Blog10 grossartige, aber schwer übersetzbare japanische Wörter: Teil I

10 grossartige, aber schwer übersetzbare japanische Wörter: Teil I

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Neulich ist mir eine Liste aufgefallen, die sich mit nur schwer ins Englische übersetzbaren, deutschen Wörtern beschäftigt. Listen dieser Art kursieren schon länger im Netz, aber ein Beispiel dafür ist diese Liste hier: 10 Fabulous German Words With No English Equivalent. Und prinzipiell ist die Liste in Ordnung – Wörter wie „Kummerspeck“, „Backpfeifengesicht“ oder „Erklärungsnot“ sind in der Tat recht interessant und nur mit Mühe übersetzbar.
Nun hat jede Sprache Wörter dieser Art – das liegt einfach mal an den kulturellen (und nicht selten auch geographischen) Unterschieden: Ein gern dafür aufgegriffenes Beispiel sind die Inuit-Sprachen: Dort kennt man dutzende Wörter für Schnee – je nachdem, was für Schnee fällt oder liegt – aber in afrikanischen Sprachen sind diese Begriffe natürlich schwer vermittelbar.
Hier aber mal ein Versuch einer persönlichen Top 10 von schwer ins Deutsche (und Englische) übersetzbaren, japanischen Wörtern.

懐かしい (natsukashii) – Ach, was war das schön…

Der Klassiker, da das Wort sehr häufig benutzt wird. Es bedeutet so viel wie „das habe ich schon lange nicht mehr gehört/gegesssen/gerochen (was auch immer), und jetzt erlebe ich das zum ersten Mal seit langem wieder (und ich mag das)“. Genau, der letzte Zusatz ist wichtig: Prinzipiell wird das Wort nur im positiven Sinne benutzt. Beispiel: Man hört plötzlich ein Lied, das man in der Kindheit oft, aber seit vielen Jahren nicht mehr gehört hat. Das Gefühl, das man dann hat, nennt sich „natsukashii“, und wie schon erwähnt, sprechen Japaner dieses Wort gern und oft aus.

普通 (futsū) – Gewöhnlich… schön!?

Japanisch Lernende mögen sich wundern… eigentlich ist die Übersetzung dieses Wortes glasklar: „Normal“ bzw. „Gewöhnlich“. Doch seit einigen Jahren arbeitet vor allem die Jugend daran, die Bedeutung des Wortes zu ändern. Da fragt dann jemand, ob das Essen geschmeckt hat, und die Antwort ist „futsū ni oishikatta“ – war „normal lecker“. In diesem Sinne wird „futsū“ allerdings oft im Sinne von „ziemlich“ benutzt, doch so ganz kann man sich nicht darauf verlassen.

本音・建前 (honne/tatemae) Ja oder Nein?

Diese beiden Wörter spielen in der japanischen Gesellschaft nach wie vor eine enorm grosse Rolle: Meint man das, was man sagt, oder sagt man das nur, weil es der Gegenüber so erwartet oder soziale Normen es so erwarten? Honne = aufrichtige Meinung, Tatemae = (vielleicht) nicht die ehrliche Meinung. Natürlich gibt es das Prinzip auch in anderen Gesellschaften. Lädt die Schwiegermutter zum selbst gekochten Essen ein, und schmeckt jenes gar abscheusslich, werden die meisten auf die Frage „Hat’s geschmeckt?“ eher mit „ja“ antworten (=tatemae). Jedoch wird Honne/Tatemae in Japan ganz intensive ausgelebt, und das Problem dabei ist, dass dies auch im Geschäftsleben äusserst wichtig ist: Wer erfolgreich mit Japanern verhandeln möchte, sollte früher oder später lernen, zu erkennen, was Honne und was Tatemae ist.

侘・寂 (Wabi/Sabi) – Jetzt wird’s ästhetisch

Oh je – diese Wörter sind keine Wörter, sondern ein ästhetisches Konzept. Wer japanische Keramik kennt, versteht den Hintergrund vielleicht ein bisschen: Der Mangel an Perfektion in einer Form, das langsame Verwittern von Gegenständen, die Einsamkeit des Menschen in der Natur – dies und mehr versteckt sich hinter diesen Begriffen. Deshalb erscheint japanische Keramik, im Gegensatz zum makellosen chinesischen Porzellan, oft unvollendet und in gewisser Art und Weise oft naturbezogen.

内祝い (Uchiiwai) – Wie Du mir, so ich Dir

Wieder ein Wort, hinter dem ein ganzes Konzept steht. „Uchi“ heisst eigentlich „drin“, „iwai“ heisst „feiern“. In Japan (aber auch in China und Korea) wird zu allen nur erdenklichen Gelegenheiten Bargeld gereicht. Hochzeiten, Einschulung, Umzug, Krankenhausaufenthalt, Erwachsenenfest, erster Job… die Liste ist lang, und nicht selten wird reichlich gegeben. Jedoch: zum „oiwai“ – der Gratulation – erfolgt normalerweise das „Uchiiwai“, und als Faustregel gilt: „半返し“ – die Hälfte zurückgeben. Bekommt man also 100,000 Yen (momentan rund 700 Euro), sollte man besser die Hälfte zurücklegen und in irgendeiner Form (nicht als Bargeld!!!) bei der nächsten Gelegenheit zurückgeben. Das gehört zum guten Ton und gilt als Tugend.
Das war Teil I. Teil II wird in Bälde folgen!

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

7 Kommentare

  1. 侘び寂び erinnert mich an den Anime Hyougemono (japanisch へうげもの nach der 旧仮名遣い geschrieben). Handelt vom Aufstieg Hideyoshis aus der Perspektive eines Kunstsammlers.

  2. ich will zwar nich den großen Klugscheisser raushängen lassen, aber ich glaube 100000 Yen sind etwas mehr als 400 € trotz des schwächeren Yen kurses ;)

      • Ich kauf ja eher selten Geschenke um so viel Geld, und wenn dann wird das gut ausgesucht. Was gibt man da, wenn man den anderen nicht so gut kennt?

  3. Interessanter Beitrag nach meinem Geschmack!
    Wenn man `nen Teil eines Geldgeschenkes (Uchiiwai) nicht in bar wieder zurückgibt, was schenkt man denn dann so??

  4. Honne/Tatemae hatten wir gerade erst im Unterricht behandelt, als es um die Japanische Unternehmenskultur und ihre Regeln/Gepflogenheiten ging ^^
    Sehr interessanter Artikel von dir :)

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