BlogSuga wird neuer Premier | Verwirrende Corona-App

Suga wird neuer Premier | Verwirrende Corona-App

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Heute stimmten 534 Parteimitglieder – 393 Parlamentsabgeordnete und 141 Vertreter der Ortsverbände der LDP – über den zukünftigen Parteichef ab, nachdem der langjährige Amtsinhaber Shinzo Abe aufgrund eines chronischen Leidens den Posten des Parteivorsitzenden und den des Ministerpräsidenten aufgab. Wie von allen erwartet machte Suga dabei das Rennen – mit 70% der Stimmen holte er sich eine satte Mehrheit und damit den Segen der Partei. Traditionsgemäss wird der Parteivorsitzende der Regierungspartei auch Ministerpräsident, was am Mittwoch vom Unterhaus abgesegnet werden muss. Da die LDP dort über eine bequeme Mehrheit verfügt, ist die Kür von Yoshihide Suga nur noch eine reine Formsache.

Abgeschlagen auf Platz 2 lag Fumio Kishida mit 89 Stimmen und auf Platz 3 der ehemalige Verteidigungsminister Shigeru Ishiba. Suga hat nun ziemlich genau ein Jahr Zeit, sich zu behaupten — dann endet nämlich die Amtsperiode des jetzigen Ministerpräsidenten. Viel Neues dürfte man dabei vom Neuen nicht erwarten – er war schon immer die treue rechte Hand von Shinzo Abe und liess bei diversen Interviews schon durchblicken, dass er die jetzige Politik weiter verfolgen wird. Aus Versehen liess er dabei in der vergangenen Woche durchblicken, dass er eine weitere Erhöhung der Mehrwertsteuer für unabdingbar halte – nur, um kurz darauf wieder zurückzurudern und zu sagen, dass dies in den folgenden 10 Jahren nicht nötig sein werde. Sugas Wort in Gottes Ohr…


Seit Juni 2020 gibt es auch in Japan eine „Corona-App“, genannt COCOA, und die funktioniert ähnlich wie vergleichbare Apps in anderen Ländern. Mittels Bluetooth sammelt das Smartphone Identifikationsnummern der Mitmenschen. Wird ein User positiv getestet, so meldet er dies über die App, und alle anderen User, die sich in den vergangenen 14 Tagen länger als 15 Minuten 1 Meter oder näher des Infizierten befanden, werden alarmiert – damit sie sich so selber testen lassen können. Die App entstand im Auftrag des Ministeriums für Gesundheit, Arbeit und Soziales und soll in Sachen persönlicher Daten sehr sicher sein. Wie auch anderswo üblich, wird der Quellcode deshalb komplett offengelegt (einzusehen bei Github). In der vergangenen Woche lag die Zahl der Downloads bei rund 16 Millionen – das wären also rund 13% der japanischen Bevölkerung. Und: Viele Ausländer in Japan scheinen nicht von der App zu wissen – dabei kann die App sogar Englisch und Chinesisch. iOS-User können sie hier und Android-User hier herunterladen.

Die App entpuppt sich allerdings als schwer verständlich, zumindest auf dem iPhone. Dort erhielt ich nun schon zwei Mal eine Nachricht – jeweils mitten in der Nacht:

COCOA-Warnung
COCOA-Warnung

Die Warnung besagt, dass „sie möglicherweise mit einem Corona-Infizierten Kontakt hatten. Klicken Sie hier, um mehr zu erfahren.“ und so weiter. Klickt man auf die Nachricht, gelangt man zur App, die mir dann mitteilte, dass ich keinen Kontakt hatte. Darüber wundert sich natürlich auch viele andere Nutzer. Um die Sache zu überprüfen, kann man dann unter „Privacy > Health Care > Cocoa“ auf die Logs zurückgreifen und diese sogar herunterladen (im JSON-Format). Ein Tageseintrag sieht dann so aus:

    {
      "Hash" : "B8AC5291998ThIsISjustAranDomHashAndSOon35DD15E436B5647A2",
      "RandomIDCount" : 36,
      "MatchCount" : 0,
      "DataSource" : "jp.go.mhlw.covid19radar",
      "Timestamp" : "2020-09-12 02:00:22 +0900"
    },

Ich vermute mal, dass „RandomIDCount“ bedeutet, wie viele User der App man getroffen hat, und „MatchCount“ dann die Zahl der später positiv Getesteten. Viele User sind verwirrt – rufen das Gesundheitsamt an, und hören immer das Gleiche: Man sollte sich keine Sorgen machen, alles sei in Ordnung, und man solle erst wieder anrufen, wenn man Symptome zeigt. Das ist verwirrend. Die Idee dieser App ist nämlich als solche sehr gut: Man braucht einfach mehr Daten, um Infektionsherde und -ketten ausfindig zu machen. Wenn dann jedoch keine Taten folgen, ist das Ziel leider verfehlt. Schade eigentlich.

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

3 Kommentare

  1. Hi,
    dass „die Idee dieser App sehr gut ist“, möchte ich etwas relativieren. Der bekannte Sicherheitsforscher Bruce Schneider hat hierzu vor einiger Zeit einen meines Erachtens guten Artikel geschrieben: https://www.schneier.com/blog/archives/2020/05/me_on_covad-19_.html
    Die COCOA App wurde laut GitHub zuletzt vor 7 Tagen aktualisiert, unter anderem die Methode, welche für die Benachrichtigung von Nutzern hinsichtlich möglicher Expositionen zuständig ist. Meine Vermutung wäre, dass damit die „False Positive“-Notifications entfernt wurden.
    Vielleicht wäre es aber auch gar keine schlechte Idee, einfach jeden Tag den Nutzer in die App zu locken, sodass dieser nicht das gleiche Schicksal widerfährt wie der deutschen App, welche von den Batterieoptimierungsmechanismen der mobilen Betriebssysteme einfach „eingeschläfert“ (und damit nutzlos) wurde, wenn der User die App nicht regelmäßig in den Vordergrund geholt hat.
    Viele Grüße,
    Fabian

  2. Nun, dann wollen wir doch einmal sehen, was der Reiwa Opa so das nächste Jahr macht oder eben nicht macht. Bin mal gespannt darauf, wie die nächste Wahl ausgehen wird.

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