BlogJapan zieht Botschafter aus Russland vorübergehend ab

Japan zieht Botschafter aus Russland vorübergehend ab

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Heute hat die Regierung Japans einen in der Diplomatie recht drastischen Schritt gewählt und den eigenen Botschafter „auf unbestimmte Zeit“ aus Russland abgezogen. Das ganze geschah aus Protest gegen den Besuch des russischen Präsidenten Medvedev auf der Kurileninsel Kunashir (auf japanisch 国後島 Kunashiri) Anfang dieser Woche. Dies war auch der erste Besuch eines russischen Präsidenten auf der Insel überhaupt: Schliesslich liegt diese am Rand der Welt und hat gerade mal 7’800 Einwohner.
Medvedev schreibt dazu noch schön (für japanische Begriffe vor allem schön provozierend „Es gibt so viele schöne Orte in Russland! Das hier ist Kunashir“ (siehe hier).
Nun, vor weniger als zwei Wochen habe ich hier den Streit um die Senkaku-Inseln mit China ein Menetekel genannt – und schon hat es sich bewahrheitet. Bei dem Vorfall bei den Senkaku-Inseln vor gut zwei Wochen, bei dem ein chinesischer Trawler in japanisches Hoheitsgebiet eindrang und zwei japanische Patrouillenboote rammte, knickte die japanische Regierung letztendlich ein und entliess die Crew und den Kapitän des Trawlers überraschend schnell. China witterte die aussenpolitische Schwäche sowie die Risse im amerikanisch-japanischen Bündnis, und legte weiter nach: Gewaltsame antijapanische Proteste, Regressansprüche und dutzende Absagen gemeinsamer Treffen und Projekte waren und sind noch immer die Folge. Gleichsam waren sich China und Russland in der Sache einig: Man versicherte sich gegenseitig, in Sachen Japan im Recht zu sein.
Die Gespräche mit Russland um die vier Kurileninseln dagegen ziehen sich schon seit Jahrzehnten hin, und es gab Zeiten, in denen es aussah, als ob Russland wirklich zu Konzessionen bereit wäre. Das dürfte sich mit dem (wohl einfach nur symbolischen) Besuch des Präsidenten auf Kunashir vorerst erledigt haben. Japan protestierte. Russlands Regierung bestellte den japanischen Botschafter daraufhin ein und erklärte ihm, dass sie den Besuch als innerterritoriale Angelegenheit und den Protest damit als nichtig ansieht. Japan zog daraufhin seinen Botschafter aus Moskau ab. Medvedev reagierte und sagte, er möchte vielleicht auch noch die anderen Kurileninseln besuchen.
Die ohnehin schon schwache japanische Regierung unter Kan musste viel Kritik wegen ihrer (letztendlich fruchtlosen) Nachgiebigkeit gegenüber China einstecken – das gleiche kann sie sich jetzt mit Russland nicht mehr erlauben. Nun kann man nur abwarten und schauen, wer den längeren Atem hat und wie sich der Bündnispartner USA verhalten wird. Dumm nur, dass die derweilen mit ganz anderen Problemen zu kämpfen haben. Japan wird somit wohl auch noch in den nächsten Monaten damit leben müssen, in die Zange genommen zu werden. Wenigstens ist die Beziehung mit Südkorea momentan relativ stabil – aber auch da gibt es ein paar umstrittene Inselchen…
Das Wort des Tages: 領土 ryōdo. Das Territorium.

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

12 Kommentare

  1. Ich habe mich gerade zum gleichen Thema durch tagesschau.de ( http://www.tagesschau.de/ausland/japan308.html )gelesen. Ein Knaller ist da auch der Schlagabtausch bei den Kommentaren. China, Korea, Russland – Junge Junge, ich möchte wirklich nicht in der Haut von Regierungschef Naoto Kan stecken!
    Bei deinem aktuellen Post stellt sich mir aber eine ganz andere Frage – wie findet man eigentlich den Blog vom russischen Präsidenten (oder kommt auf die Idee danach zu suchen)?

  2. was’n das für’n kindergarten? das es stress um diese inselgruppe gibt, weiß ich ja. aber warum eigentlich. welche territorialen vorteile hat man heutzutage denn? liegen wirtschaftliche interessen an den inseln oder am seegebiet hinter dieser auseinandersetzung? welche bevölkerungsgruppe bewohnt denn die inseln überhaupt? was denken die japaner über diesen streit? was denken die russen über diesen streit?

    fragen über fragen, die sich die regierungen wahrscheinlich nicht stellen! werd mich mal kundig machen! war wieder mal ein schöner anstoss, sein allgemeinwissen zu erweitern!

    doumo arigatou gozaimasu

  3. Ich hab mir die Sache in den russischen Nachrichten angesehen, und musste wirklich lachen. ^^;
    Vorallem, ein paar Tage zuvor wurde im russ. TV gesagt, Japan wär das Land mit dem höchsten Intelekt auf der Welt, und gestern dann die Meldung mit Medvedev und den Kurilen.
    Ich verstehe die Japaner nicht, was diese Reaktion betrifft, dass is in meinen Augen kindisch und gar nicht schlau. ^^;

  4. Die kindische Reaktion der Japaner resultiert vor allem aus ihrem Bedürfnis heraus das Gesicht zu wahren. Das sie damit in Teilen der Welt genau das bewirken was sie verhindern wollen ist ihnen wohl nicht ganz klar.
    Ansonsten geht es bei den Konflikten um diese Inseln vor allem um drei Dinge:

    1. Wirtschaftliche Interessen, bei einigen dieser Inselgruppen werden Erdöl und/oder Erdgas vorkommen in nicht geringen Mengen vermutet.

    2. Die nicht aufgearbeitete Koloniale Vergangenheit Japans. Das prägt vor allem den Konflikt zu China und Südkorea.

    3. Das Bedürfnis aller Seiten das Gesicht zu wahren, was aus westlicher Sicht halt einfach bloß kindisch wirkt.

    Ostasien ist halt einfach ein anderer Kulturkreis. Es gibt mit Sicherheit auch einige Dinge, die die Japaner an den Europäern als kindisch empfinden, obwohl man hier in Europa anders darüber denkt.

  5. @Günter
    Es geht nichts über eine anständige Recherche! War aber nicht schwer, das zu finden.

    @Terry
    Die Japaner von dort wurden alle vertrieben – es leben auch wohl nur noch gute 7’000 der ehemaligen Bewohner, und es werden täglich weniger… Jetzt (und früher auch) leben dort die hiesigen Ureinwohner und nun eben Russen.
    Viele Japaner wähnen sich im Recht – schliesslich wurden ihnen die Inseln während der letzten Kriegstage entrissen, obwohl die Sowjetunion damals Japan den Krieg einseitig erklärte.

    @Natasha
    Ja, jeder mag die japanische Kultur, hasst aber die die japanische Politik. Die Reaktion jetzt muss auf Russland kindisch wirken – hier geht es aber auch im hohen Masse um Innenpolitik: Noch einen Gesichtsverlust wie im Falle Chinas beim Senkaku-Zwischenfall kann sich die jetzige Regierung nicht leisten.

  6. Interessante Thematik, aber bis auf ein bisschen bellen wird da noch eine Weile nichts geschehen. Die einzigen, die in den nächsten Jahren die Initiative ergreifen könnten, sind die Chinesen. Russland hat sich bis heute nicht vom Fall der Udssr erholt, Japan ist eine typische „westliche“ Wirtschaftsnation, und wird keinen militärischen Konflikt mehr riskieren (Ich schließe hier Amerika und GB aus). Nur bei China kann ich mir vorstellen, dass die in den nächsten Jahren, auf Kosten Japans, Initiative ergreifen. Die Chinesen sind sich ihrer Stärke bewusst, und haben, was solche Angelegenheiten abgeht, keinen Ruf zu verlieren.

  7. Ostasiatische kulturelle Aspekte kann ich für die japanische Haltung nachvollziehen. Da muss man sich zukünftig sowieso noch einiges annehmen, wenn man bedenkt, dass der ostasiatische Raum wohl demnächst wirtschaftlich vornansteht.

    Aber: soweit ich sehe, beruft sich Japan auf Verträge mit Russland aus den Jahren 1855 und 1875. Vergessen, dass man den Krieg verloren hat? Man stelle sich vor, der Bund der Vertriebenen in der BRD würde die Außenpolitik bestimmen. Na herzlichen Glückwunsch. Eigentlich sollte es doch allgemeiner Konsens sein, dass an den territorialen Ergebnissen des II. Weltkrieges nichts geändert wird. Die Wahrnehmung hier bezüglich der japanischen Interessenlage nach dem II. Weltkrieg ist sowieso sehr schwierig und meiner Meinung nach nicht mit kulturellen Unterschieden zu erklären.

  8. Mit den kulturellen Unterschieden wollte ich auch nicht die japanische Interessenlage erklären, sondern das in unseren Augen „kindische Verhalten“ der japanischen Regierung.

  9. Also ich kann mich nicht erinnern, dass es bei anderen Quereleien über irgendwelche Inselchen viel anders ablief. So z.B. 2004/5 als es um die Hans Island ging, ein unbewohnter Klumpen Felsen von 1.3 km2 unmittelbar bei Grönland. Beansprucht nicht von den Inuit die dort seit jeher jagen, sondern von Dänemark und Kanada. War eine Riesensache in den Medien und im Internet, es folgten Schlagabtausch beim Flagge aufstellen, ein Premierminister(!) nach dem anderen setzte Fuss auf „sein“ Territorium (was wiederum die andere Seite in Rage versetzte), Kriegsschiffe wurden losgeschickt und Truppen stationiert. Kindergarten in Reinkultur also.

    Noch verrückter die Spratly Islands, eine Reihe von winzigen Inseln oder eher gewachsenen Sandbänken im Südchinesischen Meer. Die 750+ Inseln werden von 6 Ländern beansprucht und alle haben entsprechend Truppen stationiert. Abgesehen davon gibt es keine Einwohner ausser Schildkröten und Vögel etc. Die höchste Erhebung ist gerade mal 4m über Meer, in ein paar Jahren wird sich das Problem „dank“ Klimawandel also von selber erledigen.

    Dasselbe mit den weiter südlich gelegenen Paracel Islands deren 16 Inseln mittlerweile nur von 3 Ländern beansprucht werden. Darunter sind so aussagekräftigen Namen wie North/Middle/South/Woody/Tree/Rocky/Money Island, also echt ein Grund zum Streiten sofern man eingesessener Monkey Island Fan ist. Es wurde erheblich militärisch darum gekämpft, schliesslich ist die höchste Erhebung ja auch 14m über Meer.

    Diese Streitereien sind Jahrhunderte alt und keine Seite ist bereit, Zugeständnisse zu machen.

    Alles aber schlagen Rockall und Hasselwood Rock zwischen Irland und Island, beansprucht von 4 Ländern. Rockall ist ein Überrest eines Vulkans, genauer gesagt im Vulkan erstarrte Magma (volcanic plug) während der Vulkan selber nicht mehr existiert. Wieviel um dieses Stückchen Gestein gestritten und auf Konferenzen debattiert wurde geht auf keine Kuhhaut.

    Rockall Island, dahinter beim weissen Wellenschäumchen ist Hasselwood Rock (abgesehen von Wellenschlägen permanent unter Wasser): http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/b/b7/Rockall-photo.JPG

    Die Briten haben ein Häuschen aufgestellt und bewachen Rockall fleissig: http://static.tvtropes.org/pmwiki/pub/images/rockall.jpg

    Artikel: http://www.presseurop.eu/en/content/article/360771-black-gold-rockall

    Soviel zu kindisch.

  10. Hab ja nicht gesagt das der Westen besser ist. Übrigens geht es bei all diesen Streitereien um irgendwelche Felsen und Sandbänke immer um Rohstoffe. Wenn Rockall Island zum Beispiel als teil des Vereinigten Königreiches anerkannt wird, dann gehört den Briten nicht nur ein Stück Fels, sondern auch die ausschließliche Wirtschaftszone um den Felsen herum und damit alle Rohstoffe die man innerhalb dieser Zone findet. Bei den Spratley Islands und den Paracel Islands ist das nicht viel anders. Mit ein klein wenig Hintergrundklugscheißerei wirken diese Streitereien schon nicht mehr ganz so kindisch.

  11. Genau richtig Japan! Bloß nichts von Russland gefallen lassen, lässt man sich etwas gefallen hat Russland das erreicht was es will, nämlich ihren schmutzigen KGB Fuss in die Tür zu stecken.

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