BlogPhilippinen I

Philippinen I

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Es ist 17 Uhr abends am ersten Weihnachtsfeiertag, und ich warte auf mein Flugzeug. Das soll 18 Uhr abheben und mich ins 3’500 km entfernte Manila bringen. Mit mir warten hunderte Andere, und wie es scheint, sind die meisten Wartenden Pinoys1. Davon gibt es besonders viele in Japan. Vor mir sitzt ein Ehepaar – er ein Japaner älteren Semesters, schon etwas tatterig, und sie mindestens 30 Jahre jünger, mit Sonnenbrille im dunklen Wartebereich, und zwischen den beiden zwei Plätze Abstand.
„Was ist Deine Sitzplatznummer?“
monsterte sie ihn an.
„Häh?“
„Deine Sitzplatznummer! Da, auf dem Flugticket“
er kramt herum, findet aber die Nummer auf dem Ticket nicht.
„Na, Hauptsache, Du sitzt nicht neben mir, Du alter Sack!“
Das hat man also davon, wenn man die aus dem Katalog bestellte Ehefrau nicht altersgerecht hält. Das sollte auch nicht der letzte Dialog sein. Er hatte mittlerweilen eine Flasche Makgeolli2 geköpft und begonnen, sich die Brühe hinter die Binde zu gießen. Sofort geiferte sie los:
„Wo hast Du das her?“
„Vorhin irgendwo da gekauft“
„Wo ist meine Flasche? Los, geh mir auch eine kaufen!“
Ein paar Minuten später kam er wieder. Mit einer großen Flasche japanischen Reisweins, denn Makkori gab es in der näheren Umgebung offensichtlich nicht. Und natürlich fing er sich damit sofort wieder Schelte ein. Aber das war mit Makkori im Kopf nun wahrscheinlich erträglicher.
Rund 4 Stunden später schweben wir in Manila ein. Es ist sehr warm, es ist schwül, und die Luft ist irgendwie schlecht. Ich habe nur Handgepäck und stehe damit keine 15 Minuten nach dem Aussteigen bereits in der Hitze der Stadt. Ohne einen Peso, denn alles hat schon zu um diese Zeit. Nach ein bisschen Herumirren und Herumfragen finde ich doch noch eine Wechselstube und tausche meine hartverdienten Yen in bunte Peso-Scheine. Kurs 2:13 – das rechnet sich wenigstens einfach.
Immerhin hatte ich im Flugzeug schon damit begonnen, mich auf die Reise gründlich vorzubereiten. Fazit der Lektion: Ein vorbezahltes, „sicheres“ Taxi in die Innenstadt kostet wohl 550 Pesos, ein normales Taxi, sprich mit einem Fahrer, der einen oftmals einfach nur übers Ohr hauen möchte, im besten Fall 200 bis 300 Pesos.
Nun ist in einem Land wie den Philippinen der Internationale Flughafen einer der besten Orte, um von Taxifahrern nach Strich und Faden ausgenommen zu werden. Ich bin mir sicher, dass Taxifahrer, egal wo, Ortsunkundige bereits am Geruch erkennen. Wahrscheinlich haben manche sogar einen Radar im Auto, mit dem man den Adrenalinspiegel bleicher Touristen scannen kann. Je höher, desto Beute. Also tue ich das, was ich in solchen Fällen immer tue: Ich lasse mich nicht vom Taxi finden, sondern wähle mein Taxi selbst aus, indem ich ein paar Hundert Meter laufe und ein Taxi anhalte. Offensichtlich ging die Rechnung nicht ganz auf:
„To Ermita please“
„Ok“
„Where’s your meter? Can you switch it on, please?“
„Ehmm, it’s broken“
„Ok, how much then to Ermita?“
Taxifahrer antwortet wie aus der Pistole geschossen:
„1’400, Sir“4
„Wow, that’s way too much. Please let me out then“
„Why? How much do you want to pay then?“
„Around 300 is the standard fare, as far as I know“
„Ah. Well, it’s late already, so what about 400?“

Jeepney in Manila
Nun, es ist 11 Uhr nachts und 400 Pesos sind nicht die Welt, also stimme ich zu. So macht feilschen Spaß – von 1’400 auf 400 Pesos mit einem Satz. Ein bisschen Smalltalk, und keine 5 Minuten später stecken wir plötzlich in einem furchtbaren Verkehrsgewusel. Die Straße ist breit, sehr breit, aber es ist zwecklos, die Spuren zu zählen. Wahrscheinlich sind es 4. Praktisch sind es 6 bis 7, es wechselt von Sekunde zu Sekunde. Die Hälfte des Verkehrs scheint aus Jeepneys5 zu bestehen. Der Fahrer murmelt etwas von Fest und viel Verkehr. Aber kaum 15 Minuten später ist der Verkehr plötzlich verschwunden, und wir brausen nach Ermita im Zentrum von Manila. Anscheinend weiß der Fahrer nicht so recht, wo mein Hotel ist, aber irgendwie finden wir es doch. 400 Pesos wechseln ihren Besitzer (und später lese ich, dass man hier unbedingt Trinkgeld gibt – aber als Bewohner des trinkgeldlosen Archipels Japan muss ich mich erst wieder an dieses unlogische Konzept gewöhnen) und ich stehe vor dem Hotel.
Das Hotel trägt den klangvollen Namen Casa Bocobo, hat zwei Stockwerke und, wie es scheint, sehr kompetente Betreiber: Die Angestellten sind sehr freundlich, und alles ist blitzblank. Ich hatte – eigentlich unüblich – Flugticket und Übernachtung im Paket gebucht – ein Twin-Room mit Frühstück kostete mich so 4’000 Yen (also rund 40 Euro), und der Preis sollte sich als geechtfertigt erweisen.
Also die Sachen abgelegt und raus zu einem mitternächtlichen Bummel, um zu sehen, was in der näheren Umgebung so anliegt. In punkto Sicherheit sieht es eher bedenklich aus. Einige Ecken sind recht dunkel, und zwielichtige Gestalten irren durch die Nacht. Es ist schmutzig, und es wimmelt von Obdachlosen. In kürzester Zeit finde ich drei Convenience Stores und begebe mich so in einen 7-Eleven, um dort Getränke zu kaufen. Zum Beispiel Bier. Eine Flasche kostet 35 Pesos. Vor dem Schlafen verköstige ich zwei, drei der Getränke und werde plötzlich irgendwie schläfrig. Ich schaue mir das Etikett des Zaubertranks etwas genauer an: Red Horse heißt es, und hat sagenhafte 6.9 Prozent. Und so fallen die Augen…. langsam… zuuuuuuuuuu.
Fortsetzung folgt…
1 Umgangssprachliche Bezeichnung für im Ausland arbeitende / lebende Filipinos.
2 Trüber, naturbelassener Reiswein aus Korea. In Japan seit nicht allzu langer Zeit unter dem Namen マッコリ (Makkori) beliebt
3 Kurs zu dieser Zeit: 10’000 Yen = 4’760 Yen bzw. 1 Euro = 54 Pesos
4 Eine Anmerkung an dieser Stelle: Englisch ist aufgrund der babylonischen Sprachenvielfalt auf den Philippinen Amtssprache – neben Tagalog. Dementsprechend sprechen die meisten – mehr oder weniger gut – Englisch. Allerdings gibt es etliche Eigenarten. So werden Männer grundsätzlich mit „Sir“ und Frauen mit „Ma’am“ angesprochen.
5 Traditionelles Verkehrsmittel auf den Philippinen: Sieht von vorn aus wie ein Jeep, besteht meist aus zusammengehämmertem Aluminium, nicht selten mit Mercedes-Stern auf dem Grill und vielen bunten Zeichnungen an der Seite (von Superman bis zur Heiligen Jungfrau Maria) sowie einer überdachten „Ladefläche“ mit zwei Sitzbänken, auf denen bis zu 16 Personen Platz nehmen können – Jeepneys sind Sammeltaxis, die auf festgelegten Routen fahren, die man allerdings überall anhalten kann. Die Motoren sind sehr stark – ein plötzlich beschleunigendes Jeepney klingt in etwa wie ein Podracer aus Star Wars. Allerdings sind die Aggregate auch wahre Drecksschleudern.

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

4 Kommentare

  1. „Kurs zu dieser Zeit: 10’000 Yen = 4’760 Yen“
    Der Yen ist auch nicht mehr, was er einmal war.
    Gibt man eigentlich einem japanischen Restaurant in Deutschland/Österreich Trinkgeld? :-)

    • gute Frage Thuruk.
      Da, denke ich die wenigsten japanischen Restaurants in Deutschland/Österreich auch von Japanern geführt werden, bzw. die Kellner Japaner sind, würde ich schon Trinkgeld geben. Also ich mache es so. Auch wenn ich merke das es vielleicht doch mal „echte“ Japaner sind, würde ich wohl Trinkgeld geben, da es hier so üblich ist.
      Ich hatte aber die Tatsache mit dem Trinkgeld bzw. Nichttrinkgeld auf meiner Japanreise sehr zu schätzen gewusst. Und auf meiner Koreareise im Mai werde ich es auch wieder zu schätzen wissen.

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