BlogKartoffeln waschen

Kartoffeln waschen

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Da eröffnet es sich wieder, das abgrundtiefe Sommerloch. Kaum ist die lästige Regenzeit vorbei, beginnt die grosse Hitze – im Raum Tokyo klettern die Temperaturen bis auf 40 Grad (so heute gemessen in der Präfektur Gunma), das ganze dazu garniert mit einem mehr oder weniger starken, schwülem auflandigen Wind. Dementsprechend ertrinken momentan die Leute wieder reihenweise in diversen Flüssen und Seen. Der Wechsel von knapp 40 Grad zu 23 Grad und wieder zu 40 Grad und dann wieder zu 23 Grad (innerhalb einer Stunde – während der Mittagspause) ist nicht ohne – das habe ich heute wieder feststellen dürfen. Die nächtlichen Temperaturen knapp unter 30 Grad schreien dazu nach kohlensäurehaltigen Getränken (jaja, Tee löscht besser den Durst… sagt man).
Gestern ging ich mit meiner Tocher ins örtliche Freibad – etwas, was ich in Japan ohne Kind ganz, ganz sicher nicht machen würde. Die Szenerie dort ist schlicht unbeschreibbar: Das Freibad ist gross und hat mehrere 0.4 m bis 1.6 m (!) tiefe Becken – und dazu einen langen, geschlossenen Wasserlauf in der Mitte – dort wird von der Seite permanent Wasser hereingepumpt, um damit wohl einen Fluss zu imitieren. Die ganze Schlaufe ist geschätzte 200 m lang und 5 m breit. Von zwei Brücken regnet es kaltes Wasser. Und ich bin jedes Mal erstaunt, wie viele Leute da reinpassen: Hunderte. Und alles kann mit reingenommen werden – grosse Luftmatratzen genauso wie riesige aufblasbare Delfine, Wale und was weiss ich was. Daraus entsteht eine einzige, riesige Suppe aus Armen, Beinen, aufblasbarem Gummi und… etwas Wasser. Das ganze ist permanent in einer Richtung in Bewegung – stehenbleiben geht nicht, da sich hinter einem sofort ein Damm aus Gummi und Haut aufbaut.
Egal – meiner Tochter hat’s gefallen, und so ging es geschätzte 15 Mal (und gefühlte 100 Mal) herum und herum… Wenigstens konnte ich mich heute dann im Büro erholen. Bis zum nächsten Wochenende.
Das Wort des Tages: 芋洗い imo-arai. „Kartoffeln“ – „waschen“. Sinnbildlicher Ausdruck für grosses Gedränge im Schwimmbad / am Meer.

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

6 Kommentare

  1. Hmm… Also da verstehe einer die Japaner. Sonst alles auf 110% Sicherheit trimmen – ja an jedem kleinen Erdaushub vier Leute, die winken, damit keiner ins Loche fällt – aber dort im Schwimmbad jedwedes aufblasbare Getier und schiere Menschenmassen erlauben…? Bei dem Anblick von dem Video würde es hier gestandene Bademeister aus den Latschen hauen ^^
    Alles, was die Größe von aufblasbaren Schwimmflügeln übersteigt, ist in unserem Freibad auf dem Land verboten.

    Ist zwar Super, dass es nicht so ist, aber wundern tut’s mich schon, dass bei so einem Massengedränge in einem Wellenbad nicht ein paar Leutz auf der Strecke bleiben.

  2. @Terry
    Photos? Ist schwer zu machen und würde mit Sicherheit sofort Ärger geben.

    @Peter
    Kann Dir nur beipflichten. Da aber alle nach 55 Minuten für 5 Minuten aus dem Wasser müssen, bleibt zumindest keiner länger als eine Stunde unten…

    @Coolio
    Manchmal macht mir meine Heimat Angst

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