BlogDramatisch: Letzter Häagen-Dazs-Laden verschwindet aus Japan

Dramatisch: Letzter Häagen-Dazs-Laden verschwindet aus Japan

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Lange Schlangen vor Häagen-Dasz in Urayasu
Lange Schlangen vor Häagen-Dasz in Urayasu
Ist es ein Menetekel? Verlassen die Ratten das sinkende Schiff? Man weiß es nicht. Da bin ich also fast jedes Wochenende an der Eiscremebude von Häagen-Dazs bei uns im örtlichen Einkaufszentrum vorbeigelaufen – ohne zu wissen, dass dies die einzige Niederlassung in ganz Japan ist! Wie konnte ich das nur verschlafen. Und diese Niederlassung hat heute dicht gemacht, was seit Bekanntgabe vor einigen Tagen zu langen Schlangen vor dem Laden führte.
Wer es nicht kennt: Häagen-Dazs ist ein amerikanischer Eisproduzent. Und der alberne Umlaut im seltsamen Namen hat rein gar nichts zu bedeuten. Der ist nur da drin, weil man in den USA so sehr auf diakritische Zeichen steht, da man sie ja selbst im Alphabet vermisst. Soll man der Wikipedia glauben schenken, stammt „Häagen“ von „Kopenhagen“ ab und „Dazs“ wurde nur angeheftet, damit es besser klingt. Fertig ist die Marketingmasche.
Die Masche scheint zu ziehen, denn die Marke gibt es (fast) weltweit, und sie fehlt in keinem japanischen Supermarkt. Das Eis zeichnet sich durch zwei Sachen aus: Es ist schweinesüß und sauteuer. Ein Minibecher kostet um die 200 Yen – und das ist ordentlich, denn es gibt auch zahlreiche Eissorten für 80 Yen und weniger. Aber das ist natürlich das Kalkül der Marke, und es geht gut auf: In Japan mag man es gern etwas luxuriöser, und Luxus muss natürlich seinen Preis haben.
Der 4-Euro-Becher. Quelle: Herstellerseite
Der 4-Euro-Becher. Quelle: Herstellerseite
Dazu zählen geschickte Aktionen wie ein Tie-up mit 7-Eleven, der großen Convenience-Store-Kette: Ein Eisbecher, der nur in den Filialen von 7-Eleven verkauft wird, und nirgendwo anders. Stolzer Preis der Sorten „Opera“ und „Chocolat Rouge“: 420 Yen, also rund 4 Euro. Inklusive Goldstaub obendrauf. Wie’s schmeckt? Opera schmeckt nicht. Chocolat Rouge ist in Ordnung…
Aber es verschwindet ja auch nur die letzte Filiale. Natürlich bleibt das Eis erhalten, und ich bin mir ziemlich sicher, dass Japan einer der wichtigsten Märkte der Inhaber General Mills und Nestlé ist. Mich dünkt, am Bahnhof Zoo in Berlin auch mal eine Niederlassung gesehen zu haben… aber im Supermarkt hatte ich sie früher zumindest nie bemerkt. Dazu sollte ich vielleicht auch erwähnen, dass ich Deutschland in Sachen Eis vermisse. Von Matcha-Eis (Grüner Tee) einmal abgesehen halte ich Japan eiscremetechnisch für ein Entwicklungsland.

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tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

9 Kommentare

  1. Stimmt, genau dort ist in Berlin eine Filiale. Die einzige, bei der ich bisher Eis dieser Marke gegessen habe – und das, obwohl ich doch 600 km weit weg wohne.
    Ansonsten gibt es aber in vielen Großstädten zumindest eine Filiale dieser Marke~

  2. Hähä, die Ratten! Prima dass die verschwinden, ist schon Plage genug dass es an jeder Ecke einen Starbucks gibt. Viele gute Produkte sind in den letzten Jahren verschwunden. Nicht selten aufgekauft und eingemottet von Coca Cola & Co.
    Als Schokomaul passt mir das Stieleis von Morinaga, superlecker und ferkelgünstig im 7er Pack!

  3. In Wien gibt es einen. Noch nie ausprobiert.
    Das beste Eis, das ich kenne, ist die Sorte ‚Keks‘ in einem Laden in Biograd.^^ Keine Ahnung welcher das war.

  4. Interessant, meine Frau meinte, dass Häagen-Dazs der Geschmack irgendwann mal geändert hat (in Japan). Seit dem mag sie das Eis nicht mehr.. ob andere auch so denken?

  5. Hm, jetzt wo du es sagst. Stimmt! In Ebisu bin ich auch immer an so nem Laden vorbeigehetzt und der ist auch seit einiger Zeit weg. Macht nix, mochte das Zeug eh nicht. Manche Sorten hatten so einen eigenartigen Kalk- und Chlorgeschmack, so als ob sie mit reinem Tokyo Kraneberger hergestellt worden sind. Ich steh auf Meji Supercup, obwohl ich weiß, wie die ihre Milch zusammenmixen….

  6. Ich kenn twar den Namen, hab das Eis aber nie probiert. Ich bevorzuge das selbstgemachte vom Italiener meines Vertrauens.
    Daneben gibt es bei uns im Kiez auch einen Kulteisladen. Da schmeckt das Eis zwar nicht ganz so wie beim Italiener. Dafür wird das Eis noch mit ’nem Esslöffel aus der Thermodose gefischt und die Waffeln kommen mir verdammt DDR-geschmacklich daher. Wahlweise wird das Eis auch mit den kleinen niedlichen verschiedenfarbenen Plastelöffeln mit den typischen Namen von vor 40 Jahren (und länger) serviert!
    Kennst das sicher noch ;-)

  7. Gestern lief eine japanische Filmcrew durch unsere Nachbarschaft und machte Interviews an verschieden kleinen Eisläden. Da erklärt sich mir nun was im Busche war. Interessant!

  8. In Berlin kenne ich nur den Laden am Hackeschen Markt, was ja lustigerweise eine beliebte Ecke für Japaner ist. War aber auch nur einmal drin.
    Manche der Sorten im Combini finde ich ganz lecker, aber doch zu teuer, um sie öfter zu essen, wenn ich einen größeren Becher für unter 100 Yen von Meiji haben kann.

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