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Corona-Wirren: Es ist nicht der Virus, es sind die Menschen

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Es ist hüben wie drüben: Es ist nicht der Virus, der so viele Dinge vor die Hunde gehen läßt – es ist die Unvernunft des Menschen. Sehr schön zu beobachten seit dem vergangenen Donnerstag, als die Regierung bekanntgab, alle öffentlichen Schulen im März schliessen zu wollen. Schnell machten erste Gerüchte die Runde, dass dies nur der erste Schritt sein könnte und möglicherweise Ausgangssperren und ähnliche drastische Maßnahmen folgen könnten. Also zogen die ersten – nicht Arbeitenden, wohlgemerkt, zu Drogerie- und Lebensmittelmärkten oder zu Costco & Co. Das Hauptaugenmerk der Beutezeugler lag auf Toilettenpapier und Taschentücher, später auch auf Trockennahrungsmittel wie Reis, Nudeln und ander Grundnahrungsmittel. Die Leute fingen an, Fotos von vollständig leergeräumten Regalen in den sozialen Netzwerken zu posten, was natürlich auch den Trägesten hochschrecken und zum nächsten Geschäft rennen liess, um dort zu hamstern, was noch zu hamstern ist.
Das Schlimme an der Sache ist, dass momentan eigentlich keine Engpässe zu erwarten sind. Sicher, Masken gibt es auf vorhersehbare Zeit nicht oder nur selten, zumal die Regierung jetzt beschlossen hat, Bestände von den Herstellern direkt aufzukaufen, um den Leuten in der besonders arg betroffenen Präfektur Hokkaido zu helfen. Aber Toilettenpapier? Selbst toilettenpapierähnliche Produkte wie Küchenpapier waren plötzlich aus den Regalen verschwunden. Bereits am Freitag, aber auch am Wochenende riefen Regierungsvertreter dazu auf, dass Hamstern zu lassen, denn man erwarte keine Engpässe. Egal: Heute morgen, am Montag, bildeten sich um 8 Uhr morgend wieder lange Schlangen vor den Drogeriemärkten. Und die ersten ganz Gewieften verkaufen Toilettenpapier und ähnliches auf einschlägigen Onlineverkaufsportalen wie Mercari & Co. – mit saftigem Aufpreis.
Saukomisch, wenn es nicht so traurig wäre, ist die Tatsache, dass in manchen Supermärkten selbst Pasta gehamstert wurde. Sicher, man isst auch in Japan italienische Pasta gern mal, aber es zählt nicht zu den Grundnahrungsmitteln in hiesigen Haushalten. Zu dem plötzlichen Nudelkaufrausch wird da ganz sicher der auch in den japanischen Nachrichten genüßlich zur Schau gestellte Kommentar eines italinienischem Rentners beigetragen haben, der da im Angesicht leerer Pastaregale wehklagte, dass es selbst zum Ende des Zweiten Weltkrieges nicht so schlimm gewesen sei.
Eigentlich soll man ja in Zeiten der Not zusammenrücken. Bei einer Epidemie sicher nicht das richtige Sinnbild, aber egal. Stattdessen zeigen hier nicht wenige – mal bewusst (Kleinhändler, die damit Geschäfte machen wollen), mal unbewusst (die verständliche Sorge von Hausfrauen und Großeltern, nicht schnell genug zu reagieren) eine Verhaltensweise, die deutlich macht, dass es nicht der Virus sein wird, der vieles zerstört, sondern der Mensch. Aber das ist ja nichts Neues. Das traurige ist zur Zeit nur, dass vor allem Eltern, vor allem aber arbeitende Eltern, die absoluten Verlierer sind. Die müssen damit leben, das ihnen von heute auf morgen bekanntgegeben wird, dass die Kinder ab nächster Woche einen Monat lang zu Hause bleiben müssen. Und wenn beide Elternteile auch noch arbeiten, können sie am späten Abend und am Wochenende dann sehen, was in den Geschäften übrig geblieben ist. In dem Sinne: Stay calm, und denkt an Eure Mitmenschen….

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

5 Kommentare

  1. Jau, man kommt sich schon fast vor wie in der ehemaligen „sogenannten“ (um beim damaligen Sprachgebrauch zu bleiben) DDR. Wochen- und monatelang kein Toilettenpapier, und dann 10-Jahres-Bedarf auf einmal angeliefert. Hamsterkaeufe sind auch fuer Japaner nicht so ungewoehnlich, und wenn es um die letzten Pakete geht, da ist auch nichts mehr von Zurueckhaltung und Freundlichkeit zu spueren. Mein Allerwertester steht mir naeher, als der des Nachbarn. Mal abwarten wie das , trotz der immer wieder geamchten Zusagen der Regierung, in den kommenden Wochen und Monaten aussehen wird.

  2. Auch die Deutschen hamstern – kulturell sehe ich keine Unterschiede: Reis, Nudeln, Toilettenpapier und Seife sind ausverkauft. Obwohl auch hier immer betont wird, dass es keine Engpässe geben wird!
    Ich finde das völlig unverständlich und ehrlich gesagt auch sehr unsozial. Wie du es so richtig beschreibst: ich renne nach der Arbeit in den Supermarkt bevor ich meine Kinder in Empfang nehme und finde da nichts mehr. Auch kein Toilettenpapier, was bei uns tatsächlich alle ist. Aber gut, mein Nachbar hat vermutlich 5 Packungen…

  3. Bei Aldi, z.B. gibt es (fast) keine Konserven mehr. H-Milch ist seit Samstag nicht mehr zu bekommen. Fertiggerichte in Dosen sind Mangelware. Man könnte meinen die Pest bricht jeden Augenblick aus und das Ende der Menschheit naht.
    Die Leute haben doch nicht mehr alle Nadeln an der Tanne. Es sind einige Wenige die alles in großen Mengen, was lange Haltbar ist, herausschleppen.

  4. „Apdait“ wie es so schoen auf Neudeutsch heisst.
    Jetzt seit einer Woche im hiesigen Drogeriemarkt die Regale mit „Papierartikeln“ leergefegt und an Nachschub ist nicht zu denken. Und das in einer Gemeinde mit rund 40.000 Einwohnern. Wir werden wohl doch so langsam das Toilettenpapier rationieren – zum Glueck haben wir ein Sch…haus mit eingebautem Popowasserstrahler). Und wenn alles nichts hilft, die „alte Presse“, sprich Zeiungen, die haben wir vor zig Jahren auch benutzt. Muss halt etwas gerubbelt werden.

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