BlogAbsoluter. Leerstand.

Absoluter. Leerstand.

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Zerfallendes Haus - hier in Tsubame, Niigata
Zerfallendes Haus – hier in Tsubame, Niigata
Laut einer Untersuchung von SankeiBiz¹ wurde festgestellt, dass es im Jahr 2013 in Japan geschlagene 8,2 Millionen leerstehende Häuser gab. Das ist ungefähr ein Sechstel aller Wohnhäuser – und diese Zahl steigt alljährlich um cirka 200’000. Das bedeutet, so der Trend sich fortsetzt, dass im Jahr 2030 rund ein Viertel aller Häuser leer stehen wird. Wird sich der Trend fortsetzen? Mit Sicherheit wird er das, denn sowohl die Überalterung als auch die Landflucht halten an. Das Problem mit dem Leerstand liegt dabei darin, dass die Häuser nicht abgerissen werden, sondern einfach zerfallen – sonst würden sie in der Statistik nicht auftauchen.
Das ganze steht im krassen Widerspruch zur Bauwut in und um Tokyo, wo nach und nach die letzten Grünflächen zugunsten neuer Siedlungen und Einzelhäuser verschwinden. Wer sich das vorher und nachher ansehen möchte, braucht nur mal nach 日吉 Hiyoshi (im Norden von Yokohama) zu fahren: Dort hat die Landnahme, trotz teils grosser Hangneigungen, die gesamte Natur verdrängt. Wer wissen will, wie es dort vorher aussah, braucht dann nur mit dem Zug rund 15 km Richtung Süden, zum Beispiel nach 戸塚 Totsuka, zu fahren. Dort gibt es noch etwas Grün – nur: wie lange noch?
Zerfallen: Ja. Verlassen? Noch nicht. Und zwar in Hiroo, mitten in Tokyo
Zerfallen: Ja. Verlassen? Noch nicht. Und zwar in Hiroo, mitten in Tokyo
Der Leerstand stellt in vielen Gegenden ein Problem dar. Mal davon abgesehen, dass 10, 20 Jahre alte, langsam zerfallende Häuser nicht schön aussehen, können diese zum Beispiel bei Feuer- oder Erdbebenkatastrophen durchaus zur Gefahr werden. Leider stehen die meisten leerstehenden Häuser dort, wo keiner mehr wohnen will, aber selbst in Tokyo oder Saitama oder Yokohama findet man sie. Die Bewohner sind entweder verstorben, in Altersheime gezogen oder in die Stadt verzogen. Ein Haus komplett abzureissen kostet schnell ein paar Millionen Yen (also zehntausende Euro), und das können sich vor allem alte Leute natürlich nicht immer leisten.
Das bedeutet allerdings auch, dass man mittlerweile ältere Wohnhäuser auf dem Land spottbillig kaufen kann – aber diese Geschichten kennt man ja auch aus der Mark Brandenburg zum Beispiel. Somit hat Otto Normalverbraucher mit seiner Familie nicht viel von der Tatsache, dass es so viel Leerstand gibt: Die Häuser wurden aus gutem Grunde verlassen. Für jemanden, der seine letzten Jahre in Abgeschiedenheit auf dem Land verbringen möchte, wird Japan jedoch mehr und mehr zum Paradies. Solange man die Unannehmlichkeiten wie weite Strecken bis zu Geschäften, Krankenhäusern, Von-der-Aussenwelt-abgeschnitten-sein im Winter usw. wegstecken kann.
¹ Siehe hier: 日本で増え続ける空き家 税金、撤去費用…金銭面のハードル高く

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

6 Kommentare

  1. Pah man muss doch nur ein bisschen in Geothermie für Stromerzeugung und wärme zahlen und dann noch ein bisschen in eine ordentliche Internetleitung. Dann noch ein gut isoliertes Haus das auch Erdbeben sicher ist und voila man kann da gut leben.
    gut das wird ein bisschen kosten aber hey man ist alein.

    • Naja, sowohl Geothermieerschliessung als auch schneller Internetanschluss sind auf dem japanischen Land nicht so einfach zu bewerkstelligen. „Ein bisschen kosten“ ist gut… :)

  2. Ist bei mir in Tsurumi tatsaechlich genau so…
    In unmittelbarer Naehe (weniger als 300m Umkreis) gab es innerhalb des letzten Jahres 18 Neubauten. Davon stehen
    5 Haeuser seit nunmehr sechs Monaten, sind aber immer noch leer;
    3 Haeuser fanden erst Interesse nach ganz harter Preissenkung
    5 verkauften sich relativ schnell;
    5 befinden derzeit im Bau (und werden mir wohl die Aussicht auf den Fuji versauen… )

  3. Mir sind bei einem Auslfug nach Sasebo im letzten Jahr einige verfallene Häuser am Stadtrand aufgefallen. Schön sieht das nicht aus und sicher ist es bestimmt auch nicht.
    Aber es scheint regional wirklich sehr unterschiedlich zu sein. Während Sasebo insgesamt einen eher verfallenen ungepflegten Eindruck auf mich gemacht hat, wird z.B. in Ueki/Kumamoto gebaut, als würde es kein Morgen mehr geben. Dabei ist Ueki wirklich nicht mehr als ein Dorf. Trotzdem reiht sich dort ein funkelnagelneues Einfamilienhäuser nach dem anderen auf.

  4. Das mit dem verfallen lassen der Häuser hat nicht nur mit den Kosten für den Abriss zu tun, sondern oft auch damit dass man für ein Grundstück ohne Gebäude mehr steuern zahlt als für eins mit.
    Aber es stehen ja nicht nur alte Häuser leer. Es gibt auch noch ne menge Wohnungen aus der Bubbel-Zeit die leer stehen.
    Grad letztens im Fernsehn gesehen dass man z.B. in Yuzawa (Niigata) „Ferienwohnungen“ aus der Bubbel zum Spotpreis bekommt und trotzdem sind sie leer.

    • Das mit Yuzawa kann ich jedenfalls bestätigen. Wir sind ein Mal im Jahr dort zum Skifahren. Allerdings steckt zum Beispiel in Yuzawa der Teufel im Detail: Sicher, man kann für unter 100’000 Euro eine passable Ferienwohung kaufen. Aber dann muss man monatlich ein paar hundert Euro für die Wartung zahlen. Das artet in einigen Fällen schon in Betrug aus….

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