BlogCorona-Update: Der Ausnahmezustand kommt

Corona-Update: Der Ausnahmezustand kommt

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Wie heute bei einer Pressekonferenz bekannt wurde, wird Ministerpräsident Abe am 7. April (also morgen) den Ausnahmezustand ausrufen – zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte Japans. Der Ausnahmezustand soll für die Präfekturen gelten, die die meisten COVID-Fälle aufweisen:

  1. Tokyo
  2. Osaka
  3. Kanagawa
  4. Saitama
  5. Chiba
  6. Hyogo
  7. Fukuoka

Der Ausnahmezustand soll vorerst für einen Monat gelten und den Präfekturen mehr Möglichkeiten geben, aktiv gegen eine weitere Ausbreitung des Virus vorzugehen. Vor allem in Tokyo schossen die Zahlen seit Tagen in die Höhe — mehr als hundert neue, bestätigte Fälle pro Tag waren es allein dort am Sonnabend (117) und Sonntag (143), und bei den meisten neuen Fällen konnte man den Ansteckungsweg nicht nachvollziehen. Heute kamen angeblich lediglich 83 neue Fälle hinzu, aber di Zahlen sind jeden Montag niedriger – wahrscheinlich weil am Wochenende weniger getestet wird. Der Trend ist klar: Die Zahl der Fälle nimmt immer weiter zu.
Der Ausnahmezustand soll bezwecken, dass alles Erdenkliche getan wird, um einen Zusammenbruch des Gesundheitswesens zu vermeiden. Ausserdem soll es den örtlichen Behörden dabei helfen, weitere, verschärfte Massnahmen einzuführen, doch zu einem „Lockdown“ soll es angeblich nicht kommen. Was genau kommen wird, ist völlig unklar und möglicherweise von Präfektur zu Präfektur unterschiedlich. Wahrscheinlich wird man damit beginnen, Orte zu schliessen oder zumindest reglementieren, an denen viele Personen zusammenkommen – Restaurants, Bars und Pachinkohallen zum Beispiel. Eine Einschränkung des Nahverkehrs ist auch denkbar, um möglichst viele Menschen davon abzuhalten, hin- und her zu pendeln.
Ziemlich unglücklich war leider die Tatsache, dass heute an vielen Schulen in und um Tokyo Einschulungsfeiern bzw. Veranstaltungen zur Eröffnung des neuen Schuljahres abgehalten wurden. Wir beschlossen dabei, dass unsere Tochter (13) teilnehmen kann, in der Hoffnung, dass die Schule den Umständen entsprechende Maßnahmen ergreift – unser 9-jähriger aber nicht, denn wir kennen ihn: Wenn x verschiedene gefährliche Keime unterwegs sind, wird er genau x+1 davon nach Hause bringen. Wir sind dabei sicherlich nicht die Einzigen, die die Veranstaltung boykottiert haben – das wissen wir aus dem näheren Umfeld.
Ich für meinen Teil habe mir einen Parkplatz in Büronähe organisiert, kostet ja nur schlappe 450 Euro pro Monat, und werde fortan mit dem Auto zur Arbeit pendeln. Das sollte dabei helfen, dass Risiko wenigstens ein bisschen zu mindern.
Übrigens schauen auch in Japan immer mehr Menschen mit etas Neid auf Deutschland: Auf die Geschwindigkeit der verhängten Maßnahmen, die schnelle wirtschaftliche Hilfe, das Gesundheitssystem und eine souveräne Kanzlerin. Alles Dinge, die hier in Japan fehlen. Die angedachten Hilfsmaßnahmen für die Bevölkerung sind halb durchgedacht und noch nicht mal auf dem Weg, die Reaktionen der Politik zu zögerlich und das Gesundheitssystem bereits jetzt am Rand des Zusammenbruchs.

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

13 Kommentare

  1. Deutschland als Vorbild?
    Hier wurde auch viel zu langsam gehandelt und bis jetzt haben die Maßnahmen nur minimal was gebracht. Ich sehe hier leider auch täglich viel zu viele Leute, die sich einfach nicht an die Regeln halten. Das, was die Polizei da zur Anzeige bringt, ist ja nur ein gaaanz kleiner Teil. Die können einfach nicht immer und überall sein.
    Man muss auf den gesunden Menschenverstand hoffen und der ist hier leider schon lange abhanden gegangen. Ich sag nur „Klopapier“.
    Ich befürchte, dass Japan schon viel zu spät dran ist. Da „offiziellen“ Zahlen sind jetzt etwa so hoch wie in Deutschland als wir hier die ersten Maßnahmen ergriffen hatten. Und ob es klug ist, das nur in ausgewählten Präfekturen zu tun, wenn man weiterhin lustig umeherreisen kann im Land … hmmm … wir werden sehen.
    Ich schaue auf jeden Fall jeden Tag ganz gespannt auf die Entwicklungen in Japan. Danke für die Updates von deiner Seite!!
    Urghs … 450€ für einen Parkplatz ……

    • Naja, das Gras ist immer grüner auf der anderen Seite! Deutschland scheint allerdings weitaus mehr zu tun, um der Wirtschaft zu helfen. Inwiefern das bei den Leuten ankommt, kann ich natürlich nicht beurteilen.

    • „Hier wurde auch viel zu langsam gehandelt“
      Zustimmung. Allerdings keineswegs nur in Deutschland. Und im Vergleich zu USA / GB stehen wir noch sehr gut da …
      „und bis jetzt haben die Maßnahmen nur minimal was gebracht.“
      Das ist Unsinn. Ohne Gegenmaßnahmen hätten wir nicht 100.000 Infizierte, sondern mehrere Millionen. Verdopplungsrate ist von unter drei Tagen auf 11 Tage gesunken.
      „Ich sehe hier leider auch täglich viel zu viele Leute, die sich einfach nicht an die Regeln halten.“
      Ich weiss ja nicht wo du wohnst, aber hier in Dresden habe ich bisher nur brave Menschen gesehen, die sich an die Regeln halten. Wir tun das natürlich auch.
      „Man muss auf den gesunden Menschenverstand hoffen und der ist hier leider schon lange abhanden gegangen. Ich sag nur “Klopapier”.“
      Das ist wohlfeiles Gelaber (nicht nur von dir). Es ist immer leicht zu sagen „Oh mein Gott, die sind ja alle so kurzsichtig und dumm“. Hamsterkäufe sind überall auf der Welt aufgetreten und betreffen keineswegs nur Klopapier.
      Wir haben vor ein paar Wochen auch „gehamstert“ und ich sehe keinen Grund mich dafür zu schämen. Ich habe Kinder zu ernähren und eine Familie zu beschützen.
      Klopapier haben wir übrigens drei Packungen gekauft. Dann gab es ein paar Wochen keines und vor ein paar Tagen (da hatten wir nur noch drei Rollen) habe ich wieder welches gefunden. (Das nur am Rande.)
      „Ich befürchte, dass Japan schon viel zu spät dran ist. Da “offiziellen” Zahlen sind jetzt etwa so hoch wie in Deutschland als wir hier die ersten Maßnahmen ergriffen hatten.“
      Nein, die offiziellen Zahlen in D. waren da schon weiter. Allerdings sind die japanischen Zahlen meiner Meinung nach nicht annähernd korrekt. Es wird nach wie vor kaum getestet. Also vielleicht schon vergleichbar.
      „Und ob es klug ist, das nur in ausgewählten Präfekturen zu tun, wenn man weiterhin lustig umeherreisen kann im Land … hmmm … wir werden sehen.“
      Natürlich nicht. Gab / gibt es in D. ja auch. Jedes Bundesland ein bisschen verschieden ….

  2. Doch, es kommt an. Noch zu langsam weil viele Banken nicht richtig mit ziehen. Und sich quer stellen und die Kreditwürdigkeit kleiner Unternehmer anzweifeln. Naja, natürlich sieht das gerade schlecht aus beim geschlossenen Frisörsalon! Deshalb gibt es ja das Geld.
    Aber Kurzarbeitergeld wird ausgezahlt, das ging alles sehr schnell.
    Den wirtschaftlichen Schaden wird man erst in ein paar Wochen genau beziffern können. Es trifft viele Menschen hart. Aber politisch werden große Pakete geschnürt und ich hoffe, dass wir europäische Solidarität groß schreiben. Da muss noch viel mehr passieren.
    Ich hoffe, dass Japan in dieser Pandemie eine Ausnahme bleibt. Eine positive Ausnahme, bei der die Infektionszahlen nur langsam steigen und wenige Menschen sterben. Damit diese Untätigkeit keine schweren Folgen hat.

  3. Dieses zögerliche Verhalten der japanischen Regierung ist wirklich nur schwer zu ertragen. Abgesehen von der 2-Masken Aktion und die Diskussion über Essensmarken für Fleisch und dann doch Fisch oder doch was anderes…
    Was mich gestern sehr erschrocken hat, war die Meldung vom Schwiegervater, dass bereits ein größerer Lebensmittelzulieferer für Restaurants aus Fukuoka aufgrund der Corona-Krise insolvent gegangen ist. Und das ohne Lockdown… Die Besucherzahlen in Restaurants gehen natürlich schon so zurück.
    Bei der Geschwindigkeit vermute ich mal, dass es denen schon im Vorfeld nicht ganz gut ging. Aber es zeigt deutlich wie knapp einige Unternehmen kalkulieren und anfällig sind. Sei es durch zu großen Optimus oder aufgrund der vorherigen Wirtschaftslage.

    • Naja, was erwartest du von einer Regierung, die eine Mischung aus CDU und AfD ist. Einmal gut durchrühren und fertig.
      Aber und Konsorten traue ich genau so weit wie ich spucken kann.

  4. „souveräne Kanzlerin“
    Im Vergleich zu Abe … da wirkt die Merkel tatsächlich wie ein Paragon der Vernunft und Regierungsführung.
    Meine Freunde und Kollegen in Japan sind übrigens beinahe ausnahmslos im Homeoffice.
    Eine Freundin ist Dozentin und ist jetzt für’s Erste komplett arbeitslos. Die bangt auch um ihre Ersparnisse …
    Da bin ich heilfroh beruflich voll ausgelastet zu sein. Ich arbeite immer noch Vollzeit und es gibt viel zu tun. Ich arbeite drei Tage die Woche im Homeoffice und das ist wirklich anstrengend mit den Kindern zu Hause. (Frau arbeitet Vormittags.) Wenn ich da immer diese Journalisten von der ganzen „freien Zeit“ zu Hause reden höre, deckt sich das nicht mit meiner Lebenswelt …
    Mal sehen, wie es in ein paar Monaten aussehen wird.

  5. 450 € für nen Parkplatz, du lieber Himmel. Meine Miete für die Wohnung ist geringfügig höher, und da springt neben dem normalen 2-Zimmer Wohnbereich noch ein Arbeitszimmer/Biblikothek raus (schmales Kinderzimmer).
    Zum Glück, denn so habe ich keine Probleme mit dem Home Office.
    Ich drücke den Japanern die Daumen, aber fürchte, das wird noch richtig schlimm.

    • In New York habe ich damals noch mehr bezahlt und in London ist der Parkplatz auch nicht billiger. Wir dürfen bitte Tokio nicht mit Flensburg, Greifswald, Oberammergau oder Gersfeld in Hessen vergleichen.

  6. Frage an Statistiker: Es wird oft berichtet: In Japan werden nur „schwierige“ Fälle getestet. Also, ich habe gerade nachgeguckt in „Our World in Data“. Stand 9.4.2020: In Japan wurden 64384 „schwierige“ Fälle getestet, davon waren es wohl ca. 8 % CoVid 19 positiv. D.h. doch 92 % waren trotz der „schwierigen“ Fällen CoVid 19 negativ (aktuell, 10.4.2020 lt. Johns Hopkins Universität 5530 Fälle in Japan CoVid posiiv)? Wenn ich irgendwo einen „Denkfehler“ gemacht habe, daraufhin hätte ich bitte gern eine Antwort, vielen Dank.

    • Auf was brauchst du denn eine Antwort? Ich bin Statistikerin, weiß aber nicht genau, worauf du hinaus willst.
      Die öffentliche Datenlage ist allerdings auch schwer durchschaubar.
      Besonders wichtig sind Intensivbetten und deren Belegung. Das Virus ist letztlich für das Individuum ja nicht gefährlich. Natürlich sterben Menschen daran aber individuell gesehen ist das Risiko gering wenn man nicht einer Risikogruppe angehört. Das Problem ist die Belastung des Gesundheitssystem. Und alles was ich weiß ist, dass Japan da deutliche Probleme hat. Eine alte Bevölkerung auf der einen Seite und wenige Intensivbetten auf der anderen Seite.
      Auch in Deutschland sieht man ja mittlerweile, dass die gesundheitlichen Kosten auf vielen Seiten extrem hoch sind weil man alles auf corona ausrichtet. Die Krankenhäuser berichten von viel weniger Schlaganfall und Herzinfarkt Patienten. Jugendpsychiatrien wurden geräumt, um Platz zu machen. Menschen, die jetzt auf sich gestellt sind! Es gibt wenige Psychotherapien, depressive Menschen haben aber häufig ein hohes suizidales Risiko. Krebstherapien werden verschoben. Bisher hat Deutschland die corona Krise ganz gut im Griff, der Preis ist dennoch hoch.

      • Vielen Dank, genau den Satz wollte ich nur hören/lesen:“Die öffentliche Datenlage ist allerdings auch schwer durchschaubar.“

    • Weiss leider nicht mehr, wo gelesen (hier bei tabibito evtl gar?), aber die Anforderung zum Test ist wohl mind. 4 Tage lang Fieber (>37.5°) gehabt zu haben. Das ist schon eine ganz ordentliche Hürde (und laut Drosten-Studien ist die Ansteckungsgefahr dann quasi schon vorbei).
      Die 92% „schwierigen“ Fälle hatten demnach Fieber, aber eben aus anderen Gründen als Covid-19. Gibt ja dann doch noch die ein oder andere Krankheit – sogar in Covid-Zeiten – die ebenfalls Fieber als Symptom aufweist.

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