasten?
    Ich habe hier in der Zetung letztens die Liste gesehen und war erschrocken wieviele Kandidaten die zu haben scheinen.

  11. @ Coolio

    Nein, Du hast weder das eine noch das andere behauptet. Allerdings impliziert Dein Posting genau das, was ich ironisch auf’s Korn genommen habe, denn Du behauptest Japan käme um ‚eine effizientere Landesverteidigung‘ nicht herum, sollte sich die Beziehung zu den USA verschlechtern. Das impliziert, daß außer den USA Japan im Kriegsfalle niemand zu Hilfe käme und natürlich auch, daß Japan direkt bedroht ist, denn ohne eine solche direkte Bedrohung machen Atomwaffen keinen Sinn (nicht mal eine ‚effizientere Landesverteidigung‘).
    Atomwaffen sind reine Abschreckungswaffen – greif‘ mich an und ich radiere Dein Land aus. Zu nichts sonst sind sie gut. Wen aber sollte Japan denn abschrecken? China oder Nordkorea? Weshalb sollten die Japan angreifen?
    Und noch was – wenn man sich selbst als ‚besser Informierten‘ bezeichnet gegenüber jemand, den man überhaupt nicht kennt, macht man sich bestenfalls lächerlich. Speziell wenn man das österreichische Bundesministerium für Landesverteidigung als ‚verlässliche Quelle‘ nennt.

  12. @Michael
    Also ausser ein paar Plakaten, die mir inzwischen an einigen Häuserwänden aufgefallen sind, hab ich bisher noch keine Wahlkampfwägen gesehen oder große Flyerverteilaktionen. Vielleicht hatte ich bisher auch nur Glück und bin davon verschont geblieben :o)

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