BlogNeujahrskarten und Trauerzeit

Neujahrskarten und Trauerzeit

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Und schon ist wieder ein Jahr rum, so schnell geht es. Und als Deutscher ist man zu dieser Zeit gleich richtig beschäftigt, denn schließlich will man ja nicht nur die richtigen Geschenke kaufen, sondern selbige, zum Teil zumindest, auch rechtzeitig in die Heimat schicken. Das ist jedes Jahr ein Drama, da andauernd die Regeln geändert werden: In diesem Jahr zum Beispiel hat man das インボイス (Invoice)-Formular abgeschafft (gut), aber dafür hat man das Verschicken von alkoholischen Getränken in Paketen gänzlich verboten (schlecht). Zudem muss man nun auch jegliche Lebensmittel exakt deklarieren. Die Fracht- und Zollmafia nervt – und zwar extrem. Noch ein paar Jahre, und es wird effektiver und wahrscheinlich auch billiger sein, die Sachen selbst vorbeizubringen.
Doch damit nicht genug: Man muss auch Neujahrskarten designen, drucken, beschreiben und verschicken. Die mit einer Lotterienummer versehenen Karten sind in Japan noch immer hoch beliebt – allein zu Beginn dieses Jahres wurden in Japan insgesamt 2,4 Milliarden Neujahrskarten verschickt – das sind im Schnitt 20 Karten pro Einwohner (wobei Einwohner alle Altersgruppen einschließt). Allein mein Schwiegervater schreibt ungefähr 180 pro Jahr, und das ist schon eine gekürzte Liste. Und natürlich erhält er auch mindestens genau so viele. Dabei ist die Zahl insgesamt seit langem rückläufig – zu Spitzenzeiten, im Jahr 2003, waren es geschlagene 4,5 Milliarden¹
Ein wichtiger Teil der Prozedur ist das Update des Adressbuches, und dazu muss man etwaige, vorher eingetroffene Trauerbenachrichtigungen berücksichtigen. Auf den (als Vordruck erhältlichen) Postkarten steht irgendwo 喪中 mochū (in Trauer) und dazu eine kurze Beschreibung, um wen getrauert wird, sowie die Bitte, deshalb in diesem Jahr vom Zuschicken einer Neujahrskarte abzusehen. Man schickt entsprechend dann auch selbst keine. An den Adressaten sollte man demzufolge auch keine Karte schicken – in anständiger Neujahrskartensoftware gibt es dementsprechend auch eine Flagge dafür, damit – nur in diesem Jahr – die Adresse nicht gedruckt wird.
Es ist schon ein seltsamer Brauch. Da erhält man von einer lieben Freundin eine Karte mit der Nachricht, dass die Großmutter im gesegneten Alter von 90+ in die andere Welt (他界 takai) aufgebrochen ist und man deshalb keine Neujahrskarten wünscht. Natürlich würde man trotzdem gern eine schicken, zum Aufmuntern zum Beispiel, oder um einfach eine kleine Freude zu bereiten, aber das verbietet dann der Anstand beziehungsweise die gesellschaftliche Norm² (natürlich ist es aber anständig, sich beim Absender dann auf eine andere Art und Weise zu melden).
Das Trauerjahr ist eine jahrtausendealte Tradition aus dem Shintoismus (aber natürlich auch in anderen Kulturen bekannt). Prinzipiell nimmt man von めでたい – medetai – Dingen, also feierlichen Handlungen – Abstand, wozu gerade alles um das Neujahrsfest herum zählt.
¹ Siehe hier.
² Siehe Japan Post-Knigge zur Trauerkarte

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

4 Kommentare

  1. Weihnachtspakete verschickt. 1. Paket Zettel von der Post umme Ecke geholt, detailliert ausgefüllt, zur Hauptpost. „der Zettel ist alt, damit kommt das Paket vielleicht nicht an“. Also alles nochmals. Dann die lange Liste abgehakt, was alles nicht im Paket ist. ( Könnt man da nicht einfach unten einen Haken, ja ich habs gelesen…) 2. Paket keinen Bock mehr, Riesending, Inhalt 2 Tafeln Schokolade und Kekse geschrieben. Aber Zettel war zum Glück richtig und die Postfrau nett. Jetzt hab ich ein kleines Paket aus D. bekommen, (als Brief) da stand kein Inhalt, kein Absender, war nicht zugeklebt, Gummiband rum. Krass!

  2. Die Post macht doch je nach Filiale was sie will!!
    In meiner großen wurde mir dieses Jahr zum ersten Mal ein Invoice Formular in die Hand gedrückt „damit kommt es schneller durch den Zoll“.
    Genaue Deklarierung des Inhalts? Stand wie immer „Snacks 10x“ drauf.
    Am Wochenende wollte ein Postbeamter mein Päckchen ohne Zollsticker verschicken.
    In einer anderen Postfiliale wollte ich andere Päckchen möglichst ohne Zollsticker schicken: keine Chance.
    Und dann dieser blöde Zettel, den ich jedes Mal ausfüllen muss, auf dem ich erkläre, dass ich keine gefährlichen Waren schicke und weiß was sich im Päckchen befindet. Und das auch wenn auf dem Zollsticker steht, dass sich im Paket genau ein kleiner winziger Kalender befindet >.>
    Wenigstens fragen sie nicht mehr jedes Mal nach ob sich Schokolade im Paket befindet wie noch letztes Jahr…

    • Ich vergaß die besch…eidene Änderung, dass man Waren von Japan aus nicht mehr als Brief schicken darf.
      Auf der Webseite stehen aber immer noch die Preise für 2kg Briefe.
      Wer schickt bitte 2kg Briefe?
      Aus Deutschland funktioniert das noch immer wunderbar.
      Und in Päckchen dürfen keine Briefe beigelegt werden. Als was schicke ich dann eine kleine Tafel Schokolade mit Brief? Als EMS Paket oder was?
      Ich habe es noch nicht ausprobiert, werde es aber demnächst mal in Angriff nehmen..

  3. Tja, und umgekehrt (Weihnachtsgaben aus Deutschland nach Japan) da sieht’s noch schlimmer aus. Am 29.11. Paket aufgegeben, dann 9 Tage in Rodgau bzw. Flughafen gelegen und bis heute noch nicht eingetroffen. Gibt’s halt etwas weniger Geschenke fuer unsere Kleine dieses Jahr. Und wer weiss, es ist ja noch eine Woche (plus ein Jahr???) bis zur (kommenden) Weihnacht. Gut gemacht DHL (NICHT!!).

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