BlogElon Musk: Japan wird aufhören zu existieren

Elon Musk: Japan wird aufhören zu existieren

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Eine Nachricht und ihre Folgen: Das japanische Innenministerium gab im April bekannt, dass die Bevölkerung Japans im Jahr 2021 um einen Rekordwert von 644,000 Menschen gesunken ist. Dass die Bevölkerung abnimmt ist hinlänglich bekannt und seit 11 Jahren in Folge so, aber mehr als eine halbe Million in einem Jahr ist eine besorgniserregend Zahl. Die Nachricht, unter anderem von Kyodo News 1 auf Englisch veröffentlicht, machte schnell die Runde auf Twitter und ließ den Besitzer des selbigen Dienstes einen Kommentar zum Thema verfassen:

In der Tat beschreibt Elon Musk hier das Offensichtliche: Wenn mehr Menschen sterben als geboren werden, kann es nur bergab gehen, erst recht, wenn Zuwanderung die Lücke nicht auffüllen kann. Ganz einfach. Doch Musks Kommentar rief natürlich eine Diskussion hervor, in der auch so manch Fehleinschätzung ans Tageslicht kommt – zum Beispiel die, dass Japan trotz Bevölkerungsschwund überbevölkert ist. Das ist Unfug — weltweit liegt Japan in Sachen Bevölkerungsdichte gerade mal auf Rang 402, hinter Indien, Südkorea, den Niederlanden oder sogar Belgien. Der Eindruck der Überbevölkerung entsteht sicher schnell im Großraum Tokyo oder Osaka, aber wenn man nur 50 Kilometer rausfährt, ist man quasi ganz allein.

Dass Japan altert und an Bevölkerungsschwund leidet ist ein alter Hut — das Land wurde deshalb schon von vielen quasi totgesagt. Andererseits sollte man das ganze auch von einer anderen Seite betrachten: Überbevölkerung ist, wie man global leidlich feststellen muss, keine gute Angelegenheit, und vielleicht schafft es Japan, aus der Lage das Beste zu machen: Eine altersfreundliche Gesellschaft zu schaffen, in der man bis ins hohe Alter arbeiten kann, wenn man denn möchte. Leider ist das nicht so einfach – sehr viele ältere Menschen arbeiten in Japan nicht, weil sie es möchten, sondern weil sie es müssen – aufgrund der doch sehr rudimentären Rente.

Alterung der japanischen Bevölkerung - mit Prognose (Quelle: Wikipedia)
Alterung der japanischen Bevölkerung – mit Prognose (Quelle: Wikipedia)

Wirtschaftlich hat die Alterung der Bevölkerung Folgen, und das nicht nur lokal, sondern auch in der Weltwirtschaft. Japan ist immerhin (noch) die drittgrößte Wirtschaftsmacht auf der Welt, aber mit der schwindenden Bevölkerung ist ein nachhaltiges Wachstum auf Dauer nicht zu stemmen – Japan wird deshalb hinter anderen Nationen zurückfallen und das Bruttosozialprodukt sinken. Und es gibt kaum eine politische Maßnahme in Japan, die dem effektiv entgegensteuert. Die meisten Politiker in Japan sind verhältnismäßig alt, und sie machen in erster Linie Politik für die gleiche Altersgruppe. Familien mit Kindern haben da das Nachsehen – zu erkennen zum Beispiel am Kindergeld. Das ist von Kommune zu Kommune unterschiedlich, aber in vielen Gemeinden in Japan werden zum Beispiel circa 10,000 Yen pro Kind und Monat (also rund 80 Euro) bezahlt – aber nur, bis die Kinder 15 Jahre alt sind. Das Problem an der Sache ist, dass Kinder gerade dann anfangen, richtig viel Geld zu kosten – aufgrund der hohen Ausgaben für Bildung.

Diese Partei fordert: Kindergeld bis 18, und zwar 15,000 yen pro Monat
Diese Partei fordert: Kindergeld bis 18, und zwar 15,000 yen pro Monat

Natürlich greift das gesamte politische Spektrum dieses Problematik auf – es gibt genügend Politiker, die mehr Kindergeld, mehr Unterstützung für Eltern mit Kindern und, ein wichtiger Knackpunkt, kostenlose Bildung fordern. Nur – es tut sich einfach nichts, und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass die Bevölkerung immer weiter schrumpft.

So gesehen wird Japan natürlich nicht verschwinden. Aber es wird kleiner. Und während die Bevölkerung in den Ballungsgebieten gleich bleiben oder gar wachsen wird – mit einem immer höheren Anteil von Ausländern – wird die japanische Provinz immer menschenleerer werden. Ob Japan bei dieser – doch recht rapiden Entwicklung – den jetzigen Lebensstandard halten kann, bleibt abzuwarten. Es mehren sich Zeichen, dass hier und dort Abstriche gemacht werden müssen: Armut – vor allem natürlich die Altersarmut – wird in Japan zu einem zunehmenden Problem.

  1. siehe hier
  2. siehe hier
tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

4 Kommentare

  1. zu meiner Zeit in Japan, Anfang der 70er Jahre, Bevölkerung ca. 100 Mill. ; da waren junge Mütter mit 2 manchmal auch 3 Kindern ein alltägliches Bild. Die Bevölkerung stieg auf ca. 130 Mill und „von nun an ging’s bergab“.
    Das ist keineswegs auf Japan beschränkt, in Europa und vielen Gegenden der Welt liegt die Kinderzahl pro Frau unter 2 (in der BRD seit Jahrzehnten so um die 1,5) Nur durch Einwanderung aus dem Ausland bleibt die Einwohnerzahl
    etwa konstant.
    Diese Tendenz ist weltweit, Geburtenüberschuss hauptsächlich (noch) in Afrika, Südostasien, Mittelamerika, aber auch da sind die Zahlen rückläufig (z. B. von 8 auf 4 Kinder). Der gegenwärtige Bevölkerungsanstieg weltweit ist nicht nur durch den Geburtenüberschuss sondern auch auf die höhere Lebenszeit besonders in diesen Ländern verursacht. Das ist aber ein einmaliger Effekt.
    in einigen Jahrzehnten wird weltweit das Maximum erreicht sein und dann „von nun an ging’s bergab“.
    Viele Probleme, Erderwärmung etc. mit denen sich jetzt viel Geld verdienen läßt, lösen sich dann ganz von allein.
    Zum Schluß noch eine Frage, bei Rückgang der Schülerzahlen in Japan müßte der Prüfungsdruck doch eigentlich sinken, scheint aber nicht so zu sein?

  2. Das ist auch Wirtschaftlich richtig krass.
    Im Prinzip bedeuted das, dass (irgendwann) die Arbeitskraft um 500.000 Menschen geschrumpft ist.
    Stellt euch mal vor, wie viele Untermehnem (theoretisch) aufhören müssen, nicht weil das Geschäft nicht läuft, sondern weil sich kein Personal findet.
    Vielleicht das goldene Zeitalter für Gehaltsverhandlungen ;)

  3. Hmn, mich wundert es nicht. In vielen reichen Ländern haben ist es so das die meisten etwas später heiraten und evtl. weniger Kinder haben wollen. Je mehr Freiheiten und Möglichkeiten eine Gesellschaft hat, desto mehr wollen eher für sich leben und keine Verantwortung übernehmen.

    Um mal mich als Beispiel zunehmen, ich bin 29 Jahre alt, habe einen normalen Bürojob und lebe noch bei meinen Eltern. Mein Eltern haben sich in meinem alter kennengelernt und geheiratet. Einige von ihren Bekannten haben früher geheiratet und früh Kinder bekommen. Da waren meine Eltern schon alt. Ich selber hatte noch nie eine Freundin und genrell kaum interesse eine Familie zu gründen. Einige meiner Freunde/Bekannten die in meiner Altersspanne sind, sind genauso.

    Ich denke nicht das Japan so schnell aussterben wird.

  4. Interessant! Ich habe gerade einen Blogeintrag über Überbevölkerung in Indien geschrieben – also die ganz andere Perspektive. Der Eintrag wird in ein paar Tagen hochgeladen.
    Musk hat sich wohl nie mit VWL auseinandergesetzt. Dennoch hat er in dem Punkt Recht, dass man sich Sorgen machen muss, dass die Politik nicht schnell genug reagiert. Abnehmende Bevölkerungsdichte führt zu ganz unvorhergesehenen Vorkommnissen, wie dass Schulen schließen, Bahnstrecken lahmgelegt werden, Wahlkreise zusammengelegt werden sollten, Infrastruktur konsolidiert werden muss, Energieverbrauch sinkt. Wenn man dies alles berücksichtigt und entsprechend PLANT, kann man sich „the easy way out“ – nämlich das Wachstum einfach wieder anzukurbeln, womit alle anderen Probleme bestehen bleiben – vermeiden. Und wirklich „aus der Lage das Beste zu machen“.
    Ich sehe das nirgends. Weder in Japan noch in Europa.

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