BlogCorona-Impfstoff in Japan frühestens im Februar

Corona-Impfstoff in Japan frühestens im Februar

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Die Impfungen gegen das Corona-Virus haben nun also weltweit begonnen – in Deutschland wird geimpft, in den USA ebenso, in Russland, China… und und und. Doch in Japan ist es noch lange nicht so weit.

Auch in Japan versuchte man, Impfstoffe gegen COVID-19 zu entwickeln, doch man liegt um Längen zurück. Im Jahr 2020 gab es erste Schritte, doch bei ersten klinischen Tests wurde schnell deutlich, dass man in eine Sackgasse geraten war. Japanische Pharmaunternehmen wie Takeda Pharmaceutical haben sich deshalb aus der Entwicklung zurückgezogen und arbeiten nun vermehrt an Therapien – sowie an Partnerschaften mit ausländischen Unternehmen, um die Impfungen in Japan zu koordinieren.

Am weitesten ist bisher Pfizer/BioNTech – denn die haben am 18. Dezember 2020 bei der japanischen Arzneimittelbehörde PMDA den Antrag auf Zulassung gestellt. Die Behörde versprach, der besonderen Lage Tribut zu zollen, sprich das Zulassungsverfahren zu beschleunigen. Und so rechnet man damit, dass der Impfstoff frühestens Mitte Februar zugelassen wird. Kurz darauf soll es dann auch mit den Impfungen losgehen.

Die japanische Regierung hat bisher mit drei Herstellern Verträge über Kaufoptionen abgeschlossen: Pfizer/BioNTech, AstraZeneca und Moderna. Dass Japan auch mit chinesischen Firmen in Kontakt tritt, ist ziemlich unwahrscheinlich – das wäre der Bevölkerung schwer zu vermitteln, denn die meisten sehen China als den Hauptverursacher der Pandemie an und finden es dementsprechend unfair, vorsichtig ausgedrückt, dass ausgerechnet China nun daran profitieren soll.

Insgesamt hat man sich 290 Millionen Impfdosen gesichert. Das reicht also für 145 Millionen Menschen – und damit für 20 Millionen mehr als in Japan leben. Der ehrgeizige Plan lautet, 60 Millionen Menschen noch im ersten Halbjahr zu impfen, und gerade eben wurde auf der ersten japanischen Parlamentssitzung in diesem Jahr beschlossen, dass Taro Kono, der ehemalige Außen- und später Verteidigungsminister, der „Impfminister“ sein wird.

Soweit der Plan, doch es stellt sich die Frage, wie weit die Bevölkerung da mitspielt. Bei einer Umfrage auf Yahoo!, bei der innerhalb weniger Tage mehr als 100,000 Menschen teilnahmen, antwortete man wie folgt auf die Frage, was man zu tun gedenke, wenn die Impfungen Ende Februar beginnen:

[wpcharts type=“horizontalbarchart“ bgcolor=“red:gray:yellow,blue:gray:yellow,random:gray:yellow,purple:gray:yellow“ max=“40″ legend=“false“ titles=“Abwarten und schauen wie die Lage ist, Nicht sofort impfen lassen, Sofort impfen lassen, Weiss nicht/keine Antwort“ values=“39.8,30.5,28.3,1.4″]

Weniger als ein Drittel ist demzufolge bereit, sich sofort impfen zu lassen. Und das überrascht nicht, denn es gibt viele Vorbehalte, und die werden von diversen mehr oder weniger selbst ernannten Experten und den Medien geschürt. So kursiert das Gerücht, dass jegliche Manipulation mit genetischem Material unweigerlich zu Krebs führen werde – oftmals aber erst nach 5 oder 10 Jahren, so dass niemand abschätzen könne, wie sich die Impfungen auf lange Sicht auswirken werden. Selbst, wenn das widerlegt werden sollte – dieses Gerücht wird sich noch lange halten, und ein gutes Beispiel dafür ist die Pille: Während diese in westlichen Staaten seit Jahrzehnten eingesetzt und immer weiter entwickelt wird, hält sich in Japan noch immer das Gerücht, dass sie langfristig sehr schädlich ist. Deshalb wird sie auch so gut wie nie zur Schwangerschaftsverhütung eingesetzt, sondern maximal bei schweren Menstruationsbeschwerden verschrieben.

Per se ist man natürlich nicht gegen Impfungen. Doch wie bei so vielen Dingen in Japan ist der Staat nicht sehr verbindlich, wenn es um die Regeln gilt. Man setzt in Japan auf freiwillige Verpflichtung, genannt 努力義務 doryoku gimu, was wortwörtlich bedeutet „die Pflicht, sich zu bemühen“. Bei Impfungen wird in verschiedene Kategorien eingeteilt – und prinzipiell werden die Menschen angehalten, sich gegen A類疾病 eirui shippei – „Kategorie A-Krankheiten“) impfen zu lassen – diese sind wie folgt:

Japanischer NameLesungDeutscher Name
ジフテリアjifuteriaDiphtherie
百日せきhyakunichisekiKeuchhusten
急性灰白髄炎(ポリオ)kyūsei kaihaku zuien (polio)Poliomyelitis
麻疹(はしか)mashin (hashika)Masern
風疹fūshinRöteln
日本脳炎nihon nōenJapanische Enzephalitis
破傷風hashōfūTetanus
結核kekkakuTuberkulose
Hib感染症hibu kansenshōHaemophilus-influenzae-b-Infektion
小児の肺炎球菌感染症shōni no haien kyūkin kansenshōPneumokokken
ヒトパピローマウイルス感染症hito papirō wirusu kansenshōGebärmutterhalskrebs (durch Papillomviren)*
水痘(水疱瘡)suitō (mizubōsō)Windpocken*
B型肝炎bi-gata kan’enHepatitis B*
痘そう(天然痘)tōsō (tennensō)Pocken*
* markierte Impfungen sind eher Empfehlungen.

Diese Klassifizierung ist wichtig, sagt sie doch aus, ob die Impfungen vom Staat subventioniert werden oder nicht. Natürlich gibt es noch viele andere Impfungen, wie zum Beispiel Grippeimpfungen, aber die müssen dann entsprechend komplett aus eigener Tasche bezahlt werden.

Der Großteil der Japaner lässt sich und die Kinder impfen. In Japan Geborene erkennt man zum Beispiel schnell an 9 verschwommenen Punkten auf dem Oberarm – markantes Zeichen der in Japan gängigen BCG-Impfung (gegen das TBC verursachende Calmette-Guérin-Bazillus), die im Alter von ca. einem Jahr mit einer neunnadligen Spritze verabreicht wird.

Die Frage wird sein, ob man Corona als Kategorie-A-Krankheit einstufen wird oder nicht. Das würde zwar, wie oben erwähnt, nicht bedeuten, dass Impfzwang entsteht, doch die Bereitschaft würde sicher wachsen, da die Regierung ja quasi die Menschen „verpflichtet, sich nach Kräften zu bemühen“.

Es steht viel auf dem Spiel – die Gesundheit vieler Menschen, die Wirtschaft – und die Olympischen Spiele. Denn jetzt nimmt die Diskussion darüber, ob die Spiele in diesem Jahr überhaupt stattfinden können, richtig Fahrt auf – und sie steht und fällt mit der Impfdebatte.

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

2 Kommentare

  1. Also, mit Impfungen kenne ich mich nicht so gut aus, aber die Vorbehalte gegen die Pille kann ich verstehen. Leute die diese Pillen einnehmen pumpen sich mit Hormonen voll. Das kann nicht gesund sein. Ansonsten hast du ja selbst geschrieben das viele Japaner Impfpro sind.
    Ich währe ja dafür das man dieses Jahr einen weltweit einen richtigen Lockdown mach und die Leuten mitteilt das eine einfache Impfung nicht ausreicht und alles wieder im Lot ist, sondern das zumindest im diesen Jahr die Leute großflächig auf Kontakte verzichten muss.

  2. Die Behauptung, einer der verschiedenen Impfstoffe verursache Krebs, ist ja bereits widerlegt, ganz einfach durch die Tatsache, dass das aus mehreren Gründen medizinisch nicht möglich ist ( z.B beim Pfizer/Biontech- Impfstoff weil der aus Eiweiß besteht, was im Körper in kurzer Zeit abgebaut wird). Aber vernünftige Erklärungen helfen ja bekanntermaßen oft nicht gegen unvernünftige Behauptungen.
    Im Übrigen müßte doch gerade in Japan unter Berücksichtigung des hohen Anteils Älterer eine Förderung der Impfung (und insbesondere der Älteren und Vorerkrankten) absolute Priorität haben …

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