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Expertenrat empfiehlt Anhebung der Laufzeit für AKW auf 60 Jahre

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Der 5-köpfige Expertenrat zum Thema Kernenergieregulierung hat soeben beschlossen1, dass die Laufzeit japanischer Atomkraftwerke von den derzeit 40 Jahren2 auf 60 Jahre erhöht werden kann. 4 Mitglieder votierten für die Verlängerung, nur einer stimmte dagegen. Damit wird es immer wahrscheinlicher, dass sich Japan wieder zunehmend auf die Kernenergie verläßt.

Bis zur Reaktorkatastrophe von Fukushima nach dem verheerenden Erdbeben und Tsunami im März 2011 wurden rund 30% des Energiebedarfs durch Kernenergie gedeckt – dieser Anteil sollte bis 2017 auf rund 40% erhöht werden3. Doch nach Fukushima wurden vorerst alle Reaktoren vom Netz genommen – bis 2016, als erste Anlagen wieder hochgefahren wurden – gegen teils massiven Widerstand der Bevölkerung.

Nun steht Japan jedoch vor einer neuen Situation: Rund 90% der Energieträger müssen importiert werden, was aufgrund der weltweiten Lage und des schwachen Yens dazu führte, dass die Energiepreise seit 2022 unaufhörlich steigen. Viele Haushalte und Geschäfte bezahlen heute in etwa das Doppelte dessen, was vor einem Jahr üblich war. Da — man kann es nicht einfach sagen — Japan die Wende hin zu regenerativen Energiequellen grandios verschlafen hat — soll jetzt die Kernenergie die Rettung sein.

Reaktor Am Netz seit Post-Tsunami-Inbetriebnahme Laufzeit Stand 2023
Genkai 3 Juni 1993 Mai 18 30
Genkai 4 November 1996 Juni 2018 27
Hamaoka 3 Januar 1987 36
Hamaoka 4 Januar 1993 30
Hamaoka 5 April 2004 19
Higashi Dori 1 (Tohoku) März 2005 18
Ikata 3 März 1994 August 2016 29
Kashiwazaki Kariwa 1 Februar 1985 38
Kashiwazaki Kariwa 2 Februar 1990 33
Kashiwazaki Kariwa 3 Dezember 1992 31
Kashiwazaki Kariwa 4 Dezember 1993 30
Kashiwazaki Kariwa 5 September 1989 34
Kashiwazaki Kariwa 6 Januar 1996 27
Kashiwazaki Kariwa 7 Dezember 1996 27
Mihama 3 Februar 1976 Juni 2021 47
Ohi 3 Juni 1991 März 2018 32
Ohi 4 Juni 1992 Mai 2018 31
Onagawa 2 Dezember 1994 29
Onagawa 3 Mai 2001 22
Sendai 1 September 1983 August 2015 40
Sendai 2 April 1985 Oktober 2015 38
Shika 1 Januar 1993 30
Shika 2 Juli 2005 18
Shimane 2 Juli 1988 35
Takahama 1 März 1974 49
Takahama 2 Januar 1975 48
Takahama 3 Mai 1984 Februar 2016 39
Takahama 4 November 1984 Mai 2017 39
Tokai 2 März 1978 45
Tomari 1 Dezember 1988 35
Tomari 2 August 1990 33
Tomari 3 März 2009 14
Tsuruga 2 Juni 1986 37

Doch hier steht man vor einem großen Problem, denn meisten Atommeiler sind alt — 5 von 33 Reaktoren sind bereits über 40 Jahre alt, und laut der jetzigen Bestimmungen müssten 18 der 33 AKW in den kommenden 10 Jahren vom Netz genommen werden. Das bedeutet, dass zwei Drittel der japanischen Meiler demnächst ausfallen.

Natürlich regt sich dagegen Widerstand, wie zum Beispiel bei dieser4 Petition mit fast 50,000 Unterschriften. Aufgrund des Preisdrucks wird die Politik jedoch dennoch für die Verlängerung stimmen, und eine schweigende Mehrheit wird das sicherlich als Notlösung begrüßen. Erfreulich ist die Nachricht aber sicherlich nicht — der Gedanke, dass hier bis zu 50 Jahre alte Atommeiler in teilweise tektonisch sehr fraglicher Lage wieder hochgefahren werden, ist der Stoff, aus dem Alpträume gemacht werden. Und wie auch schon bei der Frage nach probaten Mitteln zur Lösung der ständig sinkenden Geburtenrate muss sich die japanische Politik die Frage gefallen lassen, warum bisher so wenig unternommen wurde — das Energieproblem ist seit Jahrzehnten bekannt, ebenso das Fehlen einer Endlagerstätte, die Gefahren, die durch Naturkatastrophen ausgehen – sowie die Chancen, die Geothermie, Wind- und Gezeitenkraft und andere regenerative Energiequellen bieten. Wirklich gemacht wurde da viel zu wenig.

  1. siehe hier
  2. siehe hier
  3. siehe hier
  4. siehe hier
tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

2 Kommentare

  1. Zuwenig gemacht ist sicherlich richtig, andererseits wurden zumindest Solarpanels massiv zugebaut. Bei der Windkraft hat man schlicht das Problem, das Japan an den Küsten zu steil abfällt und dann die Art der Gründung wie z.B. in Ost- und Nordsee kaum möglich ist. Von daher irgendwie logisch, dass man versucht sich breit aufzustellen. Solange nix passiert ist es halt relativ günstig mit der Kernenergie gegenüber Kohle und LNG, aber klar, asiatischer Feuerring ist da halt nicht der schönste Ort.

    In Deutschlang steigt man halt einfach mal aus aus der Kernenergie ohne eine Alternative zu haben in der nötigen Zeit und läßt dann lieber alte Kohle- und Gaskraftwerke massiv mehr laufen bei gleichzeitigem Nahezu-Stillstand an Onshore-Wind-Zubau und keinerlei grundsätzlichem Ersatz für notwendige disponible, also immer verfügbare Leistung…bei den in Deutschlang installierten mehr als 60.000 MW an Windleistung bläst halt ab und an für Tage nahezu nichts. Da ist die Planung an Dämlichkeit nicht zu überbieten…

    Das eigentlich Problem, das weder Volk noch Regierung angehen will ist der immense Lebensstandard und das Wachstumssystem das den Energiehunger bedingt. Die Diskussion wäre wichtig, wird aber vermutlich sowohl in Japan wie auch sonst wo erst geführt wenn’s zu spät ist…

  2. Japan November 2022 die Temperaturen stiegen tagsüber auf 2o Grad. Es gab beheizte Sitze in Bahnen,
    beheizte Klobrillen in beheizten Räumlichkeiten. In einem unserer Hotelzimmer hatten wir 26 Grad, nicht steuerbar da Zentralheizung.
    Dafür Atommeiler laufenlassen?
    Aus der Kernenergie auszusteigen halte ich für richtig. Nur hat man leider versäumt, die altenativen umweltverträglichen Möglichkeiten konsequent und zügig auszubauen in Deutschland und Japan und anderswo. Wir wären weniger abhängig.
    Wenn Energieverschwendung zur Gewohnheit geworden ist, dann regelt vieleicht der hohe Preis das Verhalten.
    Schade, das es erst weh tun muss.

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