BlogKündigung auf Japanisch

Kündigung auf Japanisch

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Letzte Woche, am 18. Oktober, gab es ein eventuell bahnbrechendes Urteil am Arbeitsgericht. Um es kurz zu fassen – ein aufs derbste gemobter, 31-jähriger Angestellter hatte Selbstmord begangen. Dies wurde vom Gericht nun als Arbeitsunfall (労災 rōsai) anerkannt.
Vom Umbruch ist oft die Rede – japanische Firmen kündigen im Gegensatz zu früher Angestellte, eine Festanstellung auf Lebenszeit ist vorbei. Das stimmt freilich, aber die Entlassungsschwelle ist in Japan doch nachwievor extrem hoch, und so passierte ebend folgendes:
Der Angestellte wurde von seiner Firma in die „Provinz“, nach Morioka in Nordhonshu, versetzt. Obwohl er keinerlei Erfahrung als Salesperson hatte, sollte er plötzlich genau jene Position besetzen – und er hatte eine hohe Norm zu erfüllen. Das klappte nicht ganz, und so wurde er über lange Zeit von seinem Chef verbal attackiert – er sei das Gehalt nicht wert, eine Schande für die Firma usw. Er wurde quasi gezwungen, auch an Wochenenden zu arbeiten, musste „Entschuldigungsschreiben“ verfassen, in denen er zu erklären hatte, was und warum er alles falsch macht und noch einiges mehr.
Kurzum: Der Mann wurde depressiv und beging 4 Monate später Selbstmord. Weder die Firma hatte versucht, ihn zu kündigen, noch kam er von selbst auf die Idee. Das wäre ein totaler Gesichtsverlust gewesen.
Das Wort des Tages: パワハラ (pawahara) – Verballhornung des englischen Begriffs „Power Harassment“. Quasi „Mobben bis der Arzt kommt“.

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tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

3 Kommentare

  1. Argh, krass sowas. Aus unserer (deutschen) Sicht würde man wohl sagen „Falscher Stolz“, aber in Japan ist das wohl nicht so einfach.

    Jedenfalls traurig und würde mich keinesfalls wundern, wenn es mehr von solchen Fällen gibt (auch wenn sie nicht in Selbstmord enden).

  2. Na sowas, ich glaube ich kann die Mentalität in Ostasien nicht wirklich nachvollziehen. Ich hab von einer Statistik gehört, nach welcher die Suizide in Japan zugenommen hätten. Vielleicht spielen derartige Motivationen im Arbeitsleben da eine entscheidende Rolle.
    Hier in D wird ja auch gern und viel gemobt. Allerdings glaube ich ein derartiges Verhalten würde es wohl bei deutschen Arbeitnehmern nicht geben. Die Deutschen gemobten sind dann irgendwann permanent krank und der Areitgeber hat auch ein „gesundes“ Verhältnis zur Kündigungsalternative.

    Wie war das eigentlich mit dem Minister, der meinte aus dem Leben scheiden zu müssen? Da hat man hier nicht so viel von gehört. Wo lagen denn da die Gründe, den Ministerposten auf derartige Weise hinzuschmeissen?

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