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Längste Phase wirtschaftlichen Wachstums seit Kriegsende erreicht… sagen die Statistiker

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Nun ist es also amtlich: Die japanische Wirtschaft ist 74 Monate lang kontinuierlich gewachsen – von Dezember 2012 bis ins Jahr 2018 hinein. Das ist, so betonen es die Politiker der Regierungspartei, länger als jede andere Wachstumsphase seit Ende des Zweiten Weltkrieges. Länger noch als der bisherige Rekordhalter, die „Izanami-Boom-Phase“ von 2002 bis 2008. Das sind doch mal erfreuliche Nachrichten, und es gibt in der Tat ein paar Anzeichen (wie bereits hier vor einem guten Monat beschrieben). Gefühlt läuft es in der Tat besser als zum Beispiel in den Jahren nach der Izanami-Phase, die ja abrupt vom Lehman-Schock unterbrochen wurden. Im Jahr 2009 allein sank das reale Bruttosozialprodukt um über 5%. Doch das Hochjubeln der jetzigen Phase ist nicht viel mehr als ein Statistikertrick. Denn das Wachstum in dieser Zeit lag von Jahr zu Jahr im Schnitt bei rund 1,2%, was man euphemistisch als „moderates“ Wachstum bezeichnen würde. In anderen Wachstumsphasen war das Wachstum wesentlich höher, aber es gab dann auch mal einen schwachen Monat dazwischen, so dass man sich das schwache Wachstum momentan auf diese Art und Weise hochrechnen kann.
Merkt man das anhaltende Wirtschaftswachstum persönlich? Nun, mit heranwachsenden Kindern schon mal gar nicht, denn je älter die Kinder werden, desto teurer wird die Erziehung, und da muss man die Kinder noch nicht mal auf Privatschulen schicken – es kostet auch ohne Privatschulen schon viel Geld. Das Problem mit dem Wachstum ist jedoch, dass es bei den Menschen nicht ankommt. Die Regierung brüstet sich zur Zeit auch mit der guten Beschäftigungslage – es herrscht quasi Vollbeschäftigung, und an allen Ecken und Enden fehlen Arbeitskräfte. So weit, so gut. Schaut man sich allerdings die Entwicklung der Durchschnittseinkommen an, so sieht man schnell, wie der Hase läuft. Während das Durchschnittseinkommen im Jahr 2008 bei über 4,6 Millionen Yen lag (also bei knapp 40,000 Euro), so waren es 2016 nur etwas über 4,4 Millionen Yen. Das hat zwei Gründe: Einerseits wird bei vielen Firmen ein guter Teil des Gehalts als Boni bezahlt. Hat die Firma also Probleme, sinkt der Bonus und damit das Einkommen. Ein weiterer, wesentlich wichtigerer Grund ist jedoch, dass sich der Niedriglohnsektor (genau wie in Deutschland) immer weiter ausbreitet. Doch damit nicht genug: Nicht nur sinkt das Durchschnittsgehalt, sondern auch das verfügbare Einkommen sinkt, und zwar schneller als das Gehalt – und das wird 2019 nicht besser, wenn die Mehrwertsteuer von 8 auf 10% erhöht wird. So gesehen ist der momentan von der Regierung so gepriesene endlos lange Aufschwung etwas, was bei den Menschen nicht ankommt. Wer das ganze optimistisch sehen möchte, kann sich da nur an zwei Dingen festhalten: 1) Ist es momentan besser als kurz nach dem Lehman-Schock, und 2) Ist es eigentlich erstaunlich, dass überhaupt noch etwas wächst, denn seit 2015 ist das Bevölkerungswachstum negativ, einhergehend mit einer rapiden Überalterung der Gesellschaft. Es arbeiten also weniger Menschen als noch vor 10 Jahren zum Beispiel, und dennoch wächst die Wirtschaft. Da läge es doch auf der Hand, diesen immer weniger werdenden Menschen auch ein anständiges Gehalt zu zahlen.

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

8 Kommentare

  1. Au ja, fein, mehr Gehalt das waere was. Leider ist es aber nicht. Ich arbeite halt in einer Sackgassen-Stelle *_*. Dennoch, wenn ich mir andere ansehe, die mit einem Gehalt von 700 Yen pro Stunde ueber die Runden kommen muessen, es haette mich / uns auch schlimmer treffen koennen. Und was die Regierung anbelangt, es wird vieles schoen-geredet und der japanische Waehler faellt darauf rein oder will es nicht besser wissen / haben. Bleibt abzuwarten, was uns die kommenden Jahre bringen.

  2. Ist ja hier in Deutschland nicht anders. Das _Geld_vermögen ist auf 6.2 Billionen € gestiegen. Also mehr als 75K pro Kopf. Aber wer hat das?
    Die Staatsschulden hingegen „hat“ selbst der Hartz-4 Bezieher.
    Die Einkommen sind in der unteren Hälfte immer noch lächerlich weit hinter dem zurück, wo sie sein müssten. Real ungefähr auf dem Niveau von 2000 – also ohne die Produktivitätssteigerungen in den zwei Jahrzehnten. Die sind woanders gelandet.
    Aber wir haben einen super langen Aufschwung und uns geht es gut.
    Kein Wunder, dass die Bauernfänger der AfD Erfolg haben.
    „Da läge es doch auf der Hand, diesen immer weniger werdenden Menschen auch ein anständiges Gehalt zu zahlen.“
    Njein. Denn wie du richtig sagst, altert Japan rapide. Da geht das Geld in die Alten, nicht in die Arbeitenden. Ob da nicht trotzdem Löhne steigen _müssten_ (wie eigentlich in D) ist eine andere Frage, aber so groß war der Zuwachs jetzt nicht, dass ich da viel erwarten würde.

    • Andererseits – würde man den Menschen anständige Gehälter zahlen, würde das auch der Rentenkasse zu gute kommen, denn mit der sieht es in Japan ohnehin nicht rosig aus. Da nun die Zahl derer, die nicht einzahlen brauchen/nicht einzahlen können, schafft sich die Gesellschaft eine weitere Zeitbombe.

  3. Ist ein Durchschnitt beim Einkommen so repräsentativ? Gerade Millionäre verfälschen das doch ganz schön…
    Gibt es auch Zahlen zum Median-Einkommen und dessen Entwicklung seit 2008?

  4. Der Median sagt ja aber, dass 50 % über dem und 50 % unter dem Median liegen.
    Die 61 % liegen also unter Durchschnitt. Also 11 % der jap. Bevölkerung verdient zwischen 4,32 und „etwas über 4,4“ Mio Yen.
    Wobei der Link zum Median auch von „Haushaltseinkommen“ spricht, nicht Einkommen pro Kopf.
    Was darf man denn jetzt glauben?

  5. Ich habe Wirtschaft studiert und zwar nicht auf einer Universität(wäre ja auch sinnlos besonders bei staatlichen Universitäten) sondern durch Eigenstudium.
    „Da läge es doch auf der Hand, diesen immer weniger werdenden Menschen auch ein anständiges Gehalt zu zahlen.“
    Gehälte sind immer anständig. Niemand arbeitet für weniger als er wert ist und beide gehen den Vertrag freiwillig ein. Die Gehalthöhe ist in einem freien Markt immer richtig.
    Ob eine Wirtschaft wächst oder nicht hängt daran ab, ob Menschen frei sind oder nicht. Unfreie Menschen zerstören Wachstum und Wohlstand. Je mehr der Staat in die Wirtschaf eingreift desto mehr zerstört er Wachstum. ja erhöhen der Mehrwertsteuer ist böse. Aber auch wenn der Staat geld druckt und eine Inflation auslöst, kann er Geld stehlen. Die Freiheit die eigene Währung auszusuchen ist in Japan nicht gegeben. Japan hat bitcoin verboten(Unterdrückung).
    Auch Steuern sind nichts anderes als Diebstahl. Da nun der Staat in Japan die Schulen und Universitäten kontrollier kann sich Unfreheit immer mehr ausbreiten. Kein Staat noch eine Gruppe hat kein recht irgendwelche Gehälter vorzuschreiben, Steuern einzutreiben noch Schulen mit gestohlem Geld zu finanzieren. Das alls schadet der Wirtschaft.
    Eingriffe in den freien Markt in die Freiheit des Individuim zerstört immer Wachstum und Wohlstand. Was Universäten lehren in Sachen Wirtschaft ist Schwachsinn. Staatliche Schulen und Steuern gehören abgeschafft. Punkt.

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