BlogHitlerjugend im japanischen Parlament?

Hitlerjugend im japanischen Parlament?

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In der DinJ (Deutsche in Japan, eine Yahoo-Newsgroup) wurde sich darüber bereits gut empört, obwohl es kein allzu grosser Skandal ist: Am Montag hielt der frischgebackene Ministerpräsident Hatoyama seine Grundsatzrede während einer ausserordentlichen Parlamentssitzung. Gute 50 Minuten dauerte die und war voller blumiger Parolen, mit Begriffen wie Liebe, Freundschaft, Volk usw. nur so gespickt. Seine Partei stand geschlossen hinter ihm und applaudierte, was das Zeug hält. Der Opposition blieb – mangels konkreter Vorschläge seitens Hatoyama – nur das permanente Zwischenrufen: Am häufigsten wurde da das Wort „財源“ (zaigen – Finanzquelle bzw. Finanzierung) gerufen.
Als ich am Montag abend Ausschnitte der Rede sowie die Kommentare einiger Politiker dazu in den Nachrichten sah, wurde ich auch hellhörig: 谷垣 (Tanigaki), Generalsekretär der bei den Wahlen im August gnadenlos abgestraften Liberalen, meinte zur Rede nur: „Das war ja wie Hitler, mit der alles beklatschenden Hitlerjugend dahinter“. Tanigaki ist Baujahr 1945 und dürfte sich deshalb nicht so gut damit auskennen, aber eins war sicher: Er und seine Parteikollegen dürften reichlich angefressen gewesen sein.
In der DinJ wurde sogar vorgeschlagen, dass man die deutsche Botschaft diesbezüglich mal anspricht. Die werden aber wahrscheinlich auch was besseres zu tun haben, als verbale Entgleisungen japanischer Politiker (und da gibt es reichlich viele) stets zu kommentieren.
Vielleicht kann ja mal zur Abwechslung Österreich protestieren, was denn den Japanern einfiele, ihren Landsmann mit einem japanischen Politiker zu vergleichen – in Kärnten zumindest hätte eine solche Klage bestimmt ihre Anhänger. In Japan hat die Aussage jedenfalls nur ein kleines bisschen Staub aufgewirbelt.
Das Wort des Tages: 賛成 – sansei – die Zustimmung.
Das Zitat: ヒトラーの演説にヒトラー・ユーゲントが賛成しているような印象を受けた (Hitoraa no ensetsu ni hitoraa yuugento ga sansei shiteiru you na inshou o uketa) – sinngemässe Übersetzung siehe oben.

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

6 Kommentare

  1. In der Hinsicht sind fast alle Parteien wie Hitler, weil sie alle Dinge versprechen, die nicht machbar sind. Bekannter von mir sagte mal, dass das mit der NSDAP angefangen habe, weiß aber nicht, ob die wirklich die ersten waren. Möglich wäre es, weil die anderen Parteien in der Weimarer Republik ja mit Parlamentsarbeit beschäftigt waren und es davor afaik kein besonderes Parteiensystem gab.

    Aber heute redet ja jede Partei über ihre tollen Ziele (Steuersenkungen), obwohl klar ist, dass die Mittel fehlen…

  2. Ist schon lustig, das grad japanische Politiker sich so gern auf Hitler berufen. Haette er gesagt, das es genau so war wie bei Tenno Hirohito mit der alles abnickenden jap. Bevoelkerung dahinter, haette es wenigstens einen realen Bezug zur eigenen Geschichte gehabt……

  3. Och. Ich finde ews schon lustig, dass eine Regierungserklärung (?) in dieser Art und Weise vorgetragen wird. Da scheint das Parteivolk seiner Führung wohl bedingungslos folgen zu wollen.

    Und wenn dann den anderen nichts mehr einfällt, wird eben mal in der Weltgeschichte gekramt. Wahrscheinlich hätte man auch Mao nehmen können.

    @Stefan
    Ich denke mal, entweder der britische oder us-amerikanische Parlamentarismus wird doch wohl schon früher leere Worthülsen der Politiker hervorgebracht haben. Und im Wesentlichen werden die Aussagen der Parteiführung von dem jeweiligen Parteivolk auch entsprechend unterstützt, auch wenn es gelinde gesagt Schwachsinn war.

  4. Der Vergleich hinkt. Adi hat das mit den jubelnden Massen ganz von alleine geschafft. (Die neuen Parlamentarier wurden aufgefordert, ein bisschen für Stimmung zu
    sorgen, 盛り上げて! )

  5. Hmm. Also ich finde, der Seitenhieb auf Österreich hätte nicht sein müssen.
    Es gibt genug von uns, die sich für Leute wie den Jörgi oder „HChe“ ( kanntest du diese Wahlmasche?) Strache in Grund und Boden schämen.
    Den- stark deutsch geprägten Hitler- der unser schönes Land ( BOAH-heut bin ich aber patriotistisch) sobald er konnte annektierte als „typischen braunen Österreicher“ hinzustellen- gut. Es ist dein Blog, du kannst schreiben was du für richtig hälst, aber sehr korrekt finde ich das nicht.
    So. Bevor ich jetzt die ganze Sache noch mehr aufblase, zum eigentlichen Inhalt des Kommentares.
    Ich persönlich finde nicht, dass es Aufgabe einer Botschaft ist, sich um solche Kleinigkeiten wie einen schlechten verbalen Vergleich in der Innenpolitik zu kümern.
    Haben die nix Besseres zu tun?
    Abgesehen davon: ich sehe nicht ein, warum es so ein RIESEN- Tabu ist, Vergleiche mit Geschehnissen der NS-Zeit herzustellen.
    Es ist ein grässliches Kapitel unter wahrscheinlich Hunderttausenden in der Menschheitsgeschichte.
    Es ist eine Frage des Taktgefühles und des Geschmackes einen solchen Vergleich zu ziehen.
    Die harschen Sanktionen die es in unseren Breiten für einen solchen Kommentar gibt halte ich für unpassend und undemokratisch.

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