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Zwei Stunden Anstehen für 'ne Wurst / The Meat Guy

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Würstchenbude in Tokyo: 2 von 4 Sorten ausverkauft, zwei Stunden Wartezeit
Nein, die Rede ist nicht von einer Suppenküche oder einem Flüchtlingslager, sondern vom Deutschlandfest, welches gestern in und um die deutsche Botschaft herum stattfand. 150 Jahre Deutsch-Japanische Freundschaft sollten da gefeiert werden – Höhepunkt des Jahres der Deutsch-Japanischen Freundschaft. Hoch die Tassen.
An der Außenmauer genau jener Botschaft, die sich kurz nach dem Erdbeben erstmal selbst in Sicherheit gebracht hatte, ohne die bei Ihr registrierten Bundesbürger irgendwie zu informieren, klebten riesengrosse Plakate, auf denen die Heldentaten gefeiert wurden, die Deutschland für das leidgeprüfte Japan nach der Katastrophe volbrachte – mit Photos von Cargomaschinen, Hochdruckreinigern, Räumgerät und dergleichen. Ich glaube, ein Photo vom THW, das zwar schnell vor Ort, aber noch schneller wieder verschwunden war, war glaube ich nicht dabei.
Das soll aber unser aller Freude nicht trüben. Ich war dann doch zu neugierig, und bin also mit meiner Tochter nach Hiroo gefahren. Schliesslich sollte ja sogar der Bundespräsident auftreten. Das tat er wohl auch, aber dafür waren wir zu spät, und meine Tochter wäre sicherlich auch nicht so sehr an einer Rede interessiert gewesen. Schon am Bahnhof von Hiroo ging es los: Menschenmassen, soweit das Auge reichte. Irgendwie Kind an den Cafes vorbei bis zum Park gezerrt – Menschenmassen überall. Hin zum Teich im Park, dann ein paar wenige Stufen hoch – dort begann eine Schlange, die bis zum oberen Teil des Parks reichte. Die Wurstschlange! Ein Zurechtweiser mit Schild „Hier Ende der Schlange“ beantwortet gutmütig die Frage nach der Wartezeit: 2 Stunden. Um Gottes Willen.
Es war viel Trubel. Unzählige Menschen, unzählige Kinder. Schnell was zum essen kaufen? Ausgeschlossen. Nun ja, hier etwas gespielt, da etwas gespielt, kurzer Heulkrampf, weil der gerade erkämpfte Heliumluftballon gen Himmel flog… nach anderthalb Stunden wurde es eh schon langsam dunkel, und so traten wir wieder den Rückweg an. So gesehen muss das Fest ein voller Erfolg gewesen sein.
—–
The Meat Guy
A propos Wurst: Heute bin ich über eine Webseite gestolpert, die ich vorher noch nie bemerkt habe: „The Meat Guy“. Der Name an sich ist schon herrlich. Und Programm. Der Laden wird von einem in Nagoya lebenden Ausländer betrieben – und das Angebot sieht fantastisch aus. Es gibt sogar (Fanfarenton!) ganze Enten – mit 6,600 yen, also guten 60 Euro, pro Tier (wenn auch klein) sogar relativ preiswert. Sogar Speck hat er. Naja, im Moment ausverkauft… Ich war so begeistert, dass ich hier doch prompt umsonst Werbung für den Laden mache.
Die Seite ist übrigens zweisprachig (Englisch & Japanisch) – und gut gemacht. Sprich, die Artikelbeschreibungen sind regelrecht amüsant. Hier geht’s zum Meat Guy.

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

17 Kommentare

  1. Hallo!
    Mich würde interessieren, wie die Japaner selbst mit der ganzen Duck-und-Weg-Taktik der deutschen Botschaft umgehen, wenn man sich jetzt in einem solchen Licht dort präsentiert. Oder macht man sich darüber keine großen Gedanken, solange es leckere Würstchen gibt?
    Bzw. wäre ich auch an einer Geschmackseinschätzung besagter Würste interessiert, wenn schon nicht aus erster – anlässlich der zwei stündigen Wartezeit – verständlich, dann vielleicht aus zweiter Hand – oder besser aus zweitem Mund :)
    Beste Grüße
    Ryuuji

  2. > kurz nach dem Erdbeben erstmal selbst in Sicherheit gebracht hatte
    warum so sarkastisch? Wie der Herr Botschafter im Townhall-Meeting, daß man sich bei ustream anschauen konnte, sich selbst bestätigte, habe man — auch wenn eine Situation für alle Neuland sei — doch im Großen und Ganzen alles richtig gemacht. Da ist er sich auch ganz mit sich selbst einig, denke ich. Deine durchschimmernde Kritik ist da doch völlig fehl am Platze.

  3. @Ryuuji
    Der Großteil der Japaner dürfte das gar nicht wissen. Es würde mich nicht wundern, wenn hier und dort getuschelt wird, aber dauerhaften Schaden wird es bestimmt nicht geben… denke ich mal. Aber man weiss nie. Manchmal kommt Groll erst sehr, sehr viel später ans Licht.
    @umij
    Sarkas…? Was ist denn das? War bestimmt nicht so gemeint. Immer schlechter werden mein Deutsch tut. Ich bin jedenfalls froh, dass der Herr Botschafter mit sich einig ist! Wäre ja traurig sonst.

  4. Danke für diesen Beitrag. Ich hab es mir vor meinem geistigen Auge lebhaft vorstellen können, da ich bei einem お祭り in Hakata vor einem Kebabstand mal eine ähnliche Situation geraten bin. Die armen Jungs hinter dem Stand konnten das Zeug garnicht schnell genug vom Spieß säbeln.
    Und etwas Kritik an den hohen Herren ist durchaus angebracht. Wer wie, überspitzt ausgedrückt, kleine Mädchen kreischen mit hoch erhobenen Händen durch die Gegend rennt und dabei „wir werden alle STÖRBEN“ kreischt, anstatt seiner Aufgabe nachzukommen, der sollte auf etwas Häme vorbereitet sein. Ja ich gebe zu, sehr übertrieben dargestellt, aber ich musste bei diesem Gedanken schmunzeln.

  5. Durchschimmern ist gut, das brachte mich ewig Kritische glatt zum schmunzeln. Das macht meine Kritik zur Sittensündigerin die mit nackten Fakten vorm Bundestag tanzt.
    Meat guy ist toll, den seh ich mir mal genauer an. Das einzige was ich während meiner Schwangerschaft in Japan vermisste war nämlich Leberwurst. Mmmm.

  6. Darf ich bei der Gelegenheit mal fragen, ob du einen richtigen deutschen Bäcker in Tokyo kennst? In Kamakura hatten wir mal einen gesucht und waren dann sehr enttäuscht, als das Brot doch sehr japanisiert aussah.

    • Tanne in Ningyouchou und Linde in Kichijouji sind beide ganz anstaendig. Tanne hat sogar guten Kaesekuchen. In Shibuya kann man in der Tokyu Food Show bei „Andersen“ Mischbrot kaufen (und bei Schmankerlstube gleich nebenan gibt es lecker Leberwurst und Schweinebraten (u.a.)).

  7. @Julia
    Ehrlich gesagt – nein. Bei mir in der Nachbarschaft (Urayasu, Chiba) gibt es einen sehr kleinen, aber feinen Bäcker, mitten im Villenviertel. Der bäckt deutsche, belgische, französische und einige andere Sachen. Und zwar richtig gut. Aber in Tokyo selbst gehe ich eigentlich fast nie zum Bäcker.

  8. >> kurz nach dem Erdbeben erstmal selbst in Sicherheit gebracht hatte
    > warum so sarkastisch?
    Schon japanisierte Denkweise vs. deutsche Denkweise…ich finde eine super-spannendes
    Themenfeld in diesen Zeiten!
    Wo der Nagel nach aussen raussteht (deutsche Denkweise – ich fluechte nach Osaka auch wenn ich Botschafter bin) wird er reingehauen (japanische Denkweise – Gaijin individuell handelnd und daher dumm obwohl ich keine Ahnung habe ob er nicht doch recht hat)
    Jetzt wissen wir dank Messwerten von der Regierung und vielen privaten Initiativen gluecklicherweise mehr. Aber was waere mit den Einheitsdenkern in Japan passiert, wenn der Wind eben nicht nur 2-3 mal nach Tokyo gedreht haette (also >90% ins Meer), sondern 90% ins Inland?

  9. @mindfsck
    Ich glaube, Du hast den Kern nicht getroffen.
    1.) Umij’s Kommentar war ebenfalls sarkastisch gemeint.
    2.) Es geht hier nicht nur um Strahlung und was passierte oder was hätte passieren können. Darf ein Kapitän einfach so von Bord gehen und die Passagiere im Dunklen lassen? Darf ein Offizier einfach wegrennen, wenn die Kugeln fliegen? Entschuldige, aber die Botschaft hat eine klare Aufgabe, und der Staat inkl. aller Bürger zahlt – soweit ich weiss, angemessen – dafür. Die französische Botschaft wurde auch evakuiert – aber Franzosen erhielten vorher Emails und sogar das Angebot, kostenlos nach Frankreich zu fliegen. Andere Botschaften riefen sogar ihre Landsleute an. Ich persönlich habe von der deutschen Botschaft 14 Tage lang nichts gehört – ausser aus der Tagesschau, wo berichtet wurde, dass die Botschaft bereits komplett evakuiert wurde. Mein Sarkasmus richtet sich weniger gegen die Evakuierung – sondern gegen die Tatsache, dass die Botschaft meiner Meinung nach nicht ihrer Pflicht nachgekommen ist.

  10. Natürlich war es höchst unprofessionell von der deutschen Botschaft.
    Aber ich habe das nie anders erwartet. Japan und D sind seit Jahrzehnten „Freunde“ vor allem durch wirtschaftlichen Interessen äusserst friedlich
    verbunden. Dass bei einer Triple-Katastrophe Botschafter ohne Krisenerfahrung
    nichts besonderes leisten und ohnehin nicht viel mehr Info als die Medien hatten, wundert mich jedenfalls nicht – daher war die Botschaft nach 3/11 auch nicht Teil meiner Informationsbeschaffung…
    Von einer deutschen Botschaft in Krisengebieten in Middle East könnte ich das erwarten, aber hier…?

    • Vielleicht mache ich mir das zu einfach, aber sollte es für solche Fälle nicht wenigstens ein Protokoll geben, welches die Vorgehensweise zumindest im allgemeinen festlegt? Es wäre doch recht merkwürdig, wenn die Effizienz einer Botschaft in einem solchen Fall von der Krisenerfahrung des Botschafters allein abhängen würde.

  11. @tembridis
    Natuerlich gibt es fuer die Botschaften besondere Krisenprotokolle, aber man darf als Botschafter auch ruhig mal zeigen, das man Eier hat. Schliesslich werden dies Herrschaften dafuer bezahlt, UNSERE Interessen zu vertreten! Ich zumindest finde es auesserst befremdlich, das man sich als Deutscher doch bitte in eine Liste der Botschaft eintragen soll, damit man im Notfall erreicht werden kann, aber das erste was die Herren Botschafter machen, ist sich still und klammheimlich zu verpissen und uns Deutsche in Japan vollkommen ratlos zuruecklassen. Pfui Deibel! Feige Tranlappen! Aber wenn man fuer die Party des Botschafters doch bitte etwas spenden soll, dann kennen sie unsere Adressen. Die Botschaften von Laendern, ueber die unsere Herren Politiker sonst nur muede laecheln, hatten das deutlich besser im Griff und haben ihre Landsleute umfassend informiert. Sogar Brasilianer und Chilenen wurden von ihren Botschaften angeschrieben, bzw. angerufen, soweit irgendwie moeglich!

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