BlogCorona in Japan-Update: Stand 16. März

Corona in Japan-Update: Stand 16. März

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Nach wie vor beherrscht Corona die Nachrichten in Japan — allerdings nicht ganz so sehr wie in Europa, wie es scheint. Jeden Tag kommen ein paar dutzend neue Fälle hinzu – gestern sollen es 34 gewesen sein – und damit hält der Status Quo weiterhin an. Die Zahl der Neuansteckungen bleibt konstant, und die meisten neuen Fälle können einem von insgesamt 10 bisher entdeckten Clustern zugeordnet werden. Ein Cluster befindet sich in Tokyo, ein grösseres in Osaka, eins in Nagoya und der Rest auf der nördlichsten Insel, Hokkaido. Allerdings hat ein hoher Offizieller des 国立感染症研究所 NIID (National Institute of Infectious Diseases) nun vorausgesagt, dass er die tatsächliche Zahl der Ansteckungen für wesentlich höher einschätzt, sprich er geht von einer hohen Dunkelziffer aus, da kaum junge Leute aus dem Umfeld besagter Cluster getestet würden. Wenn diese also keine Symptome entwickelt haben, würde man nicht herausfinden, ob sie auch infiziert sind oder nicht. Wie jedoch in der vergangenen Woche berichtet, kommt in dieser Woche ein Schnelltest auf den Markt – der entdeckt zwar nur Antikörper bei Menschen, die zu irgendeinem Zeitpunkt mit dem neuen Virus infiziert waren, aber dieser Test könnte zum Beispiel dem NIID dabei helfen, herauszufinden, wie stark die Verbreitung wirklich fortgeschritten ist.
Nun hat Ministerpräsident Abe seit der vergangenen Woche die rechtlichen Mittel, um einen nationalen Notstand auszurufen – doch bei einer Pressekonferenz am Sonntag gab er bekannt, dass nach Beratung mit Experten zu dem Entschluss gekommen sei, dass die Ausrufung des Notstands beim jetzigen Stand der Dinge nicht nötig sei. Dementsprechend plätschert das Leben vor sich hin: Die grossen Themenparks und Museen haben geschlossen, auch grössere Veranstaltungen, inklusive Sportveranstaltungen sind abgesagt, doch in den Läden und Kaufhäusern ist es voll wie eh und je, und auch Gaststätten und Restaurants haben geöffnet. Auch die Hamsterkäufe haben sich etwas beruhigt – es gibt hier und da sogar wieder Toilettenpapier. Nun wird auch öffentlich diskutiert, ob und wann man die Schulen wieder öffnen soll. Private Schulen sind da etwas weiter – die Juku (private Schulen, in denen sich Kinder zusätzlich auf Prüfungen vorbereiten) meiner Tochter zum Beispiel nimmt ab morgen wieder offiziell den Lehrbetrieb auf – nach einer guten Woche Tele-Unterricht).
In der Zwischenzeit überlegt die Regierung, wie sie die Wirtschaft und die Menschen unterstützen kann. So werden Stimmen laut, die Mehrwertsteuer auf begrenzte Zeit zu senken. Diese wurde ja erst im Oktober des vergangenen Jahres von 8 auf 10% erhöht, was zu einem Einbruch des Wirtschaftswachstums führte. Ausserdem verlängert man diverse Fristen – zum Beispiel die der Abgabe der Steuererklärung, oder die Frist zur Erneuerung des Führerscheins.
Natürlich reisst auch die Debatte um die Olympischen Spiele nicht ab. Noch ist man optimistisch, aber es gibt immer mehr Skeptiker. Logisch. Selbst wenn sich die Lage in Japan bis Juli weitestgehend stabilisiert haben sollte – momentan muss man schon sehr optimistisch sein, um das auch für den Rest der Welt anzunehmen. Während bis Februar noch Ostasien als grösstes Risikogebiet galt, ist es nun Europa – und danach vielleicht Amerika. Bei einer Umfrage in Japan glaubten knapp 70% nicht mehr daran, dass die Olympischen Sommerspiele wie geplant stattfinden können. Eine Verschiebung hätte jedoch weitreichende Folgen: SMBC Nikko Securities Inc. schätzt, dass beim Nichtstattfinden der Spiele in diesem Jahr das Bruttoinlandsprodukt um bis zu 1,4% einbrechen könnte. Zusätzlich zu dem zu erwartenden, vom Corona ausgelösten Einbruch, versteht sich. Wie hoch die Rechnung aber letztendlich sein wird, kann wohl niemand im Moment so genau sagen.
Sollte man momentan als Tourist nach Japan reisen? Mittlerweile muss ich persönlich zumindest die Frage mit einem „Nein“ beantworten. Nicht, weil die Ansteckungsgefahr gewachsen ist. Aber dies ist einfach nicht die Zeit, zum Vergnügen und via zahlreicher Flughäfen durch die Welt zu touren und damit möglicherweise dazu beizutragen, das Virus weiter zu verbreiten.

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

6 Kommentare

  1. Interessant, Japan ist da, wo wir noch vor ein paar Wochen waren.
    Seite heute ist es wirklich recht dramatisch hier in Deutschland. Die Entscheidungen gelten nicht alle bundesweit, aber größtenteils sind alle Schulen, Kindergärten usw. zu, Gaststätten und Restaurants haben verkürzte Zeiten, es wird darüber diskutiert alle Läden zu schließen, die nicht für den täglichen Bedarf nötig sind (also alles außer Supermärkte, Apotheken, Banken).
    Viele Firmen schicken die Mitarbeiter in Home Office. Auch in meiner Firma wurde diese Entscheidung heute spontan gefällt. Wir sind aber gar nicht wirklich darauf vorbereitet und es gibt einfach Dinge, die man nur vor Ort machen kann und so werde ich z.B. nach wie vor jeden 2. Tag ins Büro fahren. Aber ich fahre mit dem eigenen Auto, nicht mit den öffentlichen, also hab ich auch keinen Kontakt zu anderen in der Zeit.
    Bei uns sind die Hamsterkäufe derzeit absolut fatal. Sowas hab ich nicht mal im März 2011 in Japan erlebt! Ich musste heute in 4(!) verschiedene Supermärkte nur um frisches Gemüse zu finden und Klopapier hab ich schon seit Wochen keines mehr gesehen …..
    Veranstaltungen sind eh alle abgesagt, sämtliche Sportvereine machen zu, meine vhs-Kurse sind auch alle auf Pause …..
    Ein echt komisches Gefühl momentan. Ich finde es unglaublich schwierig zu entscheiden, was genau jetzt das richtige Maß ist. Wissen tut es keiner genau, wir haben nicht genug Erfahrung damit, wir können nur nach Italien und China schielen …..
    Ich hoffe wirklich, dass Japan das nicht auch blüht …. aber ich glaube wirklich nicht mehr an die olympischen Spiele dieses Jahr (wie auch 70% der Japaner laut Umfrage …).

  2. … was wollen die Leute mit so viel Toilettenpapier? Meine Nachbarin erzählte mir, am Samstag gingen zwischen 6 und 8 Packungen pro Kunde an der Kasse vorbei. Es ist mir ein Rätsel was die Menschen damit machen.
    Mit den Neuinfektionen legt Deutschland jetzt erst mal so richtig los. (CSSE), Johns Hopkins University schreibt aktuell von 7272 Personen und das RKI liegt mit 6012 Personen im Rennen. Je nach dem wie viel Panik man schiebt, kann man sich die Zahlen zu Beruhigung zurecht legen.

  3. Ich kenne einige Japaner die nicht wegen einer Erkältung zum Arzt gehen würden.
    Bei Influenza Symptomen, das auch nur Notgedrungen zum Arzt gehen und dann eine Woche Urlaub nehmen würde.
    Kurz gesagt, Sie kurieren eine Erkältung bei der Arbeit aus.
    Wenn dieser Test nicht von der Japanischen Regierung verordnet und bereitgestellt wird. Dann bleiben die Dunkelziffer sicherlich auf Dauer im dunklen.

  4. Bei uns in Österreich herrscht quasi schon Ausgangssperre. Wenn man nicht für unbedingt nötige Besorgungen raus muss, dann soll man zu Hause bleiben. Ich bin seit Montag im HO. Bei uns ist zum Glück alles vorbereitet, nur die VPN-Server gingen bei über 1000 Verbindungen eine Zeit lang in die Knie.
    Das mit den Lebensmittelgeschäften ist einfach Irsinn. Man muss Hamsterkäufe machen, weil alle anderen Hamsterkäufe machen… Dazu: Es ist genug da, die Lager sind voll, nur mit dem Nachräumen kommen die Angestellten nicht nach.
    Ich selbst bin in der IT der Lebensmittelbranche und unsere Onlineshops haben in den letzten Wochen immer wieder neue Bestellrekorde aufgestellt. Ich hoffe das normalisiert sich bald wieder.

  5. Bernd, das frage ich mich ernsthaft auch: was macht man mit dem Klopapier?
    Ich war heute einkaufen, immerhin muss ich fünf Menschen ernähren und es gab viele viele Dinge nicht. Vor allem frisches Obst und Gemüse ist nicht zu finden.
    Ja, was macht man jetzt? Mein Mann und ich sind im Home Office, die drei Kinder daheim. Wir versuchen irgendwie, die Arbeit fertig zu bekommen und mit den Kindern zu lernen usw. Alle Kontakte außerhalb der Familie sind momentan abgesagt. Allerdings läuft Berlin munter weiter draußen rum und vor allem die möglichen Hochrisikopatienten tummeln sich draußen und trinken Kaffee mit Freunden. Ich bin ehrlich genervt von dem Verhalten.
    Es müssen so viele Menschen ums ökonomische Überleben kämpfen. Kleine Ladenbesitzer, viele Künstler, kleine Unternehmer…. währenddessen sich die Risikogruppen weiter munter treffen, für die wir das ja solidarisch (und das finde ich richtig) als Gemeinschaft tun.
    Meinen Eltern habe ich jedenfalls erstmal deutlich gesagt was ich von Einkäufen und bummeln über den Markt halte während ich drei Kinder eingesperrt in der Wohnung bespaße und gleichzeitig arbeite, damit die Firma nicht in 4 Monaten am Ende ist.
    Und ja, reisen ist gerade einfach nicht angesagt. Japan braucht bestimmt nicht noch Europäer, die corona als Gastgeschenk mitbringen.

    • Lidl und Aldi sind nicht in der Lage ihre Produkte zu rationieren. Das Ergebnis: die Regale sind Leer, nur das wirklich sündhafte Zeug und das was man nicht braucht, lagen noch da. Kühlregal leer, Obst und Gemüse bis auf wenige klägliche Reste weg, Nudeln, Reis und sonstige Nahrungsmittel dieser Kategorie sind ausverkauft. Die Regale sehen aus wie zu Kim Jong-il
      Zeiten. Vorsichtig geschätzt sind 40 bis 50% der Regale frei.
      Bei EDEKA z.B., klappt das wunderbar. Überall hingen Schilder das nicht alle zur Zeit begehrten Produkte in unbegrenzter Menge gekauft werden können. Unbelehrbare wurden durch einen privaten Sicherheitsdienst zur Räson gebracht und durften den Laden verlassen. Die Menschen verfallen regelrecht in Raserei und lassen ihre guten Manieren zu hause.
      Die Flieger sind bis auf wenige Ausnahmen gestrichen. Ein kleiner Überrest ist noch unterwegs. Der Himmel ist regelrecht leergefegt. Keine Kondensstreifen mehr. Astrofotografie macht jetzt wieder Spaß!

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