BlogHindernislauf in Südkorea - Teil 2

Hindernislauf in Südkorea – Teil 2

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Nach dem ersten Teil über die letzte kurze Tour nach Südkorea will ich den kurzen Reisebericht nicht unvollendet lassen.
Was vorher geschah: Anreise in Seoul, Hauptgrund Geschäftstreffen geplatzt. Brütende Hitze. Am nächsten Tag: Fahrt an die Ostküste bei strömendem Regen, vorbeiziehender Taifun verspricht, auch die nächsten Tage Bergwanderungen unmöglich zu machen – und das war eigentlich der Hauptgrund für den Abstecher an die Ostküste. Alternative: Fahrt an die nordkoreanische Grenze am nächsten Morgen. Ein zufällig am Abend kennengelernter Koreaner möchte mit – ich soll ihn am nächsten Tag um 10 Uhr anrufen.
Und so ging es weiter: Eigentlich will ich lieber allein los – erst recht, da besagter Koreaner nur ca. 100 Wörter Englisch kann, wobei er mir dabei um Längen voraus ist: Ich kann gerade mal Hallo, Tschüss, Danke und „Ein Bier bitte“ sagen. Obwohl ich (erneut) festgestellt habe, dass Japanischkenntnisse mitunter nützlich sind: Der „Intercity-Busterminal“ heisst „Shigai taaminaru“ auf Japanisch, und „Sige tominar“ (oder so) auf Koreanisch – ich brauche nur zu nuscheln und man versteht mich. Das ist aber eher eine Ausnahme. Andererseits das gleiche Phänomen wie auch in Japan: Man sagt etwas auf Koreanisch, wird aber nicht verstanden, da das Gegenüber die Kombination „grosser weisser Mann (mit Bart!)“ + Koreanischkenntnisse als invalide Eingabe abtut und auf stumm schaltet – so sage ich einer jungen Dame in einem abstrusen Cafe „Hat Koppi juseyo“ – „heissen Kaffee bitte“. Sie schaut mich an wie ein Alien, aber ein anderer Bediensteter hinter ihr sagt exakt die gleichen Wörter nochmal, mit der gleichen Intonation: „Hat!“ … „Koppi!“.

Südkorea
Diskriminierung mal anders rum: Schild an einer Toilettentür (westliche Toilette) im Busbahnhof von Sok’cho. Die Übersetzung ist nicht 100% korrekt, auf Koreanisch steht dort nämlich nur „Oeguk-in chon’yo“ – „Für Ausländer“, aber es impliziert in der Tat ein bisschen, dass Koreaner diese Toilette nicht nutzen sollen.

Ach ja – eigentlich will ich also nicht, aber da ich es versprochen hatte, rief ich doch den Koreaner an. Genauer gesagt zerrte ich eine Koreanerin im Hostel herbei, schilderte ihr die Lage und hielt ihr mein Handy ans Ohr. Antwort: „Teilnehmer vorübergehend nicht erreichbar“. Na sieh mal einer an, da hatte wohl noch einer kalte Füsse bekommen.
Also ging es allein los. Natürlich goss es in Strömen. Ich habe einen japanischen Reiseführer bei mir. Klar komme ich mir damit ein bisschen blöd vor, aber mein Lonely Planet von Korea ist über 10 Jahre alt, und wegen einer knappen Woche einen Neuen kaufen lohnt nicht. Zumal der japanische Reiseführer den Vorteil hat, dass Stadtpläne mit Schriftzeichen UND Hangul (koreanisches Alphabet) versehen sind – beides hilfreicher als lateinische Buchstaben.
Laut Reiseführer muss ich mit dem Bus knapp 50 km bis nach Daejin fahren, von dort „etwas“ laufen und dann auf Glück hoffen: Wer zur Grenze will, muss sich vor dem Sperrgebiet (ca. 12 km von der Grenze entfernt) registrieren – und sich dann irgendwie durchschlagen, denn ohne Auto darf man nicht rein. Ich hatte freilich gerade keins dabei. Klingt … interessant. Ich bin der einzige Fahrgast im Bus, und es geht immer weiter nach Norden entlang der Küste. Koreanische Busfahrer rasen wie die Wilden, und so bin ich gute 30 Minuten später an der Endhaltestelle – im Nirgendwo. Ich laufe erstmal los – erstaunlicherweise regnet es hier kaum. Nach ca. 2 km komme ich zum grossen Besucherzentrum. Ich gehe zur Anmeldung. „Ihr Auto?“ werde ich gefragt. „Halte ich später an“ antworte ich. Der Mann guckt etwas schräg, und deutet an, dass ich in der Ecke warten möge. Die nächsten melden sich an. Dann die Nächsten – ein junges Pärchen. Der Schaltermensch erklärt etwas, und zeigt in meine Richtung. Dann winkt er mich herüber: Er hatte die beiden gefragt, ob sie mich mitnehmen könnten, und die beiden hatten nichts dagegen.
Ich danke den beiden auf Koreanisch und bleibe erstmal stumm. Will sie ja schliesslich nicht sinnlos zutexten. Wir schauen zusammen einen kurzen Film zur Verhaltensweise im Sperrgebiet an. Dann gehen wir zum Auto. Er spricht mich dann schliesslich an – offenbar kann er ein bisschen Englisch. Madam scheint weniger begeistert.
Los geht es also mit dem Auto – durch zahllose Barrikaden und vorbei an einem hypermodernen Grenzübergang – hier wurde optimistischerweise schwer in die Infrastruktur im Falle einer plötzlichen Wiedervereinigung investiert. Wenig später erreichen wir das Ziel – das 고성통일전망대 Gonseng (Wieder)vereinigungsobservatorium. Immerhin geht es etwas leiser zu als vor 11 Jahren, als ich an einem anderen Punkt der Grenze war: Damals beschallte man sich noch lautstark von beiden Seiten.

Südkorea
Grenze zu Nordkorea: Die eigentliche Grenze liegt in etwa auf Höhe der kleinen Halbinsel

Die DMZ (entmilitarisierte Zone) ist an dieser Stelle Koreas besonders interessant: Dank der sogenannten „Sonnenscheinpolitik“ Südkoreas, die allerdings schon wieder beendet ist, war es an diesem Ort nämlich für zahlende Südkoreaner möglich, ein paar Kilometer weit nach Nordkorea hereinzufahren – zu einem besonders schönen Abschnitt der koreanischen Bergwelt. Bis eine Touristin quasi „aus Versehen“ von einem nordkoreanischen Soldaten erschossen wurde.
Und so hat man unter sich die kompletten Grenzanlagen mit allerneuester Strassen- und Eisenbahnanbindung vor sich, und keiner darf sie benutzen. Automatisch denkt man dabei an die Wiedervereinigung Deutschlands zurück – an all die Probleme die Kosten und die Tatsache, dass selbst nach 20 Jahren noch erhebliche Unterschiede bestehen. Dabei waren sich Ost- und Westdeutschland noch relativ nah: Der Unterschied zwischen Nordkorea und Südkorea sowie die Probleme bei einer potentiellen Wiedervereinigung dürften jeglicher Vorstellungskraft trotzen. Nur als Beispiel: Es gibt zahlreiche Berichte von Flüchtlingen und Hilfsorganisationen aus dem Norden, dass die Menschen dort aufgrund der desaströsen Nahrungsmittelknappheit entgegen dem allgemeinen Trend nicht immer größer, sondern immer kleiner werden: 1.4 m „grosse“ Soldaten sollen wohl keine Seltenheit sein.
Mit den beiden Koreanern komme ich mehr und mehr ins Gespräch. Sie spricht etwas Englisch, er etwas Japanisch. Zu einer Diskussion über Politik reicht es zwar nicht, aber wir unterhalten uns ganz gut. Danach geht es noch zusammen in ein hypermodernes Museum über die Grenze und die Teilung. Die beiden fragen, wohin ich nach der Grenze gehen möchte. Ich sage „nach Sok’cho“. Da wollen die
Beiden auch hin, und sie bieten an, mich bis dahin mitzunehmen. Unterwegs halten wir noch an einem See – dort steht die Villa des ersten südkoreanischen Präsidenten sowie – keinen Kilometer davon entfernt – das Wochenendhaus vom Kim Il Sung, dem nordkoreanischen Gottvater (die gesamte Region gehörte von 1945 bis 1950 zu Nordkorea).
Gegen 6 Uhr abends erreichen wir Sok’cho. Ob ich auch hungrig sei, fragt er – ja, sage ich, denn außer einer Scheibe Toastbrot am Morgen hatte ich noch nichts gegessen. Sie haben auch Hunger, sagt er – sie hatten ebenfalls kein Mittag. Toll. So hat keiner aus Rücksicht auf den Anderen was gegessen. Jedenfalls verabschieden wir uns dort – ich gebe ihnen meine Visitenkarte und sage ihnen, sie sollen sich unbedingt bei mir melden, falls sie mal nach Japan kommen – das kann durchaus passieren.
Am nächsten Tag hatte ich gerade mal den Vormittag zur Verfügung, denn am Nachmittag musste ich schon wieder zurück nach Seoul. Also früh aufgestanden, und raus mit dem Bus zum Nationalpark. Von den Bergen sieht man gerade mal die Füsse, und die Seilbahn fährt ins weiße Nichts. Aber man hofft ja. Aus purem Zeitmangel geht es also mit der Seilbahn in die Wolken und dann ein paar Hundert Meter durch zähen Nebel – sowie die letzten paar Meter am Seil entlang auf den Gipfel. Und wer hätte das gedacht: Die Wolken haben Löcher, und nach einer Weile kann man tatsächlich etwas sehen. Aber nur für kurze Zeit.

Südkorea
Glück gehabt: Die Wolken haben ein Loch

Am nächsten Tag ging es dann auch schon wieder zurück. bei strömendem Regen, versteht sich. Alles in allem gab es aber dank der Berge doch noch ein versöhnliches Ende.
Bei meiner ersten Tour nach Südkorea war ich nicht allein, bei dieser Tour jedoch schon. An der Stelle eine kleine Warnung an alle, die sich allein auf den Weg nach Südkorea machen: Ausserhalb der Grossstädte wie Seoul oder Pusan ist es sehr schwer für Einzelne, auswärts essen zu gehen – sehr viele koreanische Restaurants lassen Einzelpersonen gar nicht erst rein. Nein, das kann nicht nur an mir gelegen haben – ich sah eigentlich relativ gepflegt aus… Dachte ich so zumindest….
Mehr Fotos gibt es hier zu sehen:

Get the flash player here: http://www.adobe.com/flashplayer


So, nach dem kurzen Abstecher geht es ab dem nächsten Beitrag wieder um Japan….

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

6 Kommentare

  1. Erstmal gratulieren wir zum erneuten Nachwuchs! Die Geschichte ist sensationell! Ich bin echt begeistert! Ein Klasse Erlebnis, das man so schnell nicht vergisst. LG Jack

  2. Da werd ich ja gelb vor Neid! Mal wieder eine super Geschichte, die bei dir als „kurzer Abstecher“ runtergespielt wird. Man, bist ein echter Glückspilz. Eigentlich eine Geschäftsreise, die dann zu einer Erlebnisreise wird. Und danke für die Bilder (war da nicht vor kurzem erst eine Entschuldigung wegen zu weniger Bilder zu lesen?), ist eine tolle Teilhabe an deinen Reisen, mein Lieber.

    Wer kommt übrigens auf die Idee, dass die Nordkoreaner innerhalb von 60 Jahren so erheblich schrumpfen?

  3. @Jack
    Danke, danke. Wie geht’s Euch so? Lange nichts mehr voneinander gehört!

    @Terry
    War ja wirklich nur kurz. Lass Dich vom langen Artikel nicht täuschen :-)
    Das mit den Folgen der Hungersnot wird unter anderem hier beschrieben:
    http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2009/03/05/AR2009030503613.html

    Teenage boys fleeing the North in the past decade are on average five inches shorter and weigh 25 pounds less than boys growing up in the South, according to measurements taken at a settlement center for defectors in South Korea.

    . 5 inches – das sind gute 12 cm und ein enormer Unterschied.

    @Herm
    Die Frage kann Dir Jakub wahrscheinlich besser beantworten – ich hoffe mal, er schaut sich den Artikel hier auch an. Es scheint aber mehr daran zu liegen, dass viele traditionelle Restaurants einfach nichts für eine Person anbieten – alles ist riesig und für mindestens 2 gedacht.

  4. @Herrn
    Ich bin schon recht viel durch Korea gereist und hatte zwar in aller Regel keine Probleme in Restaurants unterzukommen, fakt ist aber und was auch schnell auffalen wird: In Korea ist man selten alleine unterwegs und der Großteil der Restaurants und Geschäfte sind nicht für Einzelpersonen ausgelegt. So passiert es oft, dass man dann für Portionen für 2 bezahlen muss und gar nicht erst für 1 Person bekommt, insbesondere bei Grillfleisch.

    Koreaner sind einfach Gruppenmenschen, wenn man alleine unterwegs ist wird man schon ein wenig seltsam angeschaut, ist einfach nicht sitte ;- )

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