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Geschmacksverirrungen

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So schnell nicht wieder: Tiefkühlpasta
Ein krankes Kind mit hohem Fieber, eine erschöpfte Gemahlin und der übliche Stress auf Arbeit liessen mich heute abend, bzw. eigentlich nachts, zum ersten Mal seit langem zur Tiefkühlfrost greifen, denn Lust zum kochen hatte keiner mehr. Kurze Suche – ich hatte 5 Minuten Zeit, bis der Supermarkt punkt 21:45 dicht macht – und schon hatte ich zwei Packen „Pasta Genovese“ in der Hand. Pasta Due porzioni quasi, das klingt nicht so verfressen. Auf dem Bild: Grüne Spaghetti, darauf schwarze Oliven, ein paar verirrte grüne Böhnchen und ein Hauch von Parmesan. Und irgendwas Weisses.
Irgendwas Weisses? Das war mir vorher gar nicht aufgefallen. Vor dem Beschicken der Mikrowelle – mein Gott, was für ein Freitag abend – schaue ich noch mal genauer hin. Was Weisses. Gut, der Kontrast stimmt: Grün, dann schwarze Oliven, und eben weisse Würfel. Das sind doch nicht etwa… oh doch, ein Blick auf die Verpackung bestätigt meine Befürchtung: Kartoffelstückchen! Auch noch frittiert! Na klasse. Wer kommt eigentlich auf die aberwitzige Idee, Kartoffeln in die Nudeln zu tun? Kartoffeln? Gerne, her damit! Nudeln? Aber Hallo! Ohne Nudeln hätte die Menschheit gar keine Daseinsberechtigung. Gnocchi? Auch gut! Liebend gern! Aber Nudeln mit Kartoffeln drauf? Ich kann mir so etwas partout nicht vorstellen: „Du, Schatz! Danke für den tollen Abend! Und für das Essen! Also die Pasta mit den Kartoffelstückchen drauf, die haben mich echt zum Schmelzen gebracht!“ Gibt es auch nur eine Person auf diesem Planeten, die so etwas sagt!?
Nun gut, ganz abwegig ist das nicht. In Ägypten schieben die Leute pausenlos kuschari in sich rein – ein wilder, hilflos wirkender Mix aus Linsen, Reis und Nudeln (zugegebenermassen kann das sogar schmecken – zumindest wenn man grossen Hunger hat. Liebe Ägypter – jetzt bitte nicht mit der Blutwurst zurückwinken). Aber diese Unsitte, Kartoffeln auf Nudeln und Pizza zu kippen, ist einfach abartig. Eigentlich ein Wunder, daß auf der Packung nicht „German Pasta Genovese“ stand, denn eigentlich wird Essen mit unansehnlichen Kartoffelbrocken drin oder drauf gern das Prädikat „German“ zugestanden. Genauso wie man in Deutschland ja gern Pizza mit Mais drauf als „American“ deklariert. Die Unsitte mit dem Mais kennt man freilich auch hier: In Convenience Stores kippt man gern Mais auf Pasta Aglio e Olio. Das passt genauso gut zusammen wie Bier mit Tomatensaft. Jaja, ich weiss, das gibt es wirklich und nennt sich „Red Eye“. Immer, wenn das jemand bei mir im Pub bestellt hatte (zu meiner Studentenzeit in Japan), hätte ich am liebsten entgegnet: „Gern. Darf ich mich vorher kurz übergeben?“ Aber ansonsten bin ich wirklich sehr tolerant. Ganz ehrlich!
Ach ja: Die Kartoffelstückchen habe ich natürlich vor dem Verzehr entfernt. Nein, ich habe sie nicht meinen Kindern gegeben. Ich bin nicht so gemein wie meine Tochter, die die Erdbeeren aus dem Kuchen entfernt und dann sagt: „Hier, darfst auch mal probieren!“

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

12 Kommentare

  1. Hallo,
    ins italienische Originalrezept für Pasta alla genovese gehören diese Kartoffelstückchen, allerdings gekocht, nicht frittiert, Bohnen darinnen waren mir bisher unbekannt(habe allerdings viele Rezepte mit Bohnen gefunden jetzt). Im Originalrezept werden Linguine genommen und keine Spaghetti.
    Keine deutsche Erfindung also ;), tipicamente italiana(anzi ligure) questa ricetta per la pasta
    Grüsse von der lio

  2. Dazu fällt mir eine Pizza ein -deren Namen ich erfolgreich verdrängt hab-, die ich mal bei einem hiesigen Pizzaserice entdeckte, auf der waren Bratkartoffeln und Spiegelei. Sowas gehört sich doch nicht. Da könnte man ebenso gut Schnitzel mit Spinat und Currysauce servieren… Wohl bekomms!

    • Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich Pizza mit Nudeln drauf (allerdings kleinen gedrehten oder diesen krawattenförmigen) sehr, sehr gern mag. Wenn sie gut gemacht ist.
      … Hm, andererseits – wenn es GUT gemacht ist, schmeckt wohl so ziemlich alles, auch das, was man vorher absolut im Traum nicht hätte essen wollen. Süßsaure Saure auf Fleisch, Schokolade in der Bratensauce…

  3. Na da will ich doch mal nen Tipp abgeben, der toll schmeckt und im Handumdreh gemacht ist, selbst wenn man keine Lust hat zu kochen. Angesichts der tiefgefrorenen „Alternativen“ kann man meinen Tipp auch fast nicht kochen nennen. Wasser aufkochen und Spaghetti rein, dauert 2 Handgriffe (da kann mir jetzt keiner mit ner Ausrede kommen). Etwas Butter in eine Schüssel rein, kurz in Mikrowelle flüssig schmelzen. Etwas Sojasauce dazu plus nen Löffel Mentaiko (Tarako geht auch) und alles verrühren. Die gekochten Spaghetti rein, gut untermischen, fertig! Wer noch Stress von der Arbeit abreagieren will, 1-2 Nori Blätter in tausend Stücke reissen und darüber streuen.

  4. Haha, Japaner haben so einige komische Geschmacksverirrungen finde ich. Hatte ja schon Probleme im gekauften Bento mit (natürlich) Reis, Kartoffelsalat und Nudeln in Tomatensauce – am besten Spaghetti. Dazu dann noch ein wenig Fleisch, ein wenig Gemüse et voila.. alles was uns Mutti zur deutschen Küche beigebracht hat wird über den Haufen geworfen! Zumindest habe ich als Kind mal gelernt, dass man immer nur Eins auf dem Teller haben darf. Entweder Nudeln. Oder Kartoffeln. Oder Reis.
    Die Idee deines Töchterleins mit dem Erdbeerkuchen finde ich übrigens genial! Meine Monster futtern meißt den Belag weg und ich darf dann den Boden „probieren“….
    @ディーン: musst dazu sagen, dass die Butter nicht mehr zu heiß sein sollte weil das Mentaiko sonst durchgaart und dann nicht mehr so schön an den Spaghetti klebt! Ich liebe es einfach und es ist so so einfach zu machen!

  5. Kartoffeln gehen immer. :-)
    Ich bin inzwischen schon so weit, daß Essen bei mir nur noch „funktionieren“ (nahrhaft sein) muß, in welcher Konstellation wird mir immer unwichtiger.
    Die meisten Thai- oder Vietnamesen-Imbisse hier haben ja auch ein Gericht, indem sie Kartoffelstücke (gekocht) und Ernüsse, mit Curry- oder Erdnusssoße kombinieren.
    Ich ess‘ es gerne. :-)
    Grausam stelle ich mir an Deinem Gericht lediglich vor, daß es Mikrowellenfraß und nicht frisch zubereitet ist, oder haben es die Japaner in der Sparte geschmacklich besser drauf?
    Bin noch nicht in den Genuß gekommen.

    • Oh, vielleicht sollte ich noch hinzufügen, daß ich mit „Die meisten Thai- oder Vietnamesen-Imbisse hier…“ natürlich Deutschland meine. War etwas unklar geschrieben. ;-)

  6. @lio
    Jetzt, wo Du es erwähnst – ja, habe das glaube ich in Italien gesehen. Ist ja manchmal auch irreführend. Dachte auch erst, dass Pizza con Speck eine für die Teutonen angepasste Variante sei…
    @Snake0209
    Klingt gar nicht so schlecht. So lange es kein Rahmspinat ist.
    @ディーン
    Tjaha – dann mach mal noch kleingehackte Ōba rein und etwas Konbu-cha (das Pulver). Das schmeckt gleich noch viel besser! Ein Spritzer Zitronensaft dazu schmeckt auch ganz famos.
    @Sascha
    So unklar war es nicht – hier gibt es ja keinen Thai- oder Vietnamesenimbiss.

  7. Also in meinem Heimatdorf gibt es etwas das man „Erbracher Nudeln“ nennt. Das sind dicke Nudeln in Kartoffelpüree mit angebratenen Zwiebeln drüber.
    Kann ich nur empfehlen, schmeckt sehr lecker. Wichtig ist nur, das da keine Soße oder Ketschup dazukommt, sondern entweder nur die Zwiebeln oder ein klein wenig Salz.
    Grüße aus dem schönen Schwabenländle
    Euchale

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