BlogLacher des Monats: Fernsehprogramm Itte-Q der Fehlinformation bezichtigt

Lacher des Monats: Fernsehprogramm Itte-Q der Fehlinformation bezichtigt

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Seit 2007 gehört die Fernsehsendung „世界の果てまでイッテQ“ zum festen Bestandteil des Privatsenders Nittere (Nippon Television, NTV). Das „Q“ steht für „Question“ und das ursprüngliche Konzept bestand darin, Leute in die Ferne zu schicken, damit sie dort viele Fragen stellen. Frei übersetzt bedeutet der Name „Geh‘ bis ans Ende der Welt und frage“. Gestartet als eine von vielen Fernsehshows, rückte das Format irgendwann zur Prime Time auf — 20 Uhr, Sonntag abends. Vor allem Kinder lieben das Programm, da es sich quasi zu einem regelrechten Zirkus entwickelt hat. Ging es früher wirklich hauptsächlich um abgelegene Gebiete dieses Planeten, geht es heuer mehr darum, irgendwelche Komiker zu zwingen, Bungee zu springen oder Insekten zu essen oder was auch immer. Im Ausland natürlich, um irgendwie noch dem ursprünglichen Format treu zu bleiben. Vorneweg: Viel Zirkus, viel Spektakel – einzig der Schnitt (Untertitel, Kommentare usw.) macht zuweilen Freude.
Ein bekanntes Wochenmagazin mokierte nun, dass eine Sendung komplett fabriziert gewesen sei — es ging um ein Festival in Laos, bei dem die Teilnehmer mit einem Fahrrad ein Wasserbecken überqueren müssen — auf einem schmalen Steg. Angeblich hätte sich der Sender das komplett ausgedacht, selbst das ganze Set zusammengezimmert und so weiter. Der Vorwurf lautete 捏造 netsuzō – das Fabrizieren falscher Nachrichten. Untermauert wird diese sensationelle Meldung mit Interviews und Rechercheergebnissen vor Ort. Den Fernsehsender lässt das kalt – er bestreitet den grössten Teil und will das Format fortsetzen.
Warum das nun so komisch ist? Ganz einfach. Das ganze Programm ist von vorn bis hinten やらせ yarase — gestellt. Zumindest, was die Reaktionen der Beteiligten betrifft. Besonders beliebt: Einem タレント (Tarento, = Talent) (Definition: Ein Schauspieler, der sich meist durch den Mangel des selbigen definiert) wird befohlen, dass er Bungee springen soll oder Skydiving machen soll und dergleichen. Das Talent jammert dann erst mal rum, dass er/sie wirklich Höhenangst habe und so weiter, um dann kurz darauf munter aus dem Flugzeug oder von was weiss ich zu springen. Oder Komödiant Degawa, ein im Prinzip wirklich urkomischer Geselle, der auf Englisch radebrechend durch eine amerikanische Großstadt zieht und nach einem Wasserfall sucht. Angeblich kann er sich absolut keine englischen Vokabeln merken und spielt deshalb den Deppen. Die Sachen sind dermaßen gestellt, dass es oftmals einfach nur weh tut.
Das ist nichts Neues. Wer glaubt, dass die stets um Perfektionismus bemühten Japaner bei Fernsehprogrammen eine Ausnahme machen und die Sache den Schauspielern und/oder gar dem Zufall überlassen, glaubt auch an den Weihnachtsmann. Der vermeintliche Scoop des Schmierblattes ist deshalb keiner. Natürlich sind fast alle Sachen fabriziert oder werden so in Szene gesetzt, dass es die Wahrheit weit hinter sich lässt. Wenn da über ein Festival in Laos berichtet wird, bei dem Leute mit einem Fahrrad über einen schmalen Steg radeln und dann ins Wasser fallen, wird doch klar, dass es sich hier nicht um eine nationale Tradition handelt, sondern eher um einen Dorfvorsteher, der irgendwann mal eine Idee hatte und das einem Fernsehsender meldete. Und mal ehrlich, was Politiker können, können Fernsehdirektoren schon lange.
Manche Folgen sind jedoch dennoch interessant, denn man entführt das Publikum hin und wieder immer noch in sehr abgelegene und sehenswerte Ecken des Planeten – das, gepaart mit etwas Humor, kann durchaus reizvoll sein.

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

2 Kommentare

  1. Klingt ein bisschen nach Galileo. Auch die Sendung hat sich im Verlauf der Jahr ins Prime-Time Segment vorgearbeitet (wobei es glaube ich den letzten Jahren wieder abgeflaut ist). Und auch hier ging es Anfang mehr um Information und das Beantworten tatsächlicher Fragen und dann hat sich alles auf ein Einheitsformat der Beiträge eingependelt, die dann auch nur noch der Unterhaltung dienten.

  2. Japanische Sendung, gestellt? Nein? Doch? Oh!
    Trotzdem mag ich ItteQ sehr gern, denn ich verstehe es einfach als Unterhaltung und nicht mehr. Den Omatsuri-Otoko finde ich immer sehr amüsant. Degawa’s Blödeleien sowieso und mein Favorit sind Morisanchu, besonders wenn diese durch die Gegend geschleudert werden.
    Aber mit Abstand meine liebste Sendung ist immer noch Tantei Knight Scoop. Gestern schaffte ich es beim Abwasch tatsächlich, dass sich zwei Schüssel ineinander verkanteten. Ich rief meine Frau und sagte ihr, sie solle doch bitte mal schnell bei der Redaktion anrufen und Hilfe anfordern. Sie schaute mich fragend an und als ich auf die beiden Schüssel deutet, brach sie in schallendes Gelächter aus. (Anspielung auf das im Kaffekänchen verkantete Sahnekänchen)

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