BlogEskalierender Handelskrieg: Japan entfernt Südkorea von der "weißen Liste"

Eskalierender Handelskrieg: Japan entfernt Südkorea von der "weißen Liste"

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Eine Weile lang sah es so aus, als ob Japan keinerlei Gegenmaßnahmen bezüglich der Entscheidung südkoreanischer Gerichte, japanische Firmen direkt für Zwangsarbeit in der Zeit von 1910 bis 1945 in die Pflicht zu nehmen, unternehmen würde. Doch dem ist natürlich nicht so: Wie in der vergangenen Woche bereits von der Regierung angedeutet, soll Südkorea nun von der sogenannten „Liste weißer Länder“ entfernt werden. Diese Liste umfasst momentan 27 Länder, die unter das „Catch-all“ Kontrollsystem für Importe und Exporte fallen. Kurz gesagt erlaubt dieses System verhältnismässig unkomplizierte Handelsbeziehungen, da zahlreiche Regulatoren für den Warenverkehr wegfallen oder zumindest verkürzt werden. Diese Liste sieht momentan so aus:

Europa Österreich Belgien Bulgarien Großbritannien
Dänemark Finnland Frankreich Deutschland
Tschechien Griechenland Ungarn Irland
Italien Luxemburg Niederlande Norwegen
Polen Portugal Spanien Schweden
Schweiz
Nordamerika USA Kanada
Südamerika Argentinien
Australien/Ozeanien Australien Neuseeland
Asien Südkorea

Bisher hat Japan immer nur neue Länder zu dieser Liste hinzugefügt — dass ein Land aus dieser Liste gestrichen wird, ist ein Novum. Das bedeutet, dass der Warenverkehr zwischen Japan und Südkorea erheblich beeinträchtigt wird. Eine erste einseitige Massnahme trat bereits in der vergangenen Woche in Kraft und betrifft die Ausfuhr dreier bestimmter Chemikalien nach Südkorea: Dazu gehören vor allem solche, die für die Halbleiterherstellung benötigt werden. Bei bestimmten Substanzen bezieht die südkoreanische Industrie mehr als 90% der Materialen aus Japan. Die Ausfuhr wird nicht gestoppt oder verboten, doch der Export wird komplizierte und wesentlich länger dauern.
Auf den ersten Blick sieht diese Massnahme nach etwas aus, was Südkorea empfindlich treffen könnte. Bei näherer Betrachtung ist die Angelegenheit jedoch wie immer etwas komplizierter, denn:

  1. Japan bezieht einen großen Anteil seiner Halbleiter aus Südkorea – liegt also die südkoreanische Produktion still, hat das auch Auswirkungen auf Japan
  2. Die Maßnahmen treffen natürlich auch die japanischen Firmen, die nach Südkorea exportieren
  3. Südkorea kann dies als Gelegenheit begreifen, sich unabhängig von Importen aus Japan zu machen
  4. Wie der südkoreanische Präsident heute bereits angedeutet hat, wird Südkorea natürlich Gegenmaßnahmen ergreifen

Mit anderen Worten: Japan und Südkorea steuern auf einen formidablen Handelskrieg zu, und dieser Handelskrieg wird, wie so oft, keine Gewinner haben. Immerhin hat der südkoreanische Präsident Moon Jae-in heute Japan dazu aufgerufen, in einen Dialog zu treten, um die Situation zu entschärfen. Das ist bereits ein Fortschritt, denn bisher hat sich die südkoreanische Regierung lediglich genüsslich zurückgelehnt und auf die Unabhängigkeit südkoreanischer Gerichte verwiesen, was man in Japan natürlich als Farce empfindet.
In Japan befürworten laut einer Umfrage 59% der Japaner die Strafmaßnahmen; lediglich ein Viertel ist dagegen. Das ist nicht verwunderlich, denn die öffentliche Meinung über Südkorea ist auf einem Tiefpunkt, und, das muss man leider so sagen, Südkorea tut absolut gar nichts dafür, etwas an dieser Sache zu ändern. Ungeachtet von Abkommen auf Regierungsebene über die Beilegung der Zwangsarbeit- und Trostfrauenproblematik werden vor allem diese beiden Probleme immer wieder betont und auch durchaus aktiv im Ausland propagiert. Hinzu kommt auch noch ein schwelender Territorialstreit sowie Nicklichkeiten wie der andauernde Versuch Südkoreas, das Japanische Meer umzubenennen.

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tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

2 Kommentare

  1. Ein schöner und spannender Artikel, der wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Aspekte zusammenbringt.
    Es zeigt sich, dass unabhängige Institutionen oder Maßnahmen zur Versöhnung auch nach 100 Jahren unersetzlich bleiben. Die japanische Kultur des Ignorierens oder Abhakens der Vergangenheit ist schlicht nicht gut.
    59% Zustimmung ist eigentlich recht wenig, wenn man die allgemeine Unterstützung der Regierung betrachtet. Meiner Erfahrung nach ist das Korea-Bild der meisten Japaner deutlich positiver als die außenpolitische Haltung.

  2. Meine Freundin ist Japanerin und ich kann die negative Stimmung gegenüber Südkorea nur bestätigen. Ist so als Deutscher finde ich garnicht nachvollziehbar, das wäre ja als wenn wir Polen sanktionieren würde weil Polen deutsche Firmen verklagt die polnische Zwangsarbeiter angestellt hatten. Beides unvorstellbar. Aber meine Freundin hat wirklich gesagt, dass sie Koreaner hasst, dass diese dumm sind und nur dank Japan wirtschaftlich dort stehen würden wo sie heute stehen. War für mich schon ein wenig schockierend.

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