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Das Geld für die gesamte Gemeinde auf falsches Konto überwiesen: Stümperei und ihre Folgen

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Es ist schon ein kurioser Fall: Am 8. April sollte eine Corona-Zulage für knapp 500 Einwohner der kleinen 3,000-Seelen-Gemeinde Abu in der Präfektur Yamaguchi auf die jeweiligen Bankkonten überwiesen werden. Die Zulage betrug 100,000 Yen (knapp 800 Euro) pro Begünstigten. Doch irgendwas lief da schief: Ein Angestellter der Verwaltung überwies die Gesamtsumme von 46 Millionen Yen (gut 350,000 Euro) auf ein einziges Bankkonto, und das gehört einem 24-jährigen, der erst vor kurzem von außerhalb in die Gemeinde gezogen war. Als der Fehler bekannt wurde, bat die Gemeindeverwaltung den Mann um Rückgabe des fälschlicherweise überwiesenen Betrages. Dieser wies die Bitte jedoch mit der Begründung ab, dass das nicht mehr möglich sei, da das Geld bereits „anderweitig in Benutzung und eine Rückzahlung somit schwierig sei“.

Die Wut kochte natürlich hoch, schließlich hat die Gemeinde mal eben 2% ihres gesamten Budgets an einen „Zugereisten“ überwiesen – ein unentschuldbarer Fehler. Mehr noch trifft die Wut aber den 24-jährigen, der das Geld mal eben so einfach entweder verprasste oder zur Seite schaffte. Immerhin kam er der Einladung zu einer freiwilligen Befragung nach, aber er rückte nicht von seiner Position ab und spricht seitdem nur noch über seinen Anwalt. Gerüchten zufolge hat er das Geld womöglich wirklich nicht mehr, sondern in Online-Casinos verprasst, aber ganz sicher ist das nicht.

Die Gemeinde hat nun beschlossen, den Mann zu verklagen – auf die gesamte überwiesene Summe plus Gerichtskosten. Ob man damit jedoch Erfolg haben wird, ist durchaus umstritten – so richtig sind sich die Rechtsexperten da nicht einig. Und nach einer ersten Einschätzung hat der Mann wohl in der Tat keinen nennenswerten Besitz. Das bedeutet, dass selbst bei einem Erfolg vor Gericht fraglich bleibt, ob die Gemeinde das Geld je wiedersehen wird. Es dürfte aber interessant sein zu sehen, wie die Sache vor Gericht verhandelt wird und ob und wenn ja mit welcher Begründung der Mann verurteilt werden wird.

Dass das ganze in Japan passiert, ist schon komisch, wenn auch nicht wirklich überraschend. Wenn man in einem Cafe zum Beispiel mit der größten japanischen Banknote, dem 10,000-Yen-Schein (knapp 80 Euro) bezahlt, tritt nicht selten ein Sicherheitsmechanismus in Kraft: Die kassierende Person sagt dann mit hörbarer Stimme 1万円が入ります! (10,000 Yen kommen in die Kasse), woraufhin die in der Nähe befindlichen Angestellten einen kurzen Blick auf den Schein werfen und mit einem kurzen Nicken bestätigen, dass der Schein in die Kasse kommt. Diese Vorsichtsnahme scheint jedoch beim Überweisen von zig Millionen Yen nicht notwendig zu sein.

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Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

2 Kommentare

  1. Hallo,
    wozu soll das mit den 10000 Yen gut sein, Falschgeld?
    Aber ist schon ein starkes Stück, von beiden Seiten, dem jungen Mann wird auf jeden Fall klar gewesen sein, das ein Fehler passiert ist, einfach kassieren, verzocken/verstecken und dann abwarten zeugt von Frechheit, aber nicht eben von geistiger Größe.
    Der Fehler der Gemeinde ist aber erschreckender, mich würde interessieren was mit den Verantwortlichen passiert…. vermutlich eine große Entschuldigung, ein drohendes aber, aber und sonst nix, die Krönung wäre dann, wenn die Gemeinde ihre Einwohner fragt, ob sie nicht, wegen des „kleinen Fehlers“ auf ihre Prämie verzichtet… sorry habe heute Morgen eine leicht sarkastische Stimmung.

  2. Ich bin gespannt auf das Urteil. Von ähnlichen Fällen habe ich in der Schweiz auch schon gelesen. Digitale Fehlüberweisungen passieren auch den Banken, Steueramt usw. Jedoch muss der Begünstigte erklären, warum er die «hohe» unerwartete Summe nicht als möglichen Fehler in Betracht zog. Sollte der junge Mann selten oder nie solche Beträge erhalten haben, dann kann man davon ausgehen, dass er dies bemerkt hat. Gesetzlich wäre er verpflichtet, nach der Herkunft des Geldes zu fragen und Fehlüberweisungen auszuschliessen.

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