BlogTod und Hungerstreik im Verwahrungszentrum für Ausländer

Tod und Hungerstreik im Verwahrungszentrum für Ausländer

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Laut Artikel der Japan Times sind seit Montag 60 Insassen des 東日本入国管理センター (Immigrationsverwaltungszentrum Ostjapan) in den Hungerstreik getreten.
„Immigrationsverwaltungszentrum Ostjapan“ ist dabei (meine) wörtliche Übersetzung des offiziellen japanischen Namens, wobei diese Bezeichnung ein schlichtweg euphemischer Begriff ist: Die Anlage in 牛久 Ushiku in der Präfektur Ibaraki, in der Einflugschneise des Internationalen Flughafens Narita, ist kurz gesagt ein Knast für Ausländer, und mag man den Inhaftierten sowie diversen japanischen Gruppen glauben, so muss das dort die Hölle sein.
Die in den Hungerstreik getretenen Ausländer sitzen zumeist wegen Verstosses gegen das Einreisegesetz in Haft, und gute 200 der fast 400 Insassen sitzen dort bereits mehr als ein halbes Jahr ein. Ohne Verurteilung, wohlgemerkt! Für die meisten läuft der Aufenthalt letztendlich auf Zwangsabschiebung hinaus, egal, ob sie in ihrer Heimat verfolgt werden oder nicht. Die meisten kommen dabei aus Ländern wie Sri Lanka, China, Uganda, Pakistan, der Türkei (Kurden) usw.
Die Streikenden verlangen dabei eine Verbesserung der Lebenssituation, die Verkürzung der Verweildauer dort auf 6 Monate, die Befreiung von unter 18-Jährigen von der Inhaftierung, eine geringere Kaution – die liegt momentan bei guten 5’000 Euro – usw. In der Anstalt gibt es zum Beispiel nur einen Arzt, und selbst der ist nicht immer vor Ort. Brisant wird das ganze auch durch den Selbstmord zweier Insassen dieses Jahr in Ushiku.
Kurzum – was sich Japan da leistet, ist eine Schande. Man mag darüber mutmassen, warum sich nichts ändert – einerseits will man sich wahrscheinlich nicht reinreden lassen, andererseits soll das Ganze bestimmt auch als Abschreckung dienen. Die Verzweiflung der dort Inhaftierten kann man sich jedenfalls wahrscheinlich kaum ausmalen.
Mehr zu lesen über die Anstalt gibt es bei den japanischen Aktivisten des 牛久の会 Ushiku-Vereins in diesem langen Artikel sowie bei der Free Jamal Campaign.
Das Wort des Tages: 収容 shūyō. Die Haft, die Internierung.

tabibito
tabibitohttps://www.tabibito.de/japan/
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei Tabibitos Japan-Blog empfohlen.

17 Kommentare

  1. Warum darf man die Leute denn überhaupt für ein halbes Jahr oder länger einsperren, wenn sie immigrieren wollen? Wenn etwas nicht stimmt, dann soll man sie entweder direkt zurückschicken oder solange in Freiheit leben lassen, bis man einen Beweis für das Vergehen hat…

  2. Hmmm, schwieriges Thema. Eine derartige Behandlung ist sicher alles andere als angemessen. Gibt es denn ein „erstes“ Refugee-Camp und erst danach geht es dorthin oder werden pauschal gleich alle Asylantragsteller dort reingestopft?

    Andererseits sind VISA-Verstoesse eine ernstzunehmende Sache. Als Auslaender sollte man wirklich niemals lacks damit umgehen.

  3. Unabhänging vom Visaverstoss muss man die Menschen ja trotzdem nicht wie den letzten Abschaum behandeln, meiner Meinung nach.

    Es handelt sich ja da nicht um Schwerverbrecher oder deutsche Animefans die nicht schnell genug etwas Heiratswilliges gefunden haben.

    Ob die Asylanträge gerechtfertigt sind oder nicht kann man auch „freundlich“ rausfinden denke ich.

  4. Nun ja kein Land behandelt AFAIK Abzuschiebende nett.
    Auch in Deutschland wird da nur das juristische Mindestmaß an Menschlichkeit angewendet.
    Sozusagen gibt es nur verschiedene Stufen grau der inhumanen Behandlung, wobei in Europa Italien wohl die Negativliste anführt.
    Das entschuldigt natürlich Japan nicht in dem Punkt.
    Nur sind sie ev. nicht „Spitzenreiter“. :-/

  5. Finde ich richtig und gut!

    Sicherlich ist Japan und sind wir auf Zuwanderung angewiesen, aber nicht auf das PACK, was da überwiegend zu uns kommt.

    (West-)Europa sollte da als mahnendes Beispiel gelten!

    Nicht von mir:
    „Entgegen anders lautenden Grüchten sind wir nicht das Sozialamt der Welt!“

    Jeder, der sich jetzt wegen der Menschenrechte aufregt, kann gerne einen aus Pakistan (oder von wo auch immer her) stammenden Asylbewerber bei sich zu Hause aufnehmen – und deren Sippe, die dann nachgeholt wird!

    Bin gespannt, wie lange Gutmenschen dann noch gut sein bzw. bleiben werden?

  6. @u.n.

    Die Internierung Minderjähriger und menschenunwürdige Haftbedingungen, die Leute in den Selbstmord treiben, kann nicht richtig sein. Diese Praxis nützt weder Japan (oder Europa oder den USA) noch den Betroffenen selbst. So etwas radikalisiert und wird zum Nährboden für Fundamentalismus.
    Davon mal abgesehen – ganze Nationalitäten als „Pack“ zu bezeichnen halte ich für verwerflich. Wir reden hier immer noch von Menschen.

  7. Ich muss meinem Vorredner, wenn auch gemässigter, zustimmen.
    Die Japaner sollten aus der hirnlosen europäischen Asyl-und Immigrationspolitik lernen.
    Gerade was türkische Kurden angeht, hat allein Deutschland in den letzten Jahrzehnten unintegrierbare, gewaltbereite PKK-Schergen unter Asylbedingungen ins Land geholt.
    Als Gegenpol stehen in Deutschland tausende rechtstremistische „Graue Wölfe“ (Bozkurtlar) bereit, die gegen die PKK, den deutschen Staat, Integration und den jüdisch-christlichen Westen im Allgemeinen agitieren.
    Von anderen Migranten ähnlichen Coleurs mal ganz zu schweigen.
    Ich wünsche Japan die Zustände Westeuropas nicht.
    In Malmö/Schweden sind Juden bereits wieder auf der Flucht und ziehen aus bestimmten Städten weg( http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/546769/index.do?_vl_backlink=/home/politik/aussenpolitik/index.do ), weil sie bedroht, beleidigt und bespuckt werden von all den „Schätzen“ die uns eine ungeprüfte Zuwanderung bescherte.
    Japan muss den Fluss demographisch bedingter Zuwanderung konsequent steuern und selektieren, wenn es auch den Fehlern Europas lernen will.
    Zustände wie in Deutschland, Belgien, Grossbritanien, Holland, Frankreich, Italien, Schweden, Dänemark, oder der Schweiz und Österreich wünsche ich den Japanern nicht.
    Dazu liegen sie mir viel zu sehr am Herzen.

  8. @Adalbert von Fahrenheit
    Oh ja, ein sehr schoener Artikel, der tief blicken laesst wie weit es mit objektivem Journalismus in Deutschland gekommen ist. Ich denke nicht, das die Zeit denselben Artikel auch „drucken“ wird. Naja, zumindest trifft der Artikel online genau die „Lesegewohnheiten“ der anvisierten Zilegruppe…..

  9. Na also, jetzt ham wir ja ein politisches Thema bei dem Leben in der Bude ist… Du hattest Dich doch mal beschwert, Matthias :D

  10. @coolio: Da muss ich dich leider enttäuschen, der Artikel war doppelseitig im Dossier der Ausgabe 6/2010 abgedruckt.

  11. Schon mal da gewesen, wo die Flüchtlinge herkommen? Schon mal mit Flüchtlingen gesprochen? Ihre Beweggründe erforscht?

    Es gibt Dörfer, in welchen ein Dorfbewohner ausgewählt wird, in ein reiches Land zu gehen, um dann für die Dorfbevölkerung Geld zu verdienen. Meint jemand, der Auserwählte geht gern?

    Schon mal einen „Jugendlichen“ von 14 oder 15 Jahren gefragt, ob er gern von seiner Familie weggeht? Tränendrüse hin oder her, so lange wirtschaftliche Zwänge Menschen aus ihren Lebensumfeld drängen, wird es Flüchtlinge geben. Gibt es schon Jahrtausende. Und so lange die Menschen nicht tolerant miteinander umgehen können, wird es auch politische Flüchtlinge geben.

    Und wer sich hinstellt, beurteilen zu wollen, ob der Flüchtling „echt“ oder gefaked ist, sollte bis zum Ergbenis den Anstand haben, Menschenwürde zu respektieren. Die Unschuldsvermutung kann auch im Asylverfahren nicht aufgehoben werden.

  12. @Adalbert von Fahrenheit
    Du hast recht. Ich bin wirklich enttaeuscht. Enttaeuscht das sich selbst die Zeit dazu erniedrigt, so eine populistisch verdrehte Scheisse abzudrucken.

    Solche Saetze wie:
    „Da ist Jamil, 17, dessen Schwester entführt wurde; seine Eltern haben nicht das Geld, sie freizukaufen. Jede zweite Nacht schreit er, weil er starke Herzschmerzen hat.“

    oder

    „Und da ist Said, 16, der sich kürzlich auf eine Straße legte und darauf wartete, dass ihn ein Auto überfährt.“

    Also bei wem es da nicht klingelt……

  13. @coolio: Siehe Terry. Ich würde mir nicht anmaßen über Einzelschicksale zu urteilen. Kennst du die Zustände in den Lagern? Woran machst du fest, dass die Zeit in irgendeiner Weise Tatsachen verdreht? Und bitte ohne deinen üblichen Zynismus, danke.

  14. @Juergen

    Reflexartig von „braunen Kommentartouristen“ zu faseln, in einem Blog der wohl hauptsächlich von interkulturell Interessierten Menschen besucht wird, was wiederum klar an der Ausrichtung des Blogs liegen dürfte, mieft nach arrogant, naivem Gutmenschentum.
    Es sollte doch einem vermutlich Erwachsenen Menschen möglich sein, mit dienlichen Argumenten über eine Problematik zu diskutieren, ohne gleich die üblichen Phrasenschablonen zu zücken und andere Menschen als „Braune“ zu brandmarken.
    Echt widerlich.

  15. @Adalbert von Fahrenheit
    Hm, ich habe mit keinem Wort die Zustaende in den Lagern beschrieben. Sicher kennst du die Zustaende dort besser als ich, nur allein vom Zeitung lesen….
    Mir ging es nur um den widerlich geschriebenen Artikel, der ein sensibles Thema populistisch unsensibel aufbereitet und nun wirklich nicht als Quelle fuer eine ernsthafte Betrachtung des Problems dient.
    Und nichts fuer ungut, aber wenn dir mein Zynismus nicht gefaellt (obwohl angebracht…), ueberspring meine Kommentare doch ganz einfach….

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