BlogQuo vadis, Japan?

Quo vadis, Japan?

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Was für eine Überraschung: Nach monatelangem Tauziehen wurde in der letzten Woche das Parlament aufgelöst, um den Weg für Neuwahlen freizumachen. Und die sollen eine gute Woche vor Weihnachten (nicht, dass das in Japan großartig relevant wäre), nämlich am 16. Dezember stattfinden. Und so viel steht schon mal fest: Man kann davon ausgehen, daß die Regierungspartei, die Demokraten also, abgestraft werden. Für zu viel Rumeierei, eine Wirtschaft, die mal wieder in die Rezession abgleitet, und offensichtlich mangelnder Parteidisziplin. Die Partei arbeitete ja schon seit geraumer Zeit daran, sich selbst von innen zu verdauen.
Allen voran ist die Misere zahlreichen kurzlebigen weil inkompetenten Politikern in der Ministerriege sowie Politikern wie meinem speziellen Favoriten Ozawa, der grauen Ex-Eminenz der Demokraten, der pausenlos gegen seine eigene Partei kämpfte, zu verdanken. Der Karren steckt ordentlich im Dreck, und damit ist kein Staat mehr zu machen. Doch was da im Dunkeln lauert und ans Licht drängt, ist kein Trost. Reinhard Zöllner hat dies in seinem Artikel zur Lage der Nation wunderbar zusammengefasst: Mangels Alternativen wird Japan nach der Wahl unweigerlich nach rechts abdriften, mit allen unangenehmen Konsequenzen, als da wären schlechter werdende Beziehungen zu China und Korea, verstärkter Protektionismus und – aller Wahrscheinlichkeit nach – steigende Staatsschulden.
In diesem Zusammenhang sollte vielleicht noch ein Update zu meinem Artikel Ishihara oder eine gute Nachricht und eine schlechte Nachricht folgen: Ishihara’s so eben gegründete Sonnenpartei (was für ein dämlicher Name!) geht tatsächlich in die Erneuerungspartei des Ex-Governeurs von Ōsaka, Hashimoto, ein. Nun ist Hashimoto, verglichen mit Ishihara, das geringere Übel, aber man kann kaum von Ishihara erwarten, dass er in seinem Alter noch was dazulernt und sich unterordnen wird. Diese Bündelung der Kräfte kann vorläufig nur eins bedeuten: Diese neue, rechte Partei wird ziemlich weit oben mitmischen.
Die Wahl dürfte dabei spannend werden: Laut NNN-Umfrage (siehe hier (japanisch) bzw. hier) liegen die Liberalen vorne – Abe (vormals bereits Ministerpräsident, der nach einem knappen Jahr kränkelte und abtrat – das war 2006/7) hätte 19% Unterstützung, Noda (also der jetzige Ministerpräsident) käme auf 13,5% und Ishihara auf 7,5%. Die gute Hälfte der Befragten konnte sich jedoch noch nicht festlegen.
Rücken die Rechten tatsächlich auf, wird eine spannende Frage zu klären sein: Wie kann man mit sich verschlechternden Beziehungen zu den wichtigen Handelspartnern Südkorea und China (und die Beziehungen sind jetzt bereits verhältnismäßig schlecht) und zunehmendem Protektionismus die japanische Wirtschaft wieder auf Vordermann bringen – und das exorbitante Haushaltsdefizit eindämmen? Antwort: Gar nicht. Es widerspricht einfach der Logik. Aber vielleicht will man das ja auch gar nicht, und Japan bereitet sich erneut auf die Landesabschließung vor. Das Land ist jetzt gute 150 Jahre nach außen geöffnet – da wäre es doch historisch gesehen langsam wieder Zeit, sich in einen Kokon einzuspinnen und die Tore zu schließen. Oder was auch immer sich Abe, Ishihara und Co. so vorstellen.

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

9 Kommentare

  1. Das Problem ließe sich einfach lösen wenn man die Verantwortlichen persönlich zur Rechenschaft ziehen würde, also z.B. die Oligopole der großen japanischen Konzerne zerschlagen und dafür sorgen das das Geld nicht versickert sondern da ankommt wo es sinnvoll genutzt werden kann beim „Verbraucher“.
    Wenn alle Anteilseigner bei TEPCO persönlich haftbar gemacht würden wäre das schonmal ein Signal in die richtige Richtung.
    Eine Einkapselung wird es kaum geben, spätestens wenn die USA wider „intervenieren“ und mit „Kanonenbooten“ auftauchen wird’s ein dejavu :-P

  2. Aufgrund des nicht reformierten Wahlgesetzes ist diese Wahl sowieso verfassungswidrig und müsste auf der Stelle vom Obersten Gerichtshof einkassiert werden.

    • Wie jetzt ?
      Auch in „Japanesien“ gibt es kein gültiges Wahlrecht wie bei uns „Krautfressern“ ?
      Könnte man ja eine schöne VT draus machen :-P

      • Der oberste Gerichthof hat das momentane Verhältnis der Wahlstimmen pro Sitz für unzulässig erklärt, eine Stimme in Shimane ist z.B. mehr wert als eine Stimme in Kanagawa. Bei Ober- und Unterhauswahlen. Eigentlich müssten erst die Wahlkreise neu geordnet werden, aber der Oberste Gerichtshof übt seine Fähigkeiten zur Korrektur fast nie aus.
        Das Wahlprogramm der LDP ist jedenfalls ein Knaller. Nachdem China die Japaner im Senkaku-Streit vorgeführt hat gibt’s dann SDF-Soldaten auf den Inseln, wer bettelt der kriegt.
        Noch schlimmer als das Parteiprogramm ist allerdings Abes komisches Mundwinkelverziehen *schauder*

        • Ist nicht wahr !
          Fast identisch zur verfassungswidrigen Bestimmung von Sitzen in „Schland“, die hatten bestimmt die gleiche „Consultingagency“ …
          Schade das mir das passende Kleingeld für ’ne Insel im Pazifik fehlt, dann könnt ich selbst „Diktator“ spielen, so mit wackelnden Hintern und so :-P
          Gibt’s in „Japanesien“ auch sowas wie in §20 GG steht ?
          Mittlerweile ist der „Souverän“ ja einfach nur eine „Ratingagentur“ samt Anhang m(

  3. Ist der kletternde Euro/Yen-Kurs vielleicht schon eine Auswirkung ob der trüben Aussichten in Japan? Heute immerhin schon 1:106, Tendenz steigend, nachdem wir ja schon unter 100 waren.

  4. @Thuruk
    Eher kaum – es fehlen einfach wirklich bekannte Köpfe dort. Deshalb liest oder hört man in den Medien auch kaum etwas über die „Neuen“.
    @Gojira
    Das könnte man fast denken, aber dem ist nicht so. Der Nikkei-Index befindet sich seit einer Woche auf einem seltenen Höhenflug. Das kann bzw. wird auch mit dem fallenden Yen zu tun haben, aber prinzipiell lässt sich sagen, dass sich die Wirtschaft auf den Wechsel freut. Der Pessimismus bezieht sich – vorläufig – auf das, was da außenpolitisch auf Japan zukommt. Das wird sich freilich allerdings auch später auf die Wirtschaft niederschlagen.

    • Die Wirtschaft hatte ja schon gejammert, das der permanent hohe Kurs die japanischen Exporte ausbremst. Wir werden sehen, ob die Entwicklung anhält oder ab einem Punkt stagniert.

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